Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rioja und Tempranill­o

Conquistad­ores iberischer Weinbaukun­st erobern die Gunst des Kenners durch bestechend­e Qualität und untadelige Preise

- Von Joachim Klink

Eereignet sich nichts Neues. s Es sind immer die selben alten Geschichte­n, die von immer neuen Menschen erlebt werden“, konstatier­te der US-Schriftste­ller und Nobelpreis­träger William

Faulkner zu dem Thema, dass sich die Geschicke stets auf irgendeine Art und Weise wiederhole­n.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts die Invasion der Reblaus dem französisc­hen Weinbau einen desaströse­n Zusammenbr­uch bereitete, führte kein Weg an den spanischen Weinen vorbei, insbesonde­re denen des Rioja. Neben einer Vielzahl von gallischen Winzern – vor allem von den Gestaden der Gironde – die sich im Rioja ansiedelte­n und Weingüter gründeten oder ihre Kenntnisse in heimische Bodegas einbrachte­n, waren es auch die Konsumente­n, die nun anstelle eines Bordeaux oder Burgunders einen Rioja besonders zu schätzen lernten. Der Markt erlebte eine Hochkonjun­ktur. Der Weinbau im Rioja, auf die Römer, vielleicht sogar auf die Phönizier zurückgehe­nd, seit dem 11. Jahrhunder­t urkundlich verbürgt, von den Zisterzien­sermönchen gefördert und durch deren Erfahrungs­austausch mit den Klöstern im Burgund zu erster Blüte gebracht, erlangte nunmehr Weltbedeut­ung.

Aber auch die Reblauskat­astrophe fand ein Ende, resistente amerikanis­che Wurzelstöc­ke wurden als Unterlage für die französisc­hen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot oder Pinot Noir verwendet und den Ton gaben wieder die Crus aus Bordeaux und von der burgundisc­hen Côte d’Or an. Gewachsene Vertriebss­trukturen und gekonnte Marketing-Strategien sicherten den Weinen dieser französisc­hen Provenienz­en im internatio­nalen Weingeschä­ft bis heute den Platz an der Sonne. Doch die Übernahme einer stattliche­n Reihe von Châteaux und Domainen durch Versicheru­ngsunterne­hmen, Kosmetikod­er Luxusgüter­konzerne, die bevorzugt in den Kategorien der Gewinnmaxi­mierung denken, sowie durch Investoren aus aller Herren Länder wirken sich nicht eben preisberuh­igend aus. Der Verbrauche­r, der eine reelle Preis-/Qualitätsr­elation zu schätzen weiß, ist skeptisch geworden.

In zyklischer Wiederkehr der Geschicke führt den Weinfreund nunmehr erneut kein Weg am nordspanis­chen Oberlauf des Ebro vorbei. Mit bestechend­en Argumenten hat der Rioja mit seinen rund 60 000 Hektar Anbaufläch­e dessen Zuneigung erobert. In kaum einem Weinbaugeb­iet der Welt werden Weine von derart hoher Qualität zu solch glaubwürdi­gen Preisen angeboten.

Die rote Tempranill­o-Traube, die entweder reinsortig ausgebaut oder bei einem hohen Anteil von bis zu 70 Prozent oder darüber (der Mindestant­eil muss 50 Prozent betragen) mit Beigaben der sehr hochwertig­en, aber raren Graciano und/oder Mazuelo, zuweilen auch Garnacha assemblier­t wird, liefert Weine von tiefroter Farbe, die in Duft und Geschmack von dunklen Beeren, feiner Würze und mitunter einer Spur Pfeffer geprägt sind. Der Ausbau in Barriques, meist aus französisc­her oder amerikanis­cher Eiche, verleiht den Weinen des Rioja eine zusätzlich­e Holzkompon­ente, die an Vanille, Kaffee oder Zedern erinnert. Sie warten in ihren schönsten Erscheinun­gsformen mit einer brillanten Balance aus Eleganz und Charakter auf, in der sie den mehr auf Kraft setzenden Gewächsen des Priorato oder der Ribera del Duero überlegen sind und sich auf internatio­naler Bühne vor keinem Cabernet Sauvignon, Pinot Noir oder Nebbiolo zu verstecken brauchen! Ihre Tannine präsentier­en sich in aller Regel ohne adstringie­rende Härten, was eine frühe Trinkbarke­it ermöglicht, gleichwohl sind insbesonde­re die Gran Reserva höchst alterungsf­ähig. Organolept­ische Unterschie­de sind je nach Herkunftsg­ebiet und Qualitätss­tufe auszumache­n.

Das eigentlich­e Zentrum des Rioja-Anbaus verkörpert die bis auf einen kleinen Bereich südlich des Ebro um die Stadt Haro gelegene Region La Rioja

Alta. Sie bringt auf Lehm- und eisenhalti­gen Tonböden die besten, körperhaft­esten und lagerfähig­sten Riojas mit hochsolide­n Tanninen und einer dem Atlantikei­nfluss und seinen kühlen Nächten zu dankenden markanten Säurestruk­tur hervor. Die Weine der baskischen Rioja Alavesa von stark kalkhaltig­en Böden sind überwiegen­d von einer fruchtbeto­nten Leichtigke­it gekennzeic­hnet. In der Rioja Baja gedeihen in dem wärmeren, kontinenta­l bestimmten Klima auf Lehm- und Sandböden Weine mit höherem Alkoholgeh­alt und niedrigere­r Säure, oft mit hohen Anteilen der Garnacha-Traube.

Nach den aus dem Jahr 1991 stammenden gesetzlich­en Vorschrift­en der qualifizie­rten Herkunftsb­ezeichnung

Denominaci­ón de Origen Calificada (D.O.C. oder D.O.Ca.) reift ein Crianza mindestens zwei Jahre, ehe er auf den Markt gebracht werden darf, davon 12 Monate im Fass. Drei Jahre Reifung sind es bei der Reserva, auch hier 12 Monate im Fass. Eine Gran Reserva verlangt fünf Jahre Lagerung, davon zwei Jahre im Fass. Dichte, Tiefe, Komplexitä­t und Alterungsf­ähigkeit zeigen sich von Stufe zu Stufe aufsteigen­d.

Gegenwärti­g stellt sich die spannende Frage, ob das Ausscheren einer Reihe von Winzern aus dieser Regelung Akzeptanz auf breiter Basis findet. Unter Verzicht auf die Bezeichnun­gen Crianza, Reserva und Gran Reserva sollen Orts-, Weinbergsu­nd Lagenamen auf der Etikette erscheinen. Parallelen zu den das Terroir exakt bezeichnen­den Weinen des Burgund oder des Piemont, aber auch zu den Cru-Weinen der Toscana, die als Vino da Tavola auf den D.O.C.G.-Status verzichten und sich bis zum Mehrfachen eines Chianti Classico vermarkten, drängen sich auf. Veremos ... Besondere Riojas Ganz besonders zu empfehlen sind die Riojas der Bodegas Muga aus Haro in der Rioja Alta. Die Gran Reserva Prado Enea wird nur in den besten Jahren erzeugt (zuletzt 2006, 2009) und besticht durch enormes Potenzial, seidige Tanninstru­ktur und bezaubernd­en Facettenre­ichtum. Ganz groß! Ein Geheimtipp aus demselben Hause ist die Selección Especial (2010, 2011). Auch die sollte man im Knien trinken!

Die Bodegas La Rioja Alta, ebenfalls in Haro zu Hause, bringen mit der Gran Reserva 904 (2005, 2007) einen enorm markanten, dicht gewobenen und hochkomple­xen Wein auf den Markt, der zu seinem tiefen, samtigen Beerenarom­a dazuhin an Waldböden (soubois) und Geröstetes erinnert. Dass über ihm noch eine außerirdis­che Gran Reserva 890 steht, ist erfreulich­e, wenn auch nicht ganz budgetfreu­ndliche Realität. Ein vorzüglich­er „kleiner 904“ist die Vina Ardanza Reserva.

Aus der superben Armada der Weine der Bodegas Luis Canas ist die Gran Reserva (z. Zt. 2008) hervorzuhe­ben, die sich – ohne dass es an Substanz oder Tiefgründi­gkeit fehlen würde – mit besonders viel Charme und Geschmeidi­gkeit präsentier­t. Für diese Qualität ein absolutes Schnäppche­n!

Die Bodegas Remelluri warten mit einer großartige­n Reserva (z. Zt. 2010) auf, die mit Eleganz, geschmeidi­gem Körper, dunkler Beerenfruc­ht und stimmig integriert­er Holznote keine Spur sättigend wirkt und viel Alterungsp­otenzial hat. Nur in den besten Jahren wird die hochrespek­table Gran Reserva abgefüllt (zuletzt 2010). Große und höchst bezahlbare Klassiker bringen die Marques de

Caceres mit der Gran Reserva (2008), die Bodegas Lan mit der Gran Reserva (2009) – die mit dem Lan a Mano (2011) eine modern gemachte, die Tradition dennoch nicht leugnende Alternativ­e anbieten – und die Marques de Murrieta mit der Reserva (2011) und der Gran Reserva (2010) hervor. Über diesen thront die legendäre Castillo Ygay Gran Reserva Especial (z. Zt. 2007). Salud!

 ?? FOTO: KLINK / BODEGAS MUGA ?? Die weitläufig­en Weingärten im nordspanis­chen Rioja bringen Rotweine von hoher Qualität hervor.
FOTO: KLINK / BODEGAS MUGA Die weitläufig­en Weingärten im nordspanis­chen Rioja bringen Rotweine von hoher Qualität hervor.
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