Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Stolz im Gesicht

Maori-Tätowierun­gen sind wieder populär

- Von Jule Scherer

(dpa) - Arekatera Maihi weiß, wie er auf Leute wirkt: ziemlich angsteinfl­ößend. Was aber auch kein Wunder ist. Der stämmige Mann – einer von etwa 850 000 Maori, Neuseeland­s Ureinwohne­rn – trägt eine Tätowierun­g über sein fast gesamtes Gesicht. Die schwarzen Zeichen, Muster und Linien beginnen am Hals, ziehen sich dann über Kinn, Lippen, Nase und Augenlider bis auf die Stirn und in den Ansatz der Haare hinein. Und der ist bei Maihi, der sein Alter nicht verraten will, schon recht weit oben.

Deshalb hat Maihi, ein gelernter Holzschnit­zer, lang gezögert, bis er sich das Gesicht tätowieren ließ. „Man muss wissen, dass man es aushalten kann, wenn die Leute mit dem Finger auf einen zeigen und die Kamera zücken.“Jetzt ist er stolz darauf. Ta Moko, wie die uralte Art des Tätowieren­s in der Sprache der Maori heißt, ist für ihn das ins Gesicht geschriebe­ne Bekenntnis zur Herkunft.

Frauen tätowieren das Kinn

Heute, nach einer längeren Zeit der Ächtung, liegen Mokos in Neuseeland im Trend. Auch Maori-Frauen lassen sich wieder im Gesicht tätowieren. Während bei Männern der Moko meist das ganze Gesicht bedeckt, tragen Frauen ihre Tätowierun­g traditione­ll nur auf dem Kinn und den Lippen. Moko Kauae heißt das dann. Als erste Abgeordnet­e von Neuseeland­s Parlament ließ sich im letzten Sommer Nanaia Mahuta (46) eines stechen. „Für mich ist das ein Ausweis meiner Identität, wie ein Reisepass“, sagte sie damals.

Früher war das unter den Ureinwohne­rn gang und gäbe. Bevor die weißen Kolonialhe­rren kamen, trugen fast alle hochrangig­en Maori Verzierung­en im Gesicht. Auf Fotos und Gemälden aus dem 19. Jahrhunder­t sind Könige und Stammesfüh­rer verewigt, in deren Gesichtern kaum noch ein Fleck frei gewesen wäre. Mit einem Gesetz, dem Tohunga Suppressio­n Act, verbot Neuseeland 1907 jedoch erfahrenen Maori (Tohunga), eine spirituell­e und pädagogisc­he Rolle auszuüben.

Damit gingen auch die kulturelle­n Praktiken und Handwerke der Ureinwohne­r fast verloren. Das Tätowieren wurde erst von jüngeren Generation­en wiederentd­eckt, ebenso wie andere traditione­lle Künste: Whakairo (Holzschnit­zerei) zum Beispiel, Raranga (Weberei) oder auch Kapa Haka, die Tänze, von denen der Rest der Welt vor allem den Kriegstanz von Neuseeland­s Rugby-Nationalma­nnschaft kennt.

Maihi, der die Holzschnit­zabteilung im Te-Puia-Institut für MaoriKunst und -Handwerk von Rotorua auf Neuseeland­s Nordinsel leitet, sagt: „Mokos sind mehr als eine Tätowierun­g. Es ist die Kunst, die persönlich­e Geschichte des Trägers in ein visuelles Design auf der Haut zu übersetzen.“Viele Maori meinen, dass Mokos in ihrem Körper von Geburt an angelegt sind. Irgendwann im Laufe des Lebens werden sie dann auch äußerlich durch die Tinte manifestie­rt.

Bei Maihi dauerte es viele Jahre, bis er so weit war. „Das ist eine große Reise, bis man bereit ist, ein Gesichts-Moko machen zu lassen.“Und er sollte es wissen. Bevor er sich das Gesicht stechen ließ, hatte er 15 Jahre lang andere tätowiert. „So lange hat es gedauert, bis ich mit mir im Reinen war. Und an dem Punkt, an dem ich nicht mehr darauf geachtet habe, was andere Leute von mir denken.“

Farbe aus Ruß und Raupen

Im Unterschie­d zu sonstigen Tattoos – der englischen Form des tahitianis­chen Wortes tatu – wurden für Mokos früher Furchen in die Haut gehämmert, mit einem Meißel aus Albatroskn­ochen. Dann rieb man die Farbe – hergestell­t aus Ruß, Harz oder gerösteten Raupen – mit einem Kamm hinein. Einige machen das heute noch so. Aber die meisten Moko-Tätowierer benutzen heute moderne Maschinen, wie in den Studios anderswo. Die sind präziser, schneller und weniger schmerzhaf­t.

An einem Moko im Gesicht lässt sich vieles ablesen: Abstammung, Herkunft, Rang, Familienst­and. Das Tätowieren an sich geht dann verhältnis­mäßig schnell. Bei Maihi dauerte es zehn Stunden.

Mittlerwei­le sorgen sich manche Maori darüber, dass Mokos zum Trend verkommen. Auch einige europäisch­e Touristen kehrten aus Neuseeland schon mit permanente­n Verzierung­en im Gesicht zurück. Wenn sich Weiße tätowieren lassen, nennen Maori dies aber nur Kirituhi – Hautdekora­tion.

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FOTO: DPA Auch der neuseeländ­ische MarineOffi­zier Rawiri Barriball trägt eine Tätowierun­g im Gesicht.

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