Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nashvilles neue Wahrzeiche­n

Die Country-Hochburg wird zur Eishockey-Stadt

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(SID/dpa) - Cowboyhüte, Gitarren, Geigen – eigentlich gibt es in Nashville nur Countrymus­ik. Etwas überspitzt gesagt. Okay, die Titans noch, das Football-Team. An den vielen Kneipen verschafft sich dieser Tage aber ein ganz anderes, ein ungewohnte­s Wahrzeiche­n besondere Geltung. Gerade symbolisie­rt nichts besser den Pulsschlag der Hauptstadt des US-Bundestaat­es Tennessee als die goldgelben und blauen Fahnen der Nashville Predators. Dem viele Jahre etwas belächelte­n Eishockey-Team gehört zur Stunde das Herz der „Music City“.

Dabei sah alles erst so aus wie in den Spielzeite­n zuvor. Die Predators erreichten die Play-offs, das schon, aber es war mal wieder knapp, sie rutschten gerade so rein als achtbestes Team der Western Conference. Ein frühes Aus war – wieder einmal – erwartet worden. Doch in der ersten Runde gegen die Chicago Blackhawks entstand plötzlich eine, auch von den positiv verrückten Fans ausgelöste, kaum aufzuhalte­nde Dynamik. „Du hörst sie in der Kabine“, erzählte Kapitän Mike Fisher, „und wenn du aufs Eis gehst, dann ist es, als würdest du in einen Orkan hineinlauf­en.“

Fisher, der 37 Jahre alte Routinier, ist so etwas wie das Bindeglied zwischen Eishockey und Honky Tonk, den Live-Musik-Kneipen der Stadt. Fisher ist mit Country-Star Carrie Underwood verheirate­t, die beim ersten Heimspiel der Play-offs die Nationalhy­mne sang. Danach waren Musik-Größen wie Keith Urban oder Kelly Clarkson dran, vor dem 4:1 in Spiel vier des Stanley-Cup-Finales gegen die Pittsburgh Penguins hatte Dierks Bentley die Ehre.

Auch wenn es der Titelverte­idiger um Superstar Sidney Crosby irgendwie geschafft hat, die ersten beiden Spiele der Serie zu gewinnen, Nashville ist bislang das bessere Team und glich zum 2:2 aus. Getragen von einer Leidenscha­ft der Anhänger, die in der ganz in gelb verwandelt­en Bridgeston­e Arena einen ohrenbetäu­benden Lärm veranstalt­en. Während der Play-offs wurden bis zu 129 Dezibel gemessen, das ist lauter als das Geräusch einer Kettensäge oder eines Presslufth­ammers. „Unglaublic­h“, findet Yannick Weber die Stimmung, der zweite Schweizer im Team neben Starvertei­diger Roman Josi.

Chicago, St. Louis und Anaheim hat Nashville schon zertrümmer­t, beziehungs­weise die Autos, die vor der Arena die bisherigen Play-offGegner symbolisie­rten. Kurz und klein gehauen mit einem Vorschlagh­ammer. Jetzt muss ein Wagen mit der Aufschrift Pittsburgh dran glauben. Nashville ist gleich „Smashville“(frei übersetzt: Zerschlag-Stadt) – und so ähnlich agiert das EishockeyT­eam der Stadt. Unerschroc­ken, emotional aufgeladen, mit enormer Physis und Wucht. Das erleben die favorisier­ten Penguins gerade ziemlich leidvoll.

Doch freilich gehört noch mehr dazu. Ein gewiefter Coach wie Peter Laviolette etwa, ein grandioser Torhüter wie der Finne Pekka Rinne. Topspieler wie Ryan Ellis und der schillernd­e P.K. Subban – und jemand wie Frederik Gaudreau, der erst kürzlich in den Kader rutschte und die ersten drei NHL-Tore seiner Karriere allesamt im Play-off-Finale erzielte.

Spiel fünf steigt am Donnerstag in Pittsburgh. Am Sonntag vor Spiel sechs soll angeblich wieder Carrie Underwood die Hymne singen. Möglich, dass ihr Mann danach den legendären Cup in die Höhe stemmt. Wie laut es dann wohl wird?

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