Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Missraten, gefloppt, peinlich

Im „Museum des Scheiterns“werden Erfindunge­n ausgestell­t, die es nicht gepackt haben

- Von Julia Wäschenbac­h

(dpa) - Manche Erfindunge­n sind zu schön, um wahr zu sein. Fettfreie Chips zum Beispiel. Wer wünscht sich nicht, die sündige Knabberei ganz ohne Gewissensb­isse zu genießen? Im Gesundheit­swahn der 90er-Jahre wurde der Zusatzstof­f Olestra zum Hit, der Kalorienzä­hlen überflüssi­g machte. Allerdings nur ganz kurz. Denn der Stoff hatte unangenehm­e Nebenwirku­ngen. „Das Problem war, dass man Durchfall davon bekam“, erzählt Samuel West. „Wenn du eine ganze Dose fettfreie Pringles gegessen hast, hast du danach eine Weile auf der Toilette festgesess­en.“In seinem „Museum des Scheiterns“in Südschwede­n zeigt West seit Mittwoch rund 70 gefloppte Erfindunge­n.

„Ich hatte genug von all den Erfolgsges­chichten“, sagt der Kurator mit isländisch-amerikanis­chen Wurzeln. „Es ist wichtig, Scheitern zu akzeptiere­n. Daraus können wir viel lernen.“80 bis 90 Prozent aller Erfindunge­n seien Flops, sagt West. Vor allem große Unternehme­n kehrten das gern unter den Teppich. Viele von ihnen hat der gelernte Psychologe für sein Museum kontaktier­t. Niemand habe aber mit ihm sprechen wollen, sagt er.

Dabei hätte West wirklich gern gewusst, was sich die Unternehme­n bei manchen Erfindunge­n gedacht haben. Beim Kugelschre­iber der Firma BIC nur für Frauen – in lila und pink, mit Glitzer verziert. Bei der Puppe, die über Stimmerken­nung mit Kindern spricht und die Daten aus dem Kinderzimm­er in US-Marketingz­entralen weiterschi­ckt. Oder bei der Datenbrill­e Google Glass mit eingebaute­r Kamera. „Restaurant­s in San Francisco hatten eine Zeit lang Schilder an ihren Türen: „Keine Hunde, kein Google Glass“.“

Der Zahnpasta-Hersteller Colgate hielt es in den 80er-Jahren für eine gute Idee, den Markt der Tiefkühlge­richte zu erobern. Ein Fehlschlag! „Die Leute haben sich gefragt: Schmeckt das jetzt nach Zahnpasta?“, erzählt West. Auch das säuerliche Harley-Davidson-Parfüm kam bei Motorradfa­ns nicht gut an, genau wie ein Donald-Trump-Brettspiel zum Ladenhüter wurde. „Zu Trumps gescheiter­ten Ideen hätte ich ein eigenes Museum machen können“, sagt West. „Trump-Wodka, TrumpUnive­rsität, Trump-Steaks …“

Während manche Erfindunge­n nicht den Geschmack der Masse trafen, stellten sich andere als Schwindele­ien heraus. Ein skandinavi­sches Forschungs­labor machte erstaunlic­h vielen Hundehalte­rn vor einigen Jahren weis, dass sie das Bellen ihres Vierbeiner­s mithilfe eines Kopfhörers in Menschensp­rache übersetzen könnten, erzählt West. „Es hört sich total dämlich an, aber die Leute haben es echt geglaubt.“

Nicht alle der Produkte, die West gemeinsam mit seinem Designer zum größten Teil selbst gesammelt hat, sind völlig in der Versenkung verschwund­en. Auf einem Podest thront das elektrisch­e Transportm­ittel Segway. Als es vorgestell­t wurde, seien die Erwartunge­n riesengroß gewesen, sagt der 43-Jährige: „Es sollte das Auto und das Fahrrad ablösen. Heute ist es nur noch ein albernes Spielzeug für Touristen.“

Auch Gutes kann scheitern

Unter den Exponaten sind auch viele technische Geräte, die sich nicht durchsetze­n konnten. Kurz vor dem VHS-Rekorder brachte der Elektronik­konzern Sony 1975 den Konkurrent­en Betamax auf den Markt. „Es war das bessere Produkt“, sagt West. Aber Sony weigerte sich, Lizenzen an andere Firmen zu verteilen, während sich die Konkurrenz­firma JVC schnell ein Netzwerk an Partnern aufbaute und seinen Kunden mehr Filme im Format anbieten konnte.

„Sony lernte aber aus dem Fehler“, erzählt West. „Beim Herausbrin­gen der CD schloss sich der Konzern mit der Musikindus­trie zusammen.“Mit der Minidisc erlebte das Unternehme­n später allerdings noch einmal einen Flop: Neben CDs hatten die winzigen Scheiben keine Chance. „Es gab auf dem Markt zu viele Formate zur Auswahl.“

In seinem „Museum des Scheiterns“will West nicht nur Flops ausstellen, sondern im Sommer auch zu Abendveran­staltungen einladen, bei denen Gäste zum Beispiel ein fehlgeschl­agenes Gourmetmen­ü probieren oder einem Konzert mit gescheiter­ter Musik lauschen können. Eine deutsche Erfindung fehlt ihm für seine Sammlung bislang noch.

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FOTO: DPA Die elektrisch­e Schönheits­maske Rejuveniqu­e hat sich nicht so recht durchgeset­zt am Markt.

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