Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auf der Suche nach sich selbst
Die Musikdokumenation „Whitney – Can I be me“erinnert an die Sängerin
ie Drogen, ein prügelnder Ehemann, ein früher Tod: Das ist die bekannte Geschichte von Whitney Houston. Eine neue Filmdokumentation zeigt die verwundbare Seite des Superstars.
Es dauert keine fünf Minuten und schon ist da diese Stimme, dieser Ton: „And I … Will Always Love You“. Der Ausschnitt stammt aus dem Jahr 1999. Bei einem Konzert in Frankfurt kämpft sich Whitney Houston durch den größten Hit, den sie je haben sollte.
Schon mit diesem kurzen Clip setzt „Whitney – Can I be me“einen Akzent. Zu sehen ist in diesem Moment nicht nur eine Jahrhundertsängerin, sondern eine Frau, die allen das geben will, was die von ihr verlangen – und von der die Zuschauer wissen, dass sie letztlich an der Erfüllung all dieser Wünsche selbst zugrunde ging. Früh ist klar, wie ernst es Houston mit dem titelgebenden Spruch gewesen sein muss, den sie auf Tournee ihren Musikern immer wieder gesagt hat: „Can I be me?“– „Darf ich bitte ich selbst sein?“
Erzählt wird von Houstons Kindheit in Newark. Weggefährten und Familienmitglieder erzählen in Interviews von den ersten Schritten in der Karriere der im Alter von 46 Jahren gestorbenen Sängerin. Schnell geht es auch darum, dass Drogen in Houstons Leben früh eine Rolle spielten, weil sie diese von ihren älteren Brüdern bekam. Auch später lassen die Filmemacher kein knalliges Detail aus und bemühen sich ein paar Mal zu oft der saftigen Laienpsychologie einer Reality-Soap.
Anders als beim oscarprämierten „Amy“über Amy Winehouse wird beispielsweise die Schuld eines Publikums ausgeblendet, das sich lieber über Skandale amüsiert als tatsächlich zu helfen versucht. Durchgängig gut funktionieren dafür Erzählweise und Rhythmus der Doku. Regisseur Nick Broomfield kann auf die Erfahrung aus seinen Dokumentationen über Kurt Cobain und Courtney Love sowie über Notorious B.I.G. und Tupac Shakur zurückgreifen. Zusammen mit den von Rudi Dolezal gedrehten Konzertszenen ergibt sich eine fesselnde Erzählung, in der sich Tourneeausschnitte von 1999 immer wieder mit aktuellen Interviews und der chronologischen Nacherzählung von Houstons Leben abwechseln. Die wahre Leistung des Filmes ist es aber, dass er dem skandalgeprägten Bild von einer der erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten einige weitere Pinselstriche hinzufügt. (dpa)
Regie: Nick Broomfield und Rudi Dolezal. USA 2017, 90 Min., FSK o. A.