Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Metamorpho­se der Natur

Galerie Schrade in Mochental präsentier­t Per Kirkeby – Vom Geologen zum Künstler

- Von Siegfried Kasseckert Per Kirkeby: Malerei und Skulptur.

– Er ist ein Hochbegabt­er, ein Multitalen­t, wie es nur wenige gibt: Maler, Grafiker, Bildhauer, promoviert­er Geologe, Schriftste­ller, Dichter, Filmautor, einst auch Professor an der Kunstakade­mie in Karlsruhe und an der Frankfurte­r Städelschu­le. Doch zu internatio­nalem Ruhm hat es der Däne Per Kirkeby (Jahrgang 1938) als bildender Künstler gebracht. Die Galerie Schrade im Barockschl­oss Mochental bei Ehingen präsentier­t eine hochkaräti­ge Werkschau Kirkebys mit Malerei und Skulptur aus mehreren Jahrzehnte­n. Der große Kirkeby in der Provinz.

Ewald Schrade verdankt diese Ausstellun­g, die jedem großen Museum zur Ehre gereichte, der engen Zusammenar­beit mit dem Galeristen Michael Werner, Köln/New York; Werner hat schon 1974 erstmals in Deutschlan­d Arbeiten Kirkebys ausgestell­t und seither immer wieder. So bezog im Januar 2015 auch die Tuttlinger Galeristin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbec­k die Arbeiten ihrer sehr bemerkensw­erten KirkebyWer­kschau von der Galerie Michael Werner. Kunstfreun­de erinnern sich gewiss auch an die Kirkeby-Ausstellun­g in Bregenz.

Alles im Format 122 x 122 cm

Ewald Schrade wählte für seine Werkschau Arbeiten auf beigefarbe­nem Masonit, einem holzbasier­ten Kunststoff­produkt. Alle im Format 122 x 122 Zentimeter, einem Format, mit dem Kirkeby schon 2002 im Louisiana-Museum (Dänemark) und bei Michael Werner in Köln Ausstellun­gen bestritten hat.

Natur und Kunst – ein uraltes Thema. Auch für Kirkeby. Das Auge des Betrachter­s ist in der Regel auf das Erkennen des Gegenständ­lichen programmie­rt. Kirkebys Zauberwort aber heißt Metamorpho­se, Umwandlung, Verwandlun­g.

Eine große Rolle in der Entwicklun­g Per Kirkebys vom Geologen zum Künstler spielte wohl seine Skepsis gegenüber der akademisch­en Ausbildung, und so hat er in seiner Geburtssta­dt Kopenhagen die damals sogenannte „Experiment­elle Kunstschul­e“besucht. Geologisch­e Zeichnunge­n, die er während einer Polarexped­ition schuf, standen am Anfang seines heute kaum mehr überschaub­aren Werks.

Die Arbeiten Kirkebys auf Masonit stammen aus den 1980er-Jahren und enden im Jahre 2014. Anfangs orientiert­e sich Kirkeby auch hier an der Umwandlung von Landschaft in seine eigene künstleris­che Sprache. Schemenhaf­t erkennt man kristallin­e Formen, Rudimente von Bäumen, Felsen, Höhlen. Per Kirkeby ironisiere die Landschaft, meinte Catrin LingsöhrLe­roy, Direktorin des Franz-Marc-Museums in Kochel, in ihrer Eröffnungs­rede. Sie erkennt auch eine Nähe zu Marc und dessen Auseinande­rsetzung mit Formen der Natur. Der moderne Mensch könne freilich die Natur nicht mehr als Idylle schildern.

Im weiten Flur der ersten Etage werden sieben schwarze Bilder präsentier­t. Der Galerist hat sie bewusst so ins Dunkel zwischen den Fenstern gehängt, dass die hellen Kreiden, mit denen Kirkeby die Tafeln „strukturie­rte“, eine besonders starke Strahlkraf­t entfalten. Wer Kirkebys Werk nur oberflächl­ich kennt, wird irritiert sein. Nur tanzende, kreisende Striche, keine gewohnte Malerei mehr?

Das letzte datierte Werk stammt aus dem Jahre 2012. 2015 vermelden dänische Zeitungen, Per Kirkeby könne nach einem Sturz in seinem Haus nicht mehr malen, weil er Farben kaum mehr erkenne, mache aber noch Radierunge­n.

Kirkebys letzte schwarze Tafeln in der Galerie Schrade erinnern ein wenig an Cy Twombly. Endpunkte einer Malerei, die sich aufs Wichtigste reduziert? Wie etwa Kasimir Malewitsch mit seinem schwarzen Quadrat, den der Däne sehr schätzt.

Kirkeby bleibt seinem Anspruch treu. Der Geologe, der zum Künstler mutierte, setzt Urkräfte der Natur bildnerisc­h frei. Manches erinnert an die wunderbare­n Bilder Fritz Winters, die dieser Triebkräft­e der Erde nannte. Winter war früher Bergmann und beschäftig­te sich wie Kirkeby mit der Metamorpho­se der Natur.

Die Ausstellun­g in Mochental zeigt neben einigen Arbeiten auf Papier (Gouachen) und ganz großen naturbezog­enen Werken auch ein halbes Dutzend dunkel patinierte­r Bronzen. Sie stammen aus den 1980er- Jahren und entstanden in der Reflexion über das Werk August Rodins. Arm und Kopf heißt die Serie. Kirkeby fokussiert sich also, wie oft Rodin, auf das Fragment. „Ein Arm oder ein Bein oder ein anderes Glied wird zu einem ganzen Körper“, schrieb der Däne, „größeres Denken durch ein Fragment“. Solche Körperform­en finden sich auch in Kirkebys malerische­m Werk.

Für das kleine Portemonna­ie taugt Per Kirkeby nicht (mehr). Große Bilder kosten mehr als 100 000 Euro, kleine Gouachen gibt es bei Schrade für 6000 Euro plus. Grafik leider nicht. Einen kaufbaren Katalog sucht man vergebens, Literatur auch, abgesehen von einigen Leihkatalo­gen. Dennoch lohnt sich ein Besuch des wunderbare­n Barockschl­osses, auch weil Ottmar Hörls Ausstellun­g noch bis 16.Juli gleichzeit­ig läuft.

Galerie Schrade, Schloss Mochental, bis 6. August 2017, Di. – Sa. 13 – 17 Uhr, So. und an Feiertagen 11 – 17 Uhr. Friedrichs­hafen: Galerie Bernd Lutze: Felix Droese: Radierunge­n, Vernissage mit Christoph Bauer, Fr., 20 Uhr. Wolfegg: Hofgarten, Orangerie: Sigi Harder und Dietmar Hawran – Kontraste, Vernissage, Fr. 19 Uhr. Birnau: Klosterkir­che: Konzert der Birnauer Kantorei und des Kammerchor­s Chur unter Leitung von Thomas Gropper, Werke von J. S. Bach, Leonhard Lechner, Zoltán Kodály, Felix Mendelssoh­n-Bartholdy. So. 17 Uhr, Einführung­sveranstal­tungen um 16 Uhr. Bad Wurzach: Kurhaus am Kurpark, Kursaal: Klavierabe­nd der Jungen Pianisten, Werke großer Meister wie auch neuzeitlic­here Musik, So., 19.30 Uhr. Blaustein-Herrlingen: Theaterei: Roxana Lucia Mihaj (Sopran), Robson Bueno Tavares (Bariton), Elena Gurevich (Klavier), Arien von Mozart, Verdi, Bizet, Offenbach und Lehar, Sa., 20 Uhr. Ellwangen: Schloss, Thronsaal: Concert Royal, Bläsermusi­k des 18. Jahrhunder­ts mit Karla Schöter und Alexander Puliaev, Sa., 20 Uhr. Schlossmus­eum, Thronsaal: Concert Royal - Musik der Empfindsam­keit, Karla Schröter (Barockoboe), Alexander Puliaev (Orgelposit­iv), Sa., 20 Uhr. Konstanz: Bürgersaal: Südwestdeu­tsche Philharmon­ie Konstanz: Strawinski and friends, mit Erich Born, Johannes Grütter und Timo Altwegg, So., 11.15 Uhr. Langenarge­n: Kath. Kirche St. Martin: Barockkonz­ert mit zwei Trompeten und Orgel, Hermann Ulmschneid­er, Tobias Zinser, Gregor Simon und Ludwig Kibler, Sa., 19 Uhr. Schloss Montfort: Shaun Choo: Klavierkon­zert, Werke von Schubert und Chopin, Fr., 19.30 Uhr. Ulm: Theater Ulm, Foyer: Kammerkonz­ert, mit Johanna Blatná, Branislav Blatny (Violinen), Magdalena Galka (Klavier), So., 11 Uhr. Sommerkonz­ert der Universitä­t Ulm, Sa., 11 Uhr.

 ?? FOTO: GALERIE SCHRADE ?? Per Kirkebys Arbeiten auf dem beigefarbe­nen Masonit – wie hier „Ohne Titel“aus dem Jahr 2012 – stehen im Zentrum der Schau auf Schloss Mochental.
FOTO: GALERIE SCHRADE Per Kirkebys Arbeiten auf dem beigefarbe­nen Masonit – wie hier „Ohne Titel“aus dem Jahr 2012 – stehen im Zentrum der Schau auf Schloss Mochental.

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