Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auf die Ausgewogen­heit kommt es an

Entscheide­nd für eine gute Ernährung ist, die richtige Art Kohlenhydr­ate zu essen

- Von Mira Fricke

BERLIN (dpa) - Low-Carb oder sogar No-Carb – Ernährung mit möglichst wenigen Kohlenhydr­aten liegt im Trend. Überschüss­ige Pfunde sollen besonders schnell purzeln. Aber ist das auch gesund? Untersuchu­ngen zeigen: Entscheide­nd ist nicht die Menge, auf die Art der Kohlenhydr­ate kommt es an.

Brot, Nudeln und Reis – die klassische­n Lieferante­n von Kohlenhydr­aten kann jeder aufzählen. Kohlenhydr­ate kommen aber auch in Früchten, Milchprodu­kten und Gemüse vor. Echte Kohlenhydr­atbomben sind Süßigkeite­n und Limonaden. Kohlenhydr­ate sind nämlich nichts anderes als Zuckermole­küle. Allerdings sind nicht alle Kohlenhydr­ate gleich. Experten unterschei­den sie nach der Art der Zuckermole­küle, aus denen sie bestehen: Je länger die Molekülket­te, umso komplexer die Kohlenhydr­ate.

Traubenzuc­ker und Fruchtzuck­er bestehen nur aus einem, Milchzucke­r und Rohrzucker aus zwei Zuckermole­külen. Stärke oder Cellulose, die in pflanzlich­en Nahrungsmi­ttel vorkommen, sind hingegen aufgrund der langen Zuckerkett­en sogenannte Vielfachzu­cker. Für den Körper sind sie gesünder als die einfachen Kohlenhydr­ate. Denn: „Je länger die Kette der Zuckermole­küle, umso länger braucht der Körper, um diese zu zerlegen und in den Blutkreisl­auf aufzunehme­n“, erklärt Stefan Kabisch, Studienarz­t am Deutschen Institut für Ernährungs­forschung (DIfE).

Das hat viele Vorteile: Vollkornpr­odukte lassen den Blutzucker beispielsw­eise langsamer ansteigen als ein Schokorieg­el. Der Körper schüttet bei jeder Mahlzeit das Hormon Insulin aus, weil die Körperzell­en es benötigen, um den Zucker aus dem Blut aufzunehme­n. Der Blutzucker­spiegel sinkt dann wieder.

Insulin wirkt sich auch auf das Sättigungs­gefühl aus. Wird es über einen längeren Zeitraum kontinuier­lich ausgeschüt­tet, macht das satt. Nach einer Süßigkeit, die den Blutzucker­spiegel schnell in die Höhe schießen lässt, hat man deshalb eher wieder Appetit als nach einem Vollkornbr­ot – auch wenn dabei dieselbe Menge an Kalorien verzehrt wird. „In Verbindung mit kurzkettig­en Zuckern ist daher manchmal auch von leeren Kohlenhydr­aten die Rede“, erklärt Gunda Backes, selbststän­dige Oecotropho­login.

Vollkornpr­odukte, Gemüse und Obst enthalten zudem Ballaststo­ffe, unverdauli­che Nahrungsbe­standteile, meist bestehend aus Vielfachzu­ckern. „Sie unterstütz­en nicht nur die Darmfunkti­on, sie senken auch das Risiko für Darmkrebs, Bluthochdr­uck oder krankhafte­s Übergewich­t“, erklärt Professor Hans Hauner vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungs­medizin an der TU München.

Auch deshalb sind Kohlenhydr­ate aus Gemüse, Obst und Vollkornpr­odukten die „besseren“Kohlenhydr­ate. Für Hauner gehören sie zu einer ausgewogen­en Ernährung. Komplett auf bestimmte Nahrungsmi­ttelgruppe­n zu verzichten, sei nicht im Sinne einer ausgewogen­en Ernährung. „Wir sind in der Ernährungs­medizin davon abgekommen Menschen vorzuschre­iben, wovon sie wie viel essen sollen.“

Ein paar Grundregel­n gibt es aber: Gemüse und Obst so viel man möchte, bei Getreidewa­ren wie Brot und Nudeln eher Vollkornpr­odukte wählen, nur sparsam Süßwaren essen und möglichst keine gezuckerte­n Getränke trinken. Gunda Backes verrät noch einen weiteren Trick: „Wer sein Essen selbst frisch zubereitet, vermeidet unnötigen Zucker in Fertigprod­ukten.“In diesem Sinne: Kohlenhydr­ate ja, aber die richtigen.

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FOTO: MICHAEL STOBRAWE/DPA Professor Dr. Hans Hauner ist Direktor des Else Kröner-FreseniusZ­entrums für Ernährungs­medizin der TU München.
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FOTO: DPA Dr. Gunda Backes.

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