Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Den Daumen am Puls der Federseenatur
Jost Einstein blickt auf 30 Jahre Nabu-Naturschutzzentrum Federsee
- Naturschutz hat in Bad Buchau Tradition. Mit seinen 30 Jahren ist das Nabu-Naturschutzzentrum Federsee dagegen relativ jung – und dennoch nicht mehr aus der Region wegzudenken. Zum 30-jährigen Bestehen beschäftigt sich deshalb die Schwäbische Zeitung mit dieser Institution. Heute: Leiter Jost Einstein stellt das Nabu-Naturschutzzentrum und seine Aufgaben vor.
Jost Einstein sitzt mit zwei Bildschirmen vor sich und mit einem Wandregal voller LeitzOrdner im Rücken. „Hier verbringe ich über 90 Prozent meiner Arbeitszeit“, sagt der Naturschützer über sein Büro. Hinaus in die schöne Federseenatur kommt Einstein weit weniger wie man es für den Leiter eines Naturschutzzentrums vermuten würde – ein reiner Schreibtischjob ist es aber dennoch nicht.
Jost Einstein ist im Auftrag des Regierungspräsidiums Tübingen für die naturschutzfachliche Betreuung des 33 Quadratkilometer großen Federseemoors zuständig. Diese Aufgabe hat der schon seit seiner Kindheit an Natur und Naturschutz interessierte Buchauer 1974 von dem früheren Lehrer Gerhard Haas übernommen. Beide übten lange Zeit diese verantwortungsvolle Arbeit rein ehrenamtlich aus. Gar nicht so einfach. Denn für die damit verbundene Bestandsaufnahme der im Moor vorkommenden Arten müsse man „den Daumen am Puls der Natur“halten, erklärt der gelernte Landespfleger Einstein. „Das geht nebenberuflich nur in einem bestimmten Umfang.“ Zumal nebenbei schon damals die Nachfrage nach Führungen stieg. Den Wunsch nach einem Naturschutzzentrum und einem hauptberuflichen Leiter hegten die Buchauer Nabu-Mitglieder also schon lange. Eher durch einen Zufall sollte er sich 1987 erfüllen. Die Stadt hatte damals das Grundstück am Federseeweg gekauft. Nicht wegen des charmanten Bauernhäuschens, sondern um die Seegasse zu verlängern und damit die Verkehrssituation zu verbessern. Für das Haus mit Stall und Scheune meldete der Nabu Bedarf an – und fand damit prompt Gehör bei Verwaltung und Gemeinderat. Mit Mitteln der Stadt, Zuschüssen und hauptsächlich in Eigenarbeit der Nabu-Mitglieder wurde das Gebäude umgebaut. 1987 bezog der Nabu mit Jost Einstein als Leiter das neue Naturschutzzentrum, bis heute stellt die Stadt das Haus mietfrei zur Verfügung. Daneben unterstützt vor allem das Land das Naturschutzzentrum durch Zuschüsse, hinzu kommen in geringem Umfang Spenden und Einnahmen aus den Führungen; restliche Kosten gleicht der Nabu-Landesverband aus. Im Gegenzug betreut das Naturschutzzentrum für das Land das Naturschutzgebiet. „Diese ,PublicPrivate-Partnership’ hat sich wirklich sehr gut bewährt“, beschreibt Einstein die enge Zusammenarbeit mit dem RP. „Wir sind als Institution vor Ort. Das könnte eine Behörde wohl so nicht leisten.“
Mit Fernglas und gespitzten Ohren
Man kann sich denn auch kaum einen Amtsleiter vorstellen, der um 6 Uhr morgens mit dem Fernglas durchs Moor streift, um konzentriert dem Ruf der Bartmeise zu lauschen. Für Einstein gehört das seit mehr als 40 Jahren von Mitte April bis Mitte Juni zu seinen üblichen Aufgaben. Früher ehrenamtlich, sind die jährlichen Bestandsaufnahmen heute für den hauptamtlichen Zentrumsleiter eine Gelegenheit, den Schreibtisch zu verlassen. Ganz systematisch durchkämmt der 62-jährige dafür Ried und Uferbereich, um den Vogelbestand, jede Art mit bestimmten Kürzeln versehen, in eine Karte einzutragen. Noch mehr als auf sein Fernglas verlässt sich Einstein dabei auf sein Gehör. Vernimmt er etwa das Zwitschern des Braunkehlchens, weiß der Naturschützer, dass die Welt am Federsee in Ordnung ist: Die Art gilt als „Gallionsfigur“, die überhaupt nur dann in Erscheinung tritt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Die Ergebnisse gilt es anschließend – zurück am Schreibtisch – auszuwerten, zu analysieren und dem RP möglicherweise entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Das könnte etwa die Auflage an die Pächter sein, seine Wiese erst nach der Brutzeit zu mähen. „In den letzten 30 Jahren ist es so gelungen, viele seltene Arten zu stabilisieren“, sagt Einstein und zählt auf: Braun- und Blaukehlchen, Wiesenpieper, Schilfrohrsänger, Rohrweihe ....
Neben Artenschutz und Landschaftspflege erfüllen die Mitarbeiter des Naturschutzzentrums aber auch eine weitere wichtige Aufgabe: die Umweltbildung. „Ziel ist es, Verständnis für den Naturschutz in der breiten Bevölkerung zu wecken und idealerweise auch aktives Engagement“, erklärt Einstein. Dazu gehören vor allem die rund 400 Führungen im Jahr (siehe Kasten). Rund dreiviertel der Touren werden von bestimmten Gruppen gebucht, hauptsächlich von Schulklassen, aber auch von Vereinen, Betrieben, Fachleuten.
Damit ist das Nabu-Zentrum auch ein touristisches Aushängeschild der Stadt geworden – und mag so auch die Akzeptanz und Bereitschaft der Buchauer für Naturschutz erhöht haben. „Die Natur ist hier eben unser Alleinstellungsmerkmal“, so Einstein. „So eine Natur vor der Haustür zu haben – das ist etwas Einzigartiges.“