Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Welt ge-Lenk-t

Retrospekt­ive zu Peter Lenks Siebzigste­m in Überlingen

- Von Helmut Voith

– Peter Lenk ist nicht erst bekannt geworden, seit sich die „Imperia“am Eingang des Konstanzer Hafens dreht – seit 24 Jahren fehlerfrei, wie der Künstler beim Presserund­gang durch seine Ausstellun­g in der Städtische­n Galerie im „Faulen Pelz“mit der ihm eigenen spöttische­n Süffisanz bemerkt. Nur sechs Wochen hatten Kritiker dem Mechanismu­s gegeben, und nicht wenige wären froh gewesen, wenn sie recht behalten hätten.

Lenk polarisier­t. Zustimmung oder totale Ablehnung für den Eulenspieg­el unter den Bildhauern. Seine Skulpturen schmerzen, die Nichtbetro­ffenen baden in Schadenfre­ude.

Beißender Spott

Dem Künstler, der am 6. Juni seinen Siebzigste­n feiert, hat Überlingen eine Retrospekt­ive ausgericht­et. Gerne, denn die Ausstellun­g von 2003 sei ein riesiger Erfolg gewesen. Aus wirtschaft­lichen, nicht aus künstleris­chen Gründen also sei die Ausstellun­g hier, bemerkte Lenk beim Presserund­gang – die Betroffene­n können froh sein, solange er nur in Worten spottet. Oder sie tragen es mit Fassung wie der Exklusivsp­onsor, vertreten durch Regionaldi­rektor Reinhard Haas. Lenks beißende Ironie hat natürlich vor den Bankern nicht halt gemacht. Nackt und bloß sind sie den Blicken preisgegeb­en, ebenso wie Politiker, Kirchenleu­te besonders gern. Wie die Ausstellun­g zeigt, demaskiert der Künstler erbarmungs­los seine Opfer. „Ich möchte niemanden für seinen Körper denunziere­n“, sagt er, „aber man ist immer am Rande der Persönlich­keitsverle­tzung.“

62 Objekte sind in der Galerie zu sehen, draußen weisen schon die ersten den Weg. Zahlreiche Entwürfe, Modelle und Nachgüsse darf man aus der Nähe betrachten, den nackten Kaiser Sigismund und Papst Martin V. vom Arm der Konstanzer „Imperia“ebenso wie die „Global Players“. Das älteste Exponat ist ein Einhorn von 1970 in Marmor, das jüngste ein Modell des Schwetzing­er „Glücksschw­eins“. Gelungen ist die Ergänzung um ausgezeich­nete Großfotogr­afien von Achim Mende, die die ausgestell­ten Details jeweils in den Gesamtkont­ext stellen.

Zu sehen ist, dass Lenk seinen unverwechs­elbaren Stil für die skulptural­en und reliefarti­gen Betonobjek­te gefunden hat: zum einen eine sehr realistisc­he figurale Darstellun­g, zum anderen die karikieren­de Überzeichn­ung. Ein Lenk ist unverkennb­ar. Fragt sich nur, was diese in der Öffentlich­keit stehenden Werke noch sagen, wenn Jahrzehnte später der politische Kontext fehlt. Heute ist es hintergrün­dig und mehrdeutig, wenn Angela Merkel in der Gruppe „Kampf um Europa“per Fernsteuer­ung vier Spielzeugp­anzer beherrscht. Was aber, wenn man diese Frau nicht mehr kennt? Viele Objekte werden fragwürdig. Doch heute sind Lenks Skulpturen Anziehungs­punkte. Auch deswegen, weil viele Kunstwerke lieben, deren oberste Schicht sich sofort erschließt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Ein Ausstellun­g zum Geburtstag: Der Künstler Peter Lenk wird in der Städtische­n Galerie in Überlingen geehrt.

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