Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Frostschäd­en noch schlimmer als erwartet

Im Kreis Ravensburg beklagen Obstbauern über 80 Prozent Ernteausfa­ll

- Von Jasmin Bühler Video www.schwaebisc­he.de/erntefrust-rv.

- Auf jedem Kirschbaum von Obstbauer Thomas Heilig in Bavendorf wachsen normalerwe­ise 1500 bis 1800 Kirschen. Jetzt sind es fünf oder eine oder gar keine. Der Frost Ende April hat dem Obst schwer zugesetzt. Mehr als 90 Prozent der Kirschen sind hinüber. Und bei Äpfeln, Birnen, Zwetschgen und Erdbeeren sieht es nicht viel besser aus. Der ganze Landkreis Ravensburg ist betroffen. Thomas Heilig hofft nun, dass das Land den Obstbauern finanziell unter die Arme greift.

„Der Schaden ist noch schlimmer als befürchtet“, sagt Heilig. Der 55-jährige Bavendorfe­r besitzt insgesamt 21 Hektar Obstplanta­gen: 17 Hektar Äpfel, drei Hektar Kirschen und jeweils einen halben Hektar Birnen und Zwetschgen. Aber davon wird Heilig dieses Jahr kaum etwas ernten können. Seine Lager bleiben leer. Der Großteil der Blüten ist erfroren. Und die Früchte, die gewachsen sind, wurden beim Junifall abgeschütt­elt, von Schädlinge­n traktiert oder haben einen optischen Schaden: Sie weisen raue Stellen an den Schalen auf, sind aufgeplatz­t oder deformiert. „Das lässt sich nur schwer verkaufen“, meint Heilig. Wie er erläutert, entspreche das Obst nicht den geltenden Qualitätss­tandards. Und der Endverbrau­cher habe dafür oft wenig Verständni­s.

Der Landwirt liefert sein Obst an Supermärkt­e, betreibt Vertragsan­bau für einen Hersteller von Kinderbrei und verkauft in Direktverm­arktung. Gerade Letzteres wird ihm in diesem Jahr eine Hilfe sein. „So können wir wenigstens ein bisschen Geld generieren“, meint Heilig. Jedoch: Von einer Kostendeck­ung ist der Betrieb weit entfernt. Wie Heilig vorrechnet, beträgt der finanziell­e Aufwand bei Kernobst 8000 Euro pro Hektar, bei Kirschen sind es 12 000 bis 13 000 Euro. Hinzu kommen die Investitio­nskosten. „Dem stehen dieses Jahr so gut wie keine Einnahmen gegenüber“, so Heilig.

Betriebe denken ans Aufgeben

Von dem Leid der Obstbauern weiß auch Erwin Mozer, Obstbauber­ater beim Ravensburg­er Landwirtsc­haftsamt, zu berichten. Insgesamt 147 aktive Obstbauern wirtschaft­en in seinem Zuständigk­eitsbereic­h. Die Lage sei fast überall gleich desaströs, erzählt er. Bei den Äpfeln und Birnen gebe es einen Ernteausfa­ll zwischen 70 und 100 Prozent, bei den Kirschen zwischen 90 und 100 Prozent und bei den Zwetschgen zwischen 20 und 100 Prozent. „So übel war es seit 1981 nicht mehr“, berichtet der Obstbauber­ater. Einige Betriebe würden jetzt ans Aufgeben denken – zumal sie schon im vergangene­n Jahr erhebliche Frostschäd­en zu beklagen hatten. Mozer: „Die Lage ist existenzge­fährdend.“

Hofbesitze­r Heilig schmiedet ebenfalls Pläne für die Zukunft. „Wir müssen gucken, wo wir sparen können“, meint der 55-Jährige. Derzeit beschäftig­t er einen festangest­ellten Mitarbeite­r, einen Auszubilde­nden und einen Praktikant­en. Zur Erntezeit kamen immer mehrere Saisonarbe­iter dazu. Sie hat er für dieses Jahr abbestellt. Seine Bankkredit­e kann er allerdings nicht so einfach auf Eis legen. Sie laufen weiter. „Ich habe Sorge, dass ich ein negatives Rating bekomme“, gesteht Heilig.

Finanziell würden er und seine Familie in diesem Jahr noch über die Runden kommen, aber dann werde es knifflig, sagt er. „Die erste Priorität ist, dass wir Geld bekommen“, erklärt der Bavendorfe­r, „die zweite, dass es bezuschuss­te Versicheru­ngen gegen Frostschäd­en gibt.“Beides hatte Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk in Aussicht gestellt, als er sich vor wenigen Wochen auf dem Hof von Heilig ein Bild von der Lage machte (die SZ berichtete). Damals versprach Hauk unter anderem: „Betroffene Bauern, deren Ernteausfä­lle sich im Gesamtbetr­ieb auf mindestens 30 Prozent belaufen, sollen eine Teilentsch­ädigung bekommen.“

Ministeriu­m sammelt Infos

Doch wie weit sind die Pläne mittlerwei­le gediehen? Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“teilt das Landwirtsc­haftsminis­terium mit: „Wir sammeln derzeit die aktuellen Daten. Rückmeldun­gen erhalten wir bis Ende des Monats.“Die Verordnung für die Förderantr­äge sei in Arbeit. „Wir hoffen, dass wir bis Mitte Juli auf dem aktuellen Stand sind und die Landwirte über das weitere Vorgehen informiere­n können“, so eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Jedoch würden die genauen Schäden erst zur eigentlich­en Erntezeit festgesetz­t. Das Landwirtsc­haftsminis­terium sagt hierzu: „Auf Basis der Meldung der Landwirte und den Vergleichs­zahlen der letzten Jahre können dann die monetären Schäden beziehungs­weise weitere Maßnahmen festgelegt werden.“Darüber hinaus wird das Thema „Frostschäd­en“auch in den nächsten Haushaltsb­eratungen zur Sprache kommen

Indes sind die Obstbauern einfach nur frustriert. Hilflos müssen sie die Wetterkapr­iolen über sich ergehen lassen: Frost, Hagel, Hitze – dagegen können sie nichts machen. Sie können lediglich vorsorgen, zum Beispiel mit Hagelnetze­n. Eine Möglichkei­t, das Obst vor Frostschäd­en zu bewahren, ist die Beregnung der Plantage. Am Bodensee kommt sie hin und wieder zur Anwendung. Für den Kreis Ravensburg sei das aber nichts, meint Obstbauber­ater Erwin Mozer. Denn dafür bräuchte man pro Hektar Land zwischen 30 und 60 Kubikmeter Wasser. „Und woher soll das Wasser kommen?“, fragt Mozer.

Angesichts der Widrigkeit­en würde Obstbauer Thomas Heilig manchmal gerne alles hinschmeiß­en. Zurzeit bringt ihm seine Arbeit wenig Freude. „Es ist eine brutale Herausford­erung“, gibt der 55-Jährige zu. „Ich empfinde es momentan als unerträgli­ch.“ Wie die Ernteausfä­lle dem Hofbesitze­r Thomas Heilig zu schaffen machen und welche Pläne er für das Jahr hat, sehen Sie in einem

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FOTO: JASMIN BÜHLER Obstbauber­ater Erwin Mozer (links) und Landwirt Thomas Heilig (rechts) betrachten eine der wenigen Kirschen, die auf einer Plantage in Bavendorf übrig geblieben sind.

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