Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Dem Druck getrotzt
Rhein-Neckar Löwen verteidigen Handball-Titel – 28:19 über Kiel dokumentiert Machtwechsel
(SID/dpa) - Erst mit ein paar Minuten Verzögerung dröhnte „We are the Champions“aus den Boxen, riesige Bier- und kleine Sektflaschen wurden eilig herbeigeschafft: Die von den Fans gefeierten „Handball-Götter“der Rhein-Neckar Löwen waren am Mittwochabend von ihrem zweiten Meistertitel selbst überrascht – der Auftakt zur langen Partynacht musste improvisiert werden. „Ich hätte nie gedacht, dass wir heute schon die Meisterschaft feiern“, sagte der überragende LöwenSpielmacher Andy Schmid nach dem 28:19 (11:10) gegen Rekordmeister THW Kiel. „Aber Spontanpartys sind die besten.“Allerdings: „Ich bin mit dem Auto hier und habe gar keine Klamotten für eine Party dabei – da muss ich mir noch etwas einfallen lassen.“
Dem Schweizer Nationalspieler wird geholfen worden sein. Schließlich hatte das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen akribisch auf die Titelverteidigung hingearbeitet. „Das ist unfassbar, unglaublich“, sagte Jacobsen und fügte kurz nach der ersten und kurz vor der zweiten „Bierdusche“an: „Das war schön kalt, in der Halle ist es sehr warm.“
Zu verdanken hatten die Löwen ihren vorzeitigen Partymarathon Frisch Auf Göppingen, das zuvor Verfolger SG Flensburg-Handewitt 31:27 besiegt hatte. Zwei Spieltage vor dem Saisonende ist die Meisterschaft entschieden, die Schale erhalten die Mannheimer aber erst nach dem letzten Saisonspiel gegen MT Melsungen am 10. Juni.
„Ich brauche ein paar Tage, um das zu verarbeiten“, sagte Andy Schmid. Nach dem Titel 2016, dem zwei zweite Ränge hinter Kiel vorausgegangenen waren, „wurden wir in jeder Halle als Meister empfangen, wir hatten noch mehr Druck“. Entsprechend „unfassbar“sei es, „dass wir das hier erleben dürfen“.
Am vergangenen Sonntag hatten die Mannheimer mit einem Sieg in Flensburg den Grundstein gelegt. „Drei Tage später sind wir Meister. Ich kann es noch gar nicht glauben“, sagte Jacobsen, der sein Team immer wieder nach vorne gepeitscht hatte: „Wir mussten in dieser Phase zwei, drei Prozent drauflegen. Das ist das, was Spiele entscheidet.“
Zusammenhalt die große Stärke
Vor der Saison war das den Löwen nur bedingt zugetraut worden, auch weil Kapitän Uwe Gensheimer zu Paris St. Germain wechselte. „Es ist schon schwer genug, Meister zu werden – und das dann im nächsten Jahr noch einmal zu wiederholen, ist einfach der Wahnsinn“, sagte Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Kurpfälzer, wohl auch deshalb. Gemeinsam mit Jacobsen formte der Weltmeister eine Mannschaft, deren große Stärke der Zusammenhalt ist.
Der Spannung in der Bundesliga tut diese Stärke nur gut. Serienmeister und Pokalsieger Kiel, der in der laufenden Saison sogar um die Qualifikation für die Champions League zittern muss, wurde endgültig an der (Liga-)Spitze abgelöst. Bei den Flensburgern, zum zwölften Mal seit 1996 Vizemeister, dürfte die Gier nach einem Titel nun noch größer sein. Zukunftsmusik. Die Badener genossen die Gegenwart. „Im Laufe des Spiels hat man gesehen, dass unser Wille groß genug ist“, sagte Löwen-Nationalspieler Patrick Groetzki. Die Party-Organisatoren hätten, so der 27-Jährige, auf den schwedischen Rückraumstar Kim Ekdahl Du Rietz hören sollen, der nach der Saison seine Karriere beendet: „Er hat seit zwei Wochen gesagt, dass wir heute Meister werden.“