Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Steuer für Brenneleme­nte nicht rechtens

Bundesverf­assungsger­icht kippt Atomsteuer – Erstattung plus Zinsen für Energiekon­zerne

- Von Andreas Herholz

- Die Hiobsbotsc­haft gestern Morgen aus Karlsruhe: Das Aus für die Brenneleme­ntesteuer – eine teure Schlappe für die Bundesregi­erung und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU). Schließlic­h kommen jetzt Milliarden-Rückzahlun­gen auf den Bund zu. „Die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts ist eine schallende Ohrfeige für die schwarz-gelbe Vorgängerr­egierung“, reagierte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) auf das Urteil. Es sei das Resultat des Chaos, das Union und FDP in ihrer Regierungs­zeit in der Atompoliti­k angerichte­t hätten.

Nach jahrelange­m Kampf gegen die Atomsteuer erzielten die Konzerne gestern einen Erfolg vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Die Karlsruher Richter erklärten die Brenneleme­ntesteuer für verfassung­swidrig und damit für nichtig. Die Abgabe sei keine Verbrauchs­teuer und stehe damit nicht im Einklang mit dem Grundgeset­z. Also ein Fehler in der Gesetzgebu­ng, der den Fiskus jetzt teuer zu stehen kommen wird.

Mehr als sechs Milliarden Euro

Von 2011 bis 2016 hatte der Bund mehr als sechs Milliarden Euro von den Energiekon­zernen Eon, RWE und EnBW kassiert. Ende des vergangene­n Jahres war die Regelung ausgelaufe­n. Nun können die Energie-Riesen auf Erstattung der Milliarden-Zahlungen rechnen, plus üppiger Zinsen. Während beim Koalitions­partner SPD der Ruf nach einer neuen Abgabe laut wird, stellte ein Sprecher von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble gestern klar, dass die Bundesregi­erung keinen Ersatz für die Brenneleme­ntesteuer plane. Es gehe nicht, dass Schäuble jetzt sechs Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt nehme und diese dann für die Sanierung von Schulen oder den Ausbau von Kita-Plätzen fehlten, kritisiert­e dagegen SPDFraktio­nsvize Carsten Schneider gestern.

Die schwarz-gelbe Bundesregi­erung hatte im Herbst 2010 entschiede­n, die Laufzeiten von Kernkraftw­erken in Deutschlan­d zu verlängern und führte ab 2011 die Brenneleme­ntesteuer ein. Ziel war es, dass auch der Bund von durch die Verlängeru­ng möglichen Gewinnen profitiere­n sollte. Nach der Atomkatast­rophe von Fukushima entschied sich die Bundesregi­erung für den Atomaussti­eg und die Energiewen­de. Acht von 17 Atommeiler­n in Deutschlan­d werden wenig später bereits vom Netz genommen. Der Atomaussti­eg soll deutlich schneller kommen und bis 2022 endgültig abgeschlos­sen werden. Es folgte ein Streit ums Geld und die Endlagerun­g des Atommülls. Die Konzerne zahlen 23 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtliche­n Fonds ein, der zur Finanzieru­ng der Zwischenla­gerung und Endlagerun­g dienen soll. Unabhängig davon hält der Bund an der Atomsteuer fest. Die betroffene­n Energiekon­zerne klagen, ziehen bis nach Karlsruhe – mit Erfolg.

Finanzmini­ster Schäuble, sozusagen der Urheber der verfassung­swidrigen Steuer, will jetzt zahlen. Angesichts der sprudelnde­n Rekord-Steuereinn­ahmen dürfte dies auch ohne Neuverschu­ldung aus dem laufenden Haushalt möglich sein. Das Unternehme­n Eon kann mit rund 3,3 Milliarden Euro rechnen, bei RWE sind es 1,9 Milliarden und bei EnBW 1,44 Milliarden. Nach der Karlsruher Entscheidu­ng legten die Aktienkurs­e der Energiekon­zerne deutlich zu. Aus der Opposition dagegen kommen Forderunge­n, die Einnahmen der rechtswidr­igen Brenneleme­ntesteuer für die Atommüllen­tsorgung zu nutzen und in den Fonds für die Endlagerun­g fließen zu lassen. Das Karlsruher Urteil sei die „Quittung für die Geisterfah­rt“von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der früheren schwarz-gelben Bundesregi­erung, twitterte der frühere Bundesumwe­ltminister und Grünen-Politiker Jürgen Trittin.

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FOTO: DPA Scheinwerf­er erhellen den offenen Reaktor des Kernkraftw­erks Gundremmin­gen: Die Steuer für Brenneleme­nte ist nicht konform mit dem Grundgeset­z, weil sie kein Verbrauche­rsteuer ist.

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