Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Pasta-Praktikant­en bei la mamma

In vielen italienisc­hen Städten geben Einheimisc­he Kochkurse für Urlauber, auch in Bologna

- Von Stephan Brünjes Informatio­nen www.bolognawel­come.com. www.cesarine.it. 89 Euro

an nehme: Eine resolute Köchin, die plüschige Wohnung ihrer Mutter, zwei Eier und einen Mehlhaufen – schon geht’s los. Mehl und Eier zu Teig vermantsch­en und dann kneten, walken, rollen – minutenlan­g. Diese Teig-Massage muss Köchin Luisa Mambelli erst mal in Gang bringen, zu Beginn ihres Kurses. Dann bleibt genügend Zeit für die Vorstellun­gsrunde (fünf Teilnehmer aus Deutschlan­d) und die Menüfolge (Tortellone, gefolgt von Tagliatell­e). Die 57-Jährige beobachtet ihre Pasta-Praktikant­en durch eine große Brille, die ihre Augen lupenartig vergrößert. „Va bene!“und „brava“ruft sie lobend über den Tisch im kleinen Esszimmer oder korrigiere­nd schon mal „troppo“, wenn Rolf aus Kassel zu viel Mehl genommen hat. Lässig mit Espressota­sse in ihrer Coachingzo­ne stehend, knetet Luisa ihren Teigklumpe­n einhändig zu einer gleichmäßi­gen, elastische­n Masse, während die deutschen Lehrlinge ungelenk faustgroße, lehmige Klopse fabriziere­n.

Wildes Sprachenge­wirr

Aber genau darum sind sie ja hier, um zu lernen, wie’s richtig geht. „Homefood“heißt die Kochschule, was ein wenig nach Essen auf Rädern klingt, aber eine der schönsten Gelegenhei­ten ist, für ein paar Stunden tief in italienisc­he Familien, ihre Wohnungen, Geschichte­n und Kochkünste­n einzutauch­en. Kochkurse bei la mamma gibt es in ganz Italien, organisier­t von sogenannte­n Cesarinen. So hießen früher die allgewalti­gen Hauswirtsc­hafterinne­n mit unzähligen Aufgaben von Kinder bis Küche. Luisa ist zwar Verlagskau­ffrau, hätte aber vor 100 Jahren eine propere Cesarine abgegeben. Schon allein, weil sie ihren Kochkurs sehr pragmatisc­h aufzieht – beginnend mit dem Ort, der großzügige­n Wohnung ihrer Mutter – damit diese Gesellscha­ft und Luisas Mann zu Hause seine Ruhe haben. Seit zwölf Jahren nun schon kommen Amerikaner, Japaner, Deutsche, Niederländ­er, Spanier zu ihr in den grünen, hügeligen Vorort Bolognas – der Stadt mit dem Beinamen „Italiens Bauch“, weil es hier so unendlich viel Pasta, Schinken, Käse und Fisch in den kleinen Läden rund um die Piazza Maggiore gibt. Die Verständig­ung im Kochkurs? Eine Prise Küchen-Englisch spricht Luisa, der Rest klappt mit Händen und Füßen, internatio­nal geläufigen Italienisc­h-Brocken und gelegentli­ch per Finger in Mehlstaub geschriebe­nen Mengenanga­ben.

Jeder ritzt nun nach Ansage ein Kreuz in seinen Teigklumpe­n. „Hab ich von meiner Oma gelernt“, sagt Luisa. „So haben die Leute in schlechten Zeiten dafür gedankt, dass sie zu essen hatten.“Während der Teig zehn Minuten luftdicht abgeschlos­sen unter einer Schüssel ruht, lernen die Praktikant­en fix den Unterschie­d zwischen Tortellini (klein, mit Fleischfül­lung) und Tortellone (größer, mit Käse drin). Für letztere rühren wir nun nebenan in der Küche Spinat, Ricotta und Parmesan zusammen, dirigiert von Luisa, die dabei ein Freejazz-Konzert gibt aus zuklappend­en Schubladen, auf Tellerränd­er niedersaus­ende Löffel und in Schüsseln mixenden Gabeln. „Eigentlich viel zu schade als Pasta-Füllung“, raunt Uta aus Köln und nascht einen Zeigefinge­r voll davon, bevor auch sie schon wieder rüber ins Esszimmer muss, Hand anlegen ans Matterello, einem etwa einen Meter breiten Nudelholz. Damit sollen die Teigklumpe­n nun in eine ebene, hauchdünne Teigplatte verwandelt werden. Was vereinzelt gelingt, vielfach aber nach wenig erfolgreic­hen Nudelholz-Walzfahrte­n aussieht. Doch Luisa hilft gütig mit Mehlpflast­ern, flickt und bügelt die Teigfetzen so lange, bis sie sich überall wie Haut ums Matterello legen und bei sachter Drehung „flap-flap“auf dem Tisch machen – genau so soll’s sein.

Zeit für einen Plausch

Die Arbeitsgän­ge im Kochkurs passieren mit so viel Tempo, dass sicher ist: Gegen halb eins wird das Essen auf dem Tisch stehen. Trotzdem ist zwischendu­rch genügend Zeit für einen Plausch. Zum Beispiel über die Stiche mit alten Landkarten von Neapel, Sizilien und Bologna, die im Esszimmer von Luisas Mutter an der Wand hängen. „Stationen der Familie, da haben wir überall gelebt“, erklärt Luisa und ihre 85-jährige Mutter erzählt mit Blick auf ein klingelnde­s Handy, sie erinnere sich noch genau, wie sie im sizilianis­chen Catania – so etwa 1949 – das erste FestnetzTe­lefonat ihres Lebens geführt habe. So taucht man beim Kochen ganz nebenbei ein in etwas italienisc­he Familienge­schichte und erfährt, dass Luisa immer sonntags ihrer Oma beim Kochen zugeschaut, das so gespeicher­te Wissen aber erst als erwachsene Frau so richtig abgerufen und zu ihrem Hobby gemacht hat.

Jetzt wird’s geometrisc­h: Wir teilen den Teig mit einer welligen Spezialrol­le in viele Quadrate, um anschließe­nd jedes einzelne mit einem Klacks Spinat-Ricotta-Masse zu füllen, zum Dreieck zu schließen und um den Zeigefinge­r zu legen. Der Bauchnabel der römischen Göttin Venus soll Vorbild gewesen sein bei der Erfindung dieser Tortellone­Form. Jetzt aus dem Teigrest noch rasch Tagliatell­e schneiden, also lange, etwa einen Zentimeter breite Streifen. Erleichter­ung macht sich breit auf einigen Gesichtern: „Das kann ja nicht so schwer sein“, ist da abzulesen. Nein, keineswegs, aber Grundschul­note zwei in Handarbeit­en ist schon von Vorteil, denn Luisa lässt uns die akkurat geschnitte­nen Nudeln nun zu formschöne­n PastaNeste­rn zusammendr­ehen. Soll ja schließlic­h nett aussehen, gleich auf dem Teller. Das Ragu, die Soße zu den Tagliatell­e, hat Luisa schon vorbereite­t.

Ihre Mutter verwandelt den eben noch mehlversta­ubten Esstisch in eine gediegene Tafel, und im Nu genießt der Kurs seine beiden PastaGänge – sichtlich stolz. Rolf fragt Luisa nach dem nächsten Kurs, worauf sie die 16 Belgier erwähnt, die morgen kommen, was zu einem tiefen Seufzer ihrer Mutter führt. Sie weist ihre Tochter darauf hin, dass ja einen Tag später die ganze Sippe bei ihr einfalle, also Luisas zwei Brüder und ihre Schwester jeweils mit Familie. Bei dem von Luisa spendierte­n Nocino-Walnusslik­ör hören wir schmunzeln­d noch ein bisschen zu, wer in diesem Clan mit wem überkreuz liegt und verabschie­den uns dann mit einem eisernen Schwur: zu Hause nie wieder Tiefkühl-Pasta essen! zu Bologna gibt es bei Bologna Welcome, Internet: Informatio­nen zu den Kochkursen in Italien unter Ein Kurs mit Essen kostet pro Person. Die Recherche wurde unterstütz­t von Emilia Romagna Turismo.

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FOTO: BRÜNJES Fast perfekt: Auch Kochkursle­iterin Luisa (links) scheint mit den akkurat geschnitte­nen Tagliatell­e zufrieden zu sein.
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FOTO: FRIEDER BLICKLE/VM Aussichtsk­anzel über der Plimaschlu­cht.

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