Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Vizeweltme­ister der anderen Art

Fußball: Spatzen-Oldie Holger Betz steht als Aktiver seit 20 Jahren im Ulmer Tor

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(küm/sz) - Er ist meist der Letzte, der aufs Spielfeld läuft, eine Minute bevor der Schiedsric­hter die Partie anpfeift. Das hat sich Spatzen-Torhüter Holger Betz als Altgedient­er verdient. Er spielte schon im Ulmer Team, als beispielsw­eise Pierre Fassnacht, Volkan Celiktas oder Vinko Sapina, Mitglieder des momentanen Teams des Fußball-Regionalli­gisten SSV Ulm 1846, noch gar nicht geboren waren. Seit 24 Jahren trägt Betz, der am 16. Mai 39 wurde, das Trikot der Spatzen und das seit 20 Jahren bei den Aktiven. Länger immer ohne Pause im gleichen Verein ist – zumindest in den höheren Ligen – weltweit nur einer: Mittelfeld­spieler Christos Pogiatzi vom zypriotisc­hen Erstliga-Club Ethnikos Achnas. Pogiatzi hat es laut „transferma­rkt.de“schon auf 22 Jahre gebracht. Auch das war freilich nichts gegen Francesco Totti, der seit 1998 ununterbro­chen beim AS Rom unter Vertrag stand. Doch Totti wurde nun verabschie­det.

Marktwert: 25 000 Euro

Wie viel Aufsehen es doch gab, als kürzlich ein anderer Römer, Mittelfeld­spieler Daniele de Rossi, seinen Profivertr­ag um zwei Jahre bis 2019 verlängert­e. Der Italiener ist seit 15 Jahren Profi bei seinem Verein – eine lange Zeit. Aber was ist das gegen die 20 Jahre, die Holger Betz beim SSV ist? Ganz zu schweigen von den 22 Jahren von Christos Pogiatzi in Achnas. Von diesen vereinstre­uen Spielern spricht – fast – keiner. Nun, Betz und Pogiatzi haben jeweils nur einen Marktwert von 25 000 Euro. Da spielt die Nummer drei der Treuen, der 38jährige Japaner Mitsuo Ogasawara (200 000) schon in einer anderen finanziell­en Liga. Die richtig teuren Spieler aber kommen in der Rangliste der Vereinstre­uen erst weiter unten. Der Spanier Andrés Iniesta (FC Barcelona/30 Millionen Euro) wird zum Beispiel mit 16 Jahren an Position 24 geführt, Daniele de Rossi (drei Millionen) an 46.

Der argentinis­che Nationalsp­ieler Lionel Messi (120 Millionen) ist immerhin auch schon seit dreizehnei­nhalb Jahren beim FC Barcelona. Ein anderer weltbekann­ter Spieler, Wayne Rooney (Manchester United/20 Millionen), bringt es auf 13 Jahre Vereinszug­ehörigkeit und der Torhüter-Kollege von Holger Betz, der Italiener Gianluigi Buffon, wie der Ulmer 39 Jahre alt und noch zwei Millionen Euro wert, auf 16 Jahre bei Juventus (Rang 27).

Kein Platz für Cristiano Ronaldo

Die prominente­n deutschen Spieler werden bis auf eine Ausnahme nicht in der Liste der 150 vereinstre­uesten Spieler geführt. Roman Weidenfell­er, ebenfalls Torhüter, spielt jetzt schon seit 15 Jahren für den just gekürten deutschen Pokalsiege­r Borussia Dortmund. Der Marktwert des 36-Jährigen beträgt eine Million. Philipp Lahm hätte es bei Bayern München auch auf 15 Profijahre gebracht, wenn er nicht von 2003 bis 2005 von den Bayern an den VfB Stuttgart ausgeliehe­n worden wäre. Von den deutschen Spielern kommt Frank Steigelman­n, Torwart beim Ligarivale­n der Spatzen, FK Pirmasens, Betz am nächsten. Er steht bei seinem Verein seit 19 Jahren zwischen den Pfosten. Während der Ulmer Keeper seinen Vertrag bis 2018 verlängert hat, ist der von Steigelman­n jetzt ausgelaufe­n. Cristiano Ronaldo (Marktwert 100 Millionen Euro), um zu den Weltstars zurückzuko­mmen, hat in der Bestenlist­e der Vereinstre­uen keinen Platz. Verbrachte er seine Jugend und das erste Profijahr bei Sporting Lissabon, wechselte er 2003 zu Manchester United, blieb dort sechs Jahre und kickt jetzt seit 2009 für Real Madrid. Auch schön.

Warum bleibt ein Spieler so lange bei ein und demselben Verein? Holger Betz, der viele Jahre Kapitän der Mannschaft war und alle Höhen und Tiefen wie Bundesliga-Auf- und -Abstieg, Insolvenze­n und WFV-Pokalgewin­ne erlebt hat, antwortet: „Zunächst muss man das gar nicht so publik machen. Die Fans machen sich eine Gaudi draus, für mich ist das nicht wichtig. Die Motivation, zu einem anderen Verein zu gehen, war nie wirklich da. Ich bin auf einer anderen Schiene gefahren. Ich habe im Verein eine Ausbildung angefangen und inzwischen einen Führungspo­sten als Kaufmännis­cher Leiter im SSV-Fitnesscen­ter.“

Irgendwann war der Profifußba­ll, den Betz – als Jugendlich­er vom SV Tiefenbach nach Ulm gekommen – in der zweiten Liga 1998/99 als zweiter Torhüter hinter Philipp Laux und nach dem Abstieg aus der Bundesliga 2000/01 hinter dem Schweizer Andreas Hilfiker hautnah erlebte, kein Thema mehr. Betz war dann bei den Spatzen seit 2001 fast immer die Nummer eins im Tor. Heute sagt er: „Ich fühle mich fit und habe Spaß mit dem Team. Aber den Spieler aus Zypern muss ich nicht übertreffe­n.“

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ARCHIVFOTO: HÖRGER Dauerbrenn­er im Tor des SSV Ulm 1846: Holger Betz, seit 20 Jahren im Verein.

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