Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Steuer für Brennelemente nicht rechtens
Bundesverfassungsgericht kippt Atomsteuer – Erstattung plus Zinsen für Energiekonzerne
- Die Hiobsbotschaft gestern Morgen aus Karlsruhe: Das Aus für die Brennelementesteuer – eine teure Schlappe für die Bundesregierung und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Schließlich kommen jetzt Milliarden-Rückzahlungen auf den Bund zu. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine schallende Ohrfeige für die schwarz-gelbe Vorgängerregierung“, reagierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf das Urteil. Es sei das Resultat des Chaos, das Union und FDP in ihrer Regierungszeit in der Atompolitik angerichtet hätten.
Nach jahrelangem Kampf gegen die Atomsteuer erzielten die Konzerne gestern einen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter erklärten die Brennelementesteuer für verfassungswidrig und damit für nichtig. Die Abgabe sei keine Verbrauchsteuer und stehe damit nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Also ein Fehler in der Gesetzgebung, der den Fiskus jetzt teuer zu stehen kommen wird.
Mehr als sechs Milliarden Euro
Von 2011 bis 2016 hatte der Bund mehr als sechs Milliarden Euro von den Energiekonzernen Eon, RWE und EnBW kassiert. Ende des vergangenen Jahres war die Regelung ausgelaufen. Nun können die Energie-Riesen auf Erstattung der Milliarden-Zahlungen rechnen, plus üppiger Zinsen. Während beim Koalitionspartner SPD der Ruf nach einer neuen Abgabe laut wird, stellte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern klar, dass die Bundesregierung keinen Ersatz für die Brennelementesteuer plane. Es gehe nicht, dass Schäuble jetzt sechs Milliarden Euro aus dem laufenden Haushalt nehme und diese dann für die Sanierung von Schulen oder den Ausbau von Kita-Plätzen fehlten, kritisierte dagegen SPDFraktionsvize Carsten Schneider gestern.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte im Herbst 2010 entschieden, die Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland zu verlängern und führte ab 2011 die Brennelementesteuer ein. Ziel war es, dass auch der Bund von durch die Verlängerung möglichen Gewinnen profitieren sollte. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima entschied sich die Bundesregierung für den Atomausstieg und die Energiewende. Acht von 17 Atommeilern in Deutschland werden wenig später bereits vom Netz genommen. Der Atomausstieg soll deutlich schneller kommen und bis 2022 endgültig abgeschlossen werden. Es folgte ein Streit ums Geld und die Endlagerung des Atommülls. Die Konzerne zahlen 23 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds ein, der zur Finanzierung der Zwischenlagerung und Endlagerung dienen soll. Unabhängig davon hält der Bund an der Atomsteuer fest. Die betroffenen Energiekonzerne klagen, ziehen bis nach Karlsruhe – mit Erfolg.
Finanzminister Schäuble, sozusagen der Urheber der verfassungswidrigen Steuer, will jetzt zahlen. Angesichts der sprudelnden Rekord-Steuereinnahmen dürfte dies auch ohne Neuverschuldung aus dem laufenden Haushalt möglich sein. Das Unternehmen Eon kann mit rund 3,3 Milliarden Euro rechnen, bei RWE sind es 1,9 Milliarden und bei EnBW 1,44 Milliarden. Nach der Karlsruher Entscheidung legten die Aktienkurse der Energiekonzerne deutlich zu. Aus der Opposition dagegen kommen Forderungen, die Einnahmen der rechtswidrigen Brennelementesteuer für die Atommüllentsorgung zu nutzen und in den Fonds für die Endlagerung fließen zu lassen. Das Karlsruher Urteil sei die „Quittung für die Geisterfahrt“von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der früheren schwarz-gelben Bundesregierung, twitterte der frühere Bundesumweltminister und Grünen-Politiker Jürgen Trittin.