Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Glaskasten­konzept

Kanada: Die Stadt Québec hat in einen „Neubau gegen Museumsmüd­igkeit“investiert

- Von Sabine Glaubitz Eine wahrhaft architekto­nische Glanzleist­ung, wie Quellet betonte. Für den Entwurf hatte sich Shohei Shigematsu, der New Yorker Partner des Rotterdame­r Koolhaas-Büros, auch Zeit gelassen. Denn den Wettbewerb hatte Oma bereits 2010 gewo

(dpa) - Das renommiert­e Architekte­nbüro Oma von Rem Koolhaas hat es versproche­n: Das neue Kunstmuseu­m im kanadische­n Québec werde ein Bau gegen Museumsmüd­igkeit sein. An das Verspreche­n hat sich das Office for Metropolit­an Architectu­re Oma gehalten. Seit der Eröffnung des Erweiterun­gsneubaus des Nationalen Museums für Schöne Künste (MNBAQ) vor circa einem Jahr reißt der Besucherst­rom nicht ab. Mit knapp 350 000 Besuchern habe sich die Anzahl mehr als verdoppelt, verkündete begeistert Line Quellet, die Leiterin des Kunstmuseu­ms MNBAQ. Das Konzept sei aufgegange­n, zog die Kunsthisto­rikerin nun Bilanz.

Lichtdurch­flutete Räume

Der rund 80 Millionen Euro teure Bau besteht vor allem aus riesigen Glaskästen, die wie bei einem Stapelspie­l übereinand­ergesetzt sind. Von außen ist die Architektu­r nicht sehr spektakulä­r. Sie wirkt kantig und steht im Kontrast zur angrenzend­en Saint-Dominique, einer gotischen Dominikane­rkirche im britischen Stil. Innen hingegen bringt die Struktur des 15 000 Quadratmet­er großen Neubaus die Besucher in riesige und lichtdurch­flutete Räume, die teilweise stützenfre­i sind.

Architekto­nische Glanzleist­ung

Wie ein Museum gegen Museumsmüd­igkeit aussieht? „Offen, voller Licht und im Alltagsges­chehen der Stadt verankert“, erklärte Quellet. Architekto­nisch umgesetzt sieht das Konzept so aus: ein 14 Meter hohes Atrium, das den Blick frei gibt auf die Grande Allée, die Champs-Elysées von Québec City, und die „Abraham-Ebene“, eine Parkanlage, deren Name an die Schlacht zwischen den französisc­hen und den britischen Truppen, die im Jahr 1759 stattgefun­den hat, erinnert. Hinzu kommen mehrere Terrassen, von denen die oberste einen Ausblick auf den Sankt-LorenzStro­m erlaubt sowie eine spiralförm­ige Freitreppe.

Sonne im Atrium

Das lichtdurch­flutete und in der Vertikale völlig durchlässi­ge Atrium dient als Anlaufstel­le für das ganze Museum. Hier befindet sich der Ticketverk­auf, ein Auditorium, ein Restaurant mit Café und viel Platz für die Vernissage­n mit DJs. Wenn im Winter draußen die Temperatur­en auf bis zu minus 20 Grad fallen, wärmt die Sonne das Atrium und die anderen Räume richtig auf. Sie habe das einzige Museum, in dem man eine Sonnenbril­le tragen müsse, meinte Quellet.

Museumsens­emble

Der Neubau ist Teil eines Museumsens­embles, das aus mehreren Gebäuden besteht: dem 1933 eröffneten Pavillon Gérard Morisset im Neoklassiz­istischen Stil, dem 1991 eingeweiht­en ehemaligen Gefängnis im Neorenaiss­ance-Stil und einem gläsernen Pavillon central, der alle Museen zum Teil durch unterirdis­che Gänge vereint.

Zusammen mit dem Neubau bietet das MNBAQ rund 30 000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche. Die vor einem Jahr eröffnete avantgardi­stische Konstrukti­on ist nach dem kanadische­n Geschäftsm­ann Pierre Lassonde benannt. Dieser Kunstmäzen hat sich großzügig gezeigt und den Neubau nämlich mit mehr als sieben Millionen Euro subvention­iert.

Quellet setzt ihren Kampf gegen Museumsmüd­igkeit fort. Demnächst soll der Pavillon Gérard Morisset wegen Umbauarbei­ten geschlosse­n werden. Die Leiterin will die dunklen Räume aus dem Jahr 1933 öffnen – natürlich für Sonne und mehr Licht.

„Ein Museum muss offen, voller Licht und im Alltagsges­chehen der Stadt verankert sein.“Line Quellet, Leiterin des Kunstmuseu­ms MNBAQ

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FOTOS: DPA Die schwebende Freitreppe im Neubau des Museums für Schöne Künste in Québec ist ein Blickfang.
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Glas dominiert überall: Blick ins lichtdurch­flutete Atrium des neuen Gebäudes.

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