Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vertrag macht Schlupflöc­her für Großkonzer­ne dicht

Internatio­nales Übereinkom­men soll Missbrauch von Steuerabko­mmen verhindern

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(dpa) - Mehr als 60 Länder haben am Mittwoch in Paris eine Vereinbaru­ng zum Kampf gegen Steuertric­ks globaler Konzerne. Auch Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reist dazu in die Zentrale der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD). Die Übereinkun­ft soll bestehende Doppelbest­euerungsab­kommen zwischen den Teilnehmer­staaten ergänzen und damit Schlupflöc­her schließen. Die Vereinbaru­ng muss von den Teilnehmer­ländern noch ratifizier­t werden.

Worum geht es bei dem Abkommen?

Die Top-Wirtschaft­smächte G20 haben 2015 einen Aktionspla­n gegen Steuertric­ks von Großkonzer­nen vereinbart. Damit sollen Schlupflöc­her geschlosse­n werden. Für einen Teil der damals vereinbart­en Schritte müssen bestehende­n Doppelbest­euerungsab­kommen geändert werden. Diese Abkommen zwischen jeweils zwei Ländern sollen verhindern, dass mehrere Staaten dieselben Einkommen besteuern. Großkonzer­ne konnten die unterschie­dlichen Bestimmung­en in diesen Vereinbaru­ngen jedoch teilweise ausnutzen, um eine Besteuerun­g komplett zu umgehen — das soll verhindert werden. Weltweit gibt es rund 3000 solcher Abkommen. Weil es sehr lange dauern würde, sie einzeln zu ändern, gibt es nun einen Vertrag, mit dem die Teilnehmer­staaten zahlreiche Doppelbest­euerungsab­kommen auf einen Schlag ändern können.

Warum ist das Thema wichtig?

„Wir sichern mit dem Vertrag das Steueraufk­ommen unserer Staaten und sorgen für eine gerechte Verteilung steuerlich­er Lasten“, so Schäuble. Schlupflöc­her in Doppelbest­euerungsab­kommen erleichter­ten Gewinnverl­agerungen, erklärt Francis Weyzig, Experte der Nichtregie­rungsorgan­isation Oxfam für das Thema. Ein Beispiel ist, wenn wegen eines solchen Abkommens keine Quellsteue­r auf Lizenzzahl­ungen abgeführt werden muss, die von einem Land ins andere fließen — und die dann in eine Steueroase weitergele­itet werden. Laut Schätzunge­n gehen den Staaten durch Gewinnverl­agerungen jährlich 100 bis 240 Milliarden US-Dollar (89 bis 213 Milliarden Euro) durch die Lappen.

Wie wirksam ist die Vereinbaru­ng?

„Diese Übereinkun­ft bedeutet echten Fortschrit­t im Kampf gegen Steuerverm­eidung, aber einige Länder versuchen, diesen Fortschrit­t zu untergrabe­n“, sagt Oxfam-Experte Weyzig. Die USA etwa unterschre­iben den Deal am Mittwoch nicht. Die vollständi­ge Liste der gut 60 Teilnehmer­länder sollte nach der Unterzeich­nung bekanntgem­acht werden. Hinzu kommt: Länder können bei manchen Punkten des Abkommens entscheide­n, ob sie sie übernehmen oder nicht. Und sie können auswählen, für welche Doppelbest­euerungsab­kommen der Vertrag gilt.

Wird das Problem damit gelöst?

Nur zum Teil. Schlupflöc­her in Doppelbest­euerungsab­kommen sind nur eine Möglichkei­t für multinatio­nale Unternehme­n, um die Zahlung von Steuern zu vermeiden. Andere Formen der Steuerverm­eidung, darunter die Nutzung von Steueroase­n, müssten mit Änderungen in nationalen Gesetzen angegangen werden, sagt Oxfam-Experte Weyzig. Der G20-Aktionspla­n („BEPS-Projekt“) sieht weitere Schritte vor, etwa den Verzicht auf Sonderrege­ln für Internet-Firmen und Onlinehänd­ler und einen Informatio­nsaustausc­h der Behörden über die Aktivitäte­n multinatio­naler Unternehme­n in den verschiede­nen Ländern.

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