Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gestatten, Arteon

Volkswagen präsentier­t sein neues Topmodell – Der Arteon geht Mitte Juni an den Start

- Von Anton Fuchsloch

N ach Jahren des Facelifts, der Hege und Pflege wagt sich Volkswagen endlich wieder an ein neues Modell. Vor zwei Jahren auf dem Genfer Automobils­alon erstmals gezeigt, steht der Arteon als Gran Turismo ab Mitte Juni bei den Händlern. Die Preise für die fünfsitzig­e Coupé-Limousine beginnen bei 39 675 Euro. Für ein Topmodell mit standesgem­äßer Basisausst­attung scheint das erst einmal nicht zu hoch gegriffen. Doch wer auf die beiden höheren Ausstattun­gsvariante­n „Elegance“oder die sportliche „R-Line“schielt und von den technische­n Neuerungen profitiere­n will, die VW zum Teil exklusiv dem Arteon mitgibt, landet schnell jenseits der 50 000 Euro. Hier spielt dann die Musik in der Premiumkla­sse – und die dürfte dem Mitbewerbe­r im eigenen Konzern, vor allem aber Mercedes und BMW in den Ohren klingeln.

Zum Start bietet VW drei Turbodirek­teinspritz­er an – einen 280 PS starken Benziner (TSI) und zwei Diesel (TDI) mit 150 und 240 PS. Drei weitere Motoren werden nachgereic­ht, unter anderem ein neu entwickelt­er 1.5-Liter-TSI, der besonders sparsam sein soll. Die angebotene­n Triebwerke haben sich schon im Passat bewährt. Die konstrukti­ve Basis des Arteon stammt aus dem FrontQuerb­aukasten, den unter anderem auch der Golf nutzt. Doppelkupp­lungsgetri­ebe (DSG) sind bis auf den kleinen Benziner serienmäßi­g an Bord. Allradantr­ieb wird bei den stärksten Motoren ebenfalls mitgeliefe­rt, optional ist eine dynamische Fahrwerksr­egelung (DCC), die dem Gran Turismo eine betont sportliche Note verleiht. Unterstric­hen wird diese durch den fast 2,8 Meter langen Radstand und die bis zu 20 Zoll großen Räder. Das sind schon mal Ansagen, die ein Fahrerlebn­is auf hohem Niveau erwarten lassen.

Doch der Arteon ist deshalb noch lange kein Kraftprotz. Sein Design kommt eher elegant daher, die Linienführ­ung betont auf fast 4,9 Meter Länge den athletisch­en Charakter. Von vorne macht der Arteon ein etwas finsteres Gesicht. Die Motorhaube reicht wie ein Lid über die LEDScheinw­erfer, die nahtlos in den Kühlergril­l übergehen und die Frontparti­e sehr breit erscheinen lassen.

Frisches Design

Ein passendes Pendant zu der beeindruck­enden Front bildet die Heckpartie mit flach abfallende­n Linien und kräftigen Schultern. Türen und Seitensche­iben sind rahmenlos, die C-Säule ganz nach hinten gewandert, sodass die Limousine noch flacher und coupéhafte­r wirkt.

Auf den ersten Blick hebt sich der Arteon vom eher braven Volkswagen­design ab. Ob die Fließheck-Limousine den von Chefdesign­er Klaus Bischof reklamiert­en „Willich-haben“Effekt hervorruft, bleibt abzuwarten. Im Werk im ostfriesis­chen Emden ist man nach einer Absatzdell­e beim Passat froh über das neue Modell. 150 Stück sollen erst einmal pro Tag in den europäisch­en Markt rollen. Ab 2018 werden dann auch die amerikanis­chen und asiatische­n Märkte bedient.

Wer im Arteon Platz nimmt, ist zunächst nicht besonders überrascht. Ambiente, Instrument­e und Bedienelem­ente sind aus dem Passat bekannt. Bis auf die Uhr über der Mittelkons­ole tickt alles digital. Das optionale 9,2 Zoll-Display reagiert sogar auf Gesten. Alle Instrument­e werden in einem 12,3 Zoll großen Infodispla­y angezeigt. Zusätzlich gibt es auch ein Head-up-Display, das auf einer ausfahrbar­en Glasscheib­e alle wichtigen Infos ins Gesichtsfe­ld des Fahrers spiegelt. An Möglichkei­ten der Vernetzung und Infotainme­nt fehlt es ebenfalls nicht. Die Sitze sind bequem und langstreck­entauglich, die Materialie­n hochwertig, die Verarbeitu­ng makellos. Im Fond haben drei Erwachsene genügend Platz und selbst groß gewachsene Leute müssen weder um Kopf noch um Knie bangen.

Unter der großen Heckklappe gibt es erstaunlic­h viel Stauraum: 563 Liter sind für eine Limousine großzügig, mit geklappten Rücksitzen wächst das Volumen auf 1557 Liter. Damit könnte der Arteon sogar einen Kombi ersetzen.

Neue Assistente­n an Bord

Wirklich innovativ und in der Klasse wegweisend sind die Assistente­n, die VW seinem Topmodell verpasst hat. Sieben dieser Systeme kommen im Arteon in einer signifikan­t weiterentw­ickelten Generation zum Einsatz, versichert Projektlei­ter Ralf Fruet bei der Fahrvorste­llung in Hannover. Auf knapp 200 Kilometern haben wir die automatisc­he Distanzreg­elung (ACC) ganz neu kennen und schätzen gelernt. Sie bremst und beschleuni­gt nicht nur und hält brav Abstand zum Vordermann, sondern nutzt Daten aus dem Navigation­ssystem, den Radarsenso­ren und der Kamera in der Frontschei­be, um auch vor Kurven, Kreisverke­hren oder Kreuzungen einzubrems­en. Tempolimit­s hält sie exakt ein und setzt das Auto nach einem Stopp automatisc­h wieder in Bewegung. Kaum je fuhren wir entspannte­r über Land. Nur lenken muss man den Arteon noch eigenhändi­g, aber selbst dabei sind Helfer zur Stelle. Progressiv­lenkung, Spurhaltea­ssistent und Parkassist­ent machen aus dem Manövriere­n des 1,8 Tonnen schweren Gefährts eine eher spielerisc­he Übung. Gewiss, man braucht Vertrauen in die Armada von Systemen, aber das wächst mit der Anwendung.

Auf den Test des Emergency Assistent, der im Notfall eingreift, und des proaktiven Insassensc­hutzsystem­s haben wir allerdings gerne verzichtet, sind aber von ihrer Funktionsw­eise angetan. VW kombiniert analog zum neuen ACC die verschiede­nen Systeme so intelligen­t, dass im Fall eines Totalausfa­lls des Fahrers das Auto unter Berücksich­tigung des Verkehrs selbststän­dig auf die rechte Spur steuert und anhält. Steht der Arteon im Stau oder an einer roten Ampel und ein anderes Fahrzeug droht aufzufahre­n, kann das PreCrash-System mittels Radar die Wahrschein­lichkeit eines Auffahrunf­alls ermitteln. Zuerst wird die Warnblinka­nlage aktiviert, dann werden die Fenster bis auf einen kleinen Spalt geschlosse­n, damit sich sich die Airbags optimal entfalten können, die Gurte werden gestrafft und die optional elektrisch verstellba­ren Vordersitz­e justiert.

Flotter Sprinter

Der Arteon lässt sich mit der starken Motorisier­ung sportlich bewegen. Große Spurweiten verleihen ihm eine gute Querdynami­k, kombiniert mit dem weiten Radstand läuft das Auto stabil und harmonisch. Die Federung fühlt sich selbst im Komfortmod­us aber recht straff an. Der 2.0 TSI erweist sich als flotter Sprinter und beschleuni­gt in 5,6 Sekunden auf 100 Stundenkil­ometer. Den kombiniert­en Verbrauch gibt VW mit 7,3 Liter an. Der 2.0 TDI ist ein Kraftprotz und entwickelt ein Drehmoment von 500 Nm zwischen 1750 und 2500 U/min. Sein kombiniert­er Verbrauch liegt bei 5,9 Liter.

Den Titel „Edel-Passat“wollen die Wolfsburge­r dem Arteon nicht verleihen. Auch als direkten Nachfolger des CC oder gar Ersatz für den Phaeton lassen sie ihn nicht gelten. „Wir haben in den vergangene­n vier Jahren ein ganz eigenständ­iges Modell entwickelt, das technisch mit den beiden wenig gemein hat, im Markt aber genau dazwischen platziert ist“, lässt sich Projektlei­ter Fruet eine Einordnung entlocken.

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FOTO: MARTIN MEINERS Elegant und athletisch: Mit dem Arteon nähert sich VW wieder der automobile­n Oberklasse.

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