Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Dem Elch auf der Spur

In Dänemark durchstrei­fen die Tiere nach 5000 Jahren wieder die Wälder

- Von Julia Wäschenbac­h

(dpa) - Es ist fast still im Wald Høstemark. Nur Vogelgezwi­tscher und das dumpfe Schmatzen von Jacob Skrivers Gummistief­eln auf dem feuchten Waldboden ist zu hören. Der Betriebsle­iter des dänischen Naturparks Lille Vildmose hält einen Finger an die Lippen. „Jetzt müssen wir still sein.“Dann sieht er durch sein Fernglas. Hat sich hinter den Büschen etwas bewegt? Er pirscht sich ganz vorsichtig heran. Denn die majestätis­chen Wesen, denen Skriver auf der Spur ist, sind wild und scheu. Es sind Tiere, die es seit 5000 Jahren nicht mehr in freier Natur in Dänemark gegeben hat, und die Deutsche eher aus dem SchwedenUr­laub kennen: Elche.

„Fünf junge Tiere sind zurzeit noch hier in Quarantäne“, sagt Skriver. Die etwa ein Jahr alten Elche – vier Kühe und ein Bulle – sind seit Herbst in dem Moorgebiet in Nordjütlan­d zu Hause. Fünf etwas ältere Elche laufen schon frei auf einer Fläche von 21 Quadratkil­ometern herum. Auf Kieswegen können Besucher mit dem Auto durch das Gelände fahren und versuchen, einen Blick auf die Tiere zu erhaschen. Für viele sind die Riesen der Wälder eine Attraktion. Seit die Elche in Lille Vildmose eingezogen sind, sind die Besucherza­hlen laut Skriver explodiert. Doch dass Neugierige wirklich einen Elch erspähen können, ist alles andere als sicher.

Scheue Einzelgäng­er

„Elche sind ja wilde Tiere und noch dazu Einzelgäng­er“, sagt Skriver. Selbst in dem kleineren Wald, in dem sich die jüngeren Tiere bewegen, gehört eine Portion Glück dazu, sie zu sichten. Denn das Gebiet ist immerhin noch so groß wie 16 Fußballfel­der. Was man für Kopf oder Fuß eines der größten Hirsche der Welt hält, kann sich deshalb schnell als Baumstumpf oder Schatten entpuppen.

An diesem Tag stehen die Chancen gut. Auf dem von Moos und Gräsern bewachsene­n Waldboden liegen Frische Elchköttel, die den Weg zu einem der jungen Tiere weisen könnten. Der Betriebsle­iter macht an einer Birke Halt, deren Rinde an einer Stelle abgenagt ist. Hat hier etwa vor Kurzem jemand geknabbert? „Nein, das ist schon länger her“, sagt Skriver. Und trotzdem: Zwischen zwei Baumreihen huscht plötzlich ein Elch hindurch – und verschwind­et prompt wieder im Dickicht.

Einen Elch in freier Natur zu sehen ist für viele ein gewaltiges Erlebnis. Für die Hüter des Moorgebiet­s Lille Vildmose ist es nur ein schöner Nebeneffek­t. „Das hier ist ja kein Zoo, sondern ein Naturaufba­uprojekt“, erinnert Skriver an die Aufgabe, die die aus Elchparks in Schweden importiere­n Tiere hier erfüllen sollen. „Wir hoffen, dass sie das Zuwachsen des Hochmoors begrenzen können.“Torfabbau und Drainage haben die natürliche Landschaft an vielen Stellen zerstört. Nun breiten sich vor allem Birken schnell aus.

Für die Elche, die Sümpfe und Gewässer lieben, ist Lille Vildmose ein Schlaraffe­nland. Ihr Futter finden sie in Büschen und Bäumen auf Augenhöhe, vor Menschen haben sie meistens Ruhe. Ihre Mitbewohne­r sind Rotwild, Vögel und Insekten.

Wichtig ist dem Aage V. Jensen Naturfond, dem ein großer Teil des Naturparks gehört, natürlich auch, dass es den neuen Bewohnern des Moors gut geht. Gemeinsam mit der Gemeinde Aalborg und dänischen Universitä­ten behält der Verein die Elche mit GPS-Halsbänder­n im Auge. Dabei haben die Forscher eine interessan­te Entdeckung gemacht. „Wir vermuten, dass es schon in diesem Jahr Kälber geben könnte“, sagt Skriver. Normal sei das nach so kurzer Zeit nicht. Aber: „Einige der Kühe sehen einfach so schwer aus!“

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FOTO: DPA Eine mächtige Erscheinun­g: ein Elch in freier Natur.

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