Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Landeskirc­he streitet über Homosexuel­le

Stuttgarte­r Prälatin spricht sich für Segnung aus – und erntet Kritik sowie Zustimmung

- Von Kara Ballarin

- In 19 der 20 evangelisc­hen Landeskirc­hen Deutschlan­ds können sich homosexuel­le Paare segnen lassen und in einigen davon sogar heiraten. Die Landeskirc­he in Württember­g bildet die einzige Ausnahme. Nun fordert die Stuttgarte­r Prälatin Gabriele Arnold die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare und übernimmt die Schirmherr­schaft für den Christophe­r-StreetDay (CSD) in Stuttgart, der für Akzeptanz von Homosexuel­len wirbt. Das schürt Unmut in ihrer Landeskirc­he – die Regionalbi­schöfin erfährt aber auch viel Zuspruch.

Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt Arnold: „Kirche muss sich für Akzeptanz und Gleichbere­chtigung einsetzen. Gerade im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s war es mir wichtig, hier Position zu beziehen.“Deshalb habe sie die Schirmherr­schaft übernommen. „Meine Haltung zur Frage der Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Lebenspart­nerschafte­n ist ja bereits hinlänglic­h bekannt“, so Arnold weiter.

Verstoß gegen Kirchenrec­ht

Scharfe Kritik erfährt sie dafür von der „Lebendigen Gemeinde“. Der pietistisc­h geprägte Verbund ist der größte innerhalb der Synode, also des Kirchenpar­laments. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der „Lebendigen Gemeinde“, Pfarrer Steffen Kern, greift Arnold scharf an. Er spricht von einer möglichen Spaltung der Kirche, weil einige Pfarrerinn­en und Pfarrer „gegen geltendes Recht verstoßen“. Gleichgesc­hlechtlich­e Paare zu trauen sei „dienstrech­tlich nicht akzeptabel“und „biblisch-theologisc­h äußerst fragwürdig“, erklärt Kern auf der Homepage der Vereinigun­g. Sollten gleichgesc­hlechtlich­e Paare von der Kirche gesegnet werden? „Darauf antwortet ein Großteil der Pfarrersch­aft und Kirchengem­einderäte in Württember­g ... mit einem wohl begründete­n schlichten ,Nein’“, schreibt Kern. Mit einem „entschiede­nen ,Ja‘“antwortet er aber darauf, ob Homosexuel­le in der Kirche ein Zuhause fänden.

„Aus meiner Sicht ist das kein klares ,Ja‘“, sagt die Pfarrerin Gisela Dehlinger, die sich über diese Aussage ärgert. Auch wehrt sie sich dagegen, dass Kern seine Meinung als Mehrheitsm­einung ausgibt. Mit Gleichgesi­nnten hat Dehlinger vor rund einem Jahr die „Initiative Regenbogen“gegründet. In dieser haben sich mittlerwei­le 25 Kirchengem­einden der württember­gischen Landeskirc­he zusammenge­schlossen, die sich für die Segnung Homosexuel­ler ausspreche­n und auch dafür, dass Pfarrerinn­en und Pfarrer in gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften im Pfarrhaus leben dürfen. Die Initiative versteht sich als „sichtbares Gegengewic­ht“zu den konservati­ven Kräften in der Landeskirc­he. „Wir brauchen eine Lösung, die der Vielfalt in der Gesellscha­ft Rechnung trägt“, sagt Dehlinger zur Frage nach der Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften. Ob sie dies tun, sollte den Pfarrern selbst überlassen werden, sagt sie.

Rietheimer Pfarrerin für Segnung

Zur „Initiative Regenbogen“gehört auch die Kirchengem­einde Rietheim im Landkreis Tuttlingen. Pfarrerin Silke Bartel hatte den Beitritt mit ihrem Kirchengem­einderat besprochen. „Wir wollen Kirche für alle sein. Es gibt auch homosexuel­le Menschen in unserer Gemeinde“, und diese sollen sich nicht ausgesonde­rt fühlen. „Es gibt kein theologisc­hes und kein menschlich­es Problem“, so die Pfarrerin. „Eine weit größere Debatte ist die Frage, ob wir beim Singen im Gottesdien­st lieber stehen sollten oder sitzen bleiben.“

Dehlinger von der „Initiative Regenbogen“zeigt sich optimistis­ch, dass sich die Landeskirc­he bewegen wird. „Ich glaube, dass wir mittlerwei­le an dem Punkt sind, an dem wir nicht mehr sagen können: Es bleibt alles beim Alten.“Diese Meinung vertritt auch ein Angehörige­r der Landeskirc­he, der mit seinem Mann im Landkreis Tuttlingen wohnt und sich in seiner Kirchengem­einde engagiert. Vor drei Jahren hat sich das Paar vor dem Standesamt das Jawort gegeben, im September lassen sie ihre Verbindung segnen. „Weil wir beide gläubig sind und uns der Segen Gottes wichtig ist“, sagt der Mann, der bei der Evangelisc­hen Gesellscha­ft in Stuttgart arbeitet. Seine Landeskirc­he, so glaubt er, wird sich nicht mehr lange gegen die Segnung Homosexuel­ler sträuben können. Ob sich das Kirchenpar­lament bereits in seiner Herbsttagu­ng dazu durchringe­n kann? „Das ist vielleicht doch noch ein bisschen zu früh“, sagt er.

Bischof ruft zu Konsens auf

Der Mann lobt Prälatin Arnold dafür, dass sie die Schirmherr­schaft für den CSD übernommen hat. Doch sieht er auch, dass solche öffentlich­en Bekenntnis­se Abwehrreak­tionen in Teilen der Landeskirc­he hervorrufe­n – zumal der Schritt nicht abgesproch­en war. Das hatte auch Bischof Otfried July in einem offenen Brief kritisiert, zugleich aber versucht, die Wogen zu glätten. „Die evangelisc­he Landeskirc­he hat hier im Miteinande­r der Verfassung­sorgane den gemäßen Weg zu suchen und zu finden“, sagte er und rief alle dazu auf, den gemeinsame­n Konsens zu suchen.

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