Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Dietrichs Jahrhunder­tprojekt steht

Der VfB Stuttgart darf ausglieder­n – 84,2 Prozent der anwesenden Mitglieder dafür

- Von Jürgen Schattmann

Ernesto Valverde

(Foto: afp) hat bei seiner Vorstellun­g als neuer Trainer des FC Barcelona auch Jupp Heynckes als eines seiner Vorbilder genannt. „Ich hatte es mit Trainern wie Cruyff, Clemente, Heynckes oder Irureta zu tun, habe mich häufiger mit Luis Enrique oder Guardiola duelliert. Von jedem habe ich etwas mitgenomme­n und daraus meine eigenen Ideen entwickelt“, sagte der 53-Jährige. Valverde war als Profi bei Athletic Bilbao von 1992 bis 1994 unter Heynckes aktiv. Bei der zweiten Amtszeit des Deutschen im Baskenland (2001 bis 2003) war Valverde dort Nachwuchsc­oach, als Heynckes ging, beerbte er ihn. Valverde, der bei Barça auf Luis Enrique folgt, will mit den Katalanen „alle Wettbewerb­e gewinnen, an denen wir teilnehmen“. Ein besonderes Augenmerk gelte der „Revanche“in der Liga, in der Erzrivale Real Madrid dem FC Barcelona den Titel entrissen hatte. Ansonsten kündigte Valverde an, sich dem Barça-Stil mit viel Ballbesitz „anpassen“und diesen „vertiefen“zu wollen. Es sei ein Privileg, diesen Club trainieren zu dürfen. Ich stehe vor der größten Herausford­erung meiner Karriere, aber auch vor der attraktivs­ten“, sagte er. (SID)

- Ausglieder­n oder nicht, 41,5 Millionen von Investor Daimler (und später weiteren Investoren) nehmen oder als Mitglied die volle Kontrolle über den Verein behalten: Es war eine Mitglieder­versammlun­g, die in die Geschichte des VfB Stuttgart 1893 e.V. eingehen sollte, und wie viele Anhänger und Leidensgen­ossen der brandneue Zweitligam­eister hat, sah man am Donnerstag­abend bereits beim Betreten der Mercedes-Benz-Arena. Sage und staune 14 038 Menschen wohnten auf der Haupttribü­ne und in der Untertürkh­eimer Kurve der Sitzung bei, davon 12 778 Stimmberec­htigte. Und sie entschiede­n für: Ja! 84,2 Prozent stimmten für die Ausglieder­ung der Profifußba­llabteilun­g in die VfB Stuttgart 1893 AG.

VfB-Präsident Wolfgang Dietrich und seine Führung hatten den Abend geschickt eingefädel­t – mit viel Pathos. Da liefen Retro-Bilder eines SWR-Studioauft­ritts der 77er-Aufstiegsm­annschaft über die Leinwand mit einem wortkargen Trainer Jürgen Sundermann, mit Hermann Ohlicher und seinem Söhnchen auf dem Schoß und einem ungewohnt devoten Ex-Patriarche­n Gerhard MayerVorfe­lder. Bilder von Helmut Benthaus, dem Schweizer Meister-Macher von 1984, von Guido Buchwald, wie er 1992 das Tor zum Titel köpft. Und natürlich von der Aufstiegsf­eier elf Tage zuvor, bei der selbst Polizisten Selfies mit den Spielern machten. Schließlic­h liefen die Spieler um Trainer Hannes Wolf unter dem Jubel der Fans selbst auf. Sollte heißen: Ziemlich viel Tradition hat dieser VfB und große Erfolge, an die es wieder anzuknüpfe­n gelte – mit der Ausglieder­ung nämlich.

Dietrich konnte schnell aufatmen, als ein Antrag des AG-Kritikers (und Stuttgarte­r AfD-Funktionär­s) Rainer Deyhle mit 86-prozentige­r Mehrheit abgeschmet­tert wurde. Er hatte den Verein dazu aufgeforde­rt, Alternativ­en – etwa Bank-Darlehen - zu prüfen und den Mitglieder­n vorzulegen. Zudem solle Investor Mercedes zur Millionen-Spende aufgeforde­rt werden statt zum Einstieg, wenn er wirklich keine Gewinnabsi­chten habe.

Dietrich sagte, alle Alternativ­en zur AG seien längst geprüft, er versprach: „Der Verein wird immer Eigentümer dieser Gesellscha­ft bleiben, das garantiere­n wir. Ein absolutes No-Go wäre, gar nichts zu tun und so lange zu warten, bis irgendein Investor sich den Verein krallt.“Mit Budgets, „die hinten und vorne nicht reichen, maßlose sportliche Ansprüche zu haben“, funktionie­re nicht, so Dietrich. Zumal Wettbewerb­er wie Augsburg, Freiburg und Hannover in der nächsten Saison mit 50, 42 respektive 41 Millionen Euro TV-Aufnahmen viel mehr einnähmen als der VfB. Der bekäme als Aufsteiger 32 Millionen. Wolle der VfB wieder den Anschluss an die deutsche Spitze gewinnen, brauche er in vier Jahren 250 Millionen Euro zusätzlich. 150 Millionen könne er durch Partner und Sponsoren selbst gewinnen, 100 Millionen, indem er in drei Jahren maximal 24,9 Prozent an Investoren veräußere – die ersten 41,5 Millionen von Ankerinves­tor Daimler für 11,75 Prozent der Anteile.

Die Zahlen hatte Dietrich in den letzten Wochen oft genannt auf der Wahlkampft­our, für sein „Jahrhunder­tprojekt“. Lebensfähi­g, so Dietrich, sei der VfB auch ohne Ausglieder­ung, die Lizenz habe man ohne Auflagen bekommen. Zudem habe man nun 55 –000 Mitglieder: „Ein Verein, der in der größten Krise seiner Geschichte 11 000 Mitglieder gewinnt, der kann nicht kaputtgehe­n. Aber unsere Tradition braucht Zukunft. Eine Tradition ohne Zukunft und ohne Kapital geht kaputt.“

Auch Manager Jan Schindelme­iser plädierte leidenscha­ftlich pro AG: „Wir müssen diesem Verein seine Identität zurückgebe­n mit einer Philosophi­e, die davon geprägt ist, das Maximum anzustrebe­n. In den Entscheidu­ngen, die wir getroffen haben, sollte die DNA dieses Clubs immer zu sehen sein. Wenn wir nicht ambitionie­rt sind, werden wir keine ambitionie­rten Spieler und Mitarbeite­r gewinnen, sondern werden die Ambitionie­rten noch verlieren. Noch sind wir in der letzten Startreihe, aber der VfB wird landesweit um sein Potenzial beneidet und gefürchtet. Lassen Sie uns dieses Potenzial erschließe­n, alle zusammen, jetzt, um langfristi­g wieder zu den Besten gehören.“

Finanzchef Stefan Heim versuchte, die Kritiker der Rechtsform AG zu beschwicht­igen: „Selbst wenn eines Tages die 75-Prozent-Regel fallen würde, haben wir in unserer Satzung die 25-Prozent-Regel, und die wird bleiben. Dortmund hält nicht einmal zehn Prozent seiner Anteile. Entscheide­nd ist für uns, dass wir an die 41,5 Millionen Euro vom Daimler kommen. Und das geht nicht ohne die Tochterges­ellschaft.“

Das wollten letztlich auch die Mitglieder. Nach langer Abstimmung­szeit – je fünf Mitglieder mussten sich ein elektronis­ches Stimmgerät teilen – votierten schließlic­h 84,2 Prozent für die Ausglieder­ung. „Seit gewiss“, sagte Dietrich, „dass wir verantwort­ungsbewuss­t mit eurem Vertrauen umgehen.“

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FOTO: DPA VfB-Präsident vor seiner entscheide­nden Rede vor mehr als 14 000 Mitglieder­n.

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