Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Glaskastenkonzept
Kanada: Die Stadt Québec hat in einen „Neubau gegen Museumsmüdigkeit“investiert
(dpa) - Das renommierte Architektenbüro Oma von Rem Koolhaas hat es versprochen: Das neue Kunstmuseum im kanadischen Québec werde ein Bau gegen Museumsmüdigkeit sein. An das Versprechen hat sich das Office for Metropolitan Architecture Oma gehalten. Seit der Eröffnung des Erweiterungsneubaus des Nationalen Museums für Schöne Künste (MNBAQ) vor circa einem Jahr reißt der Besucherstrom nicht ab. Mit knapp 350 000 Besuchern habe sich die Anzahl mehr als verdoppelt, verkündete begeistert Line Quellet, die Leiterin des Kunstmuseums MNBAQ. Das Konzept sei aufgegangen, zog die Kunsthistorikerin nun Bilanz.
Lichtdurchflutete Räume
Der rund 80 Millionen Euro teure Bau besteht vor allem aus riesigen Glaskästen, die wie bei einem Stapelspiel übereinandergesetzt sind. Von außen ist die Architektur nicht sehr spektakulär. Sie wirkt kantig und steht im Kontrast zur angrenzenden Saint-Dominique, einer gotischen Dominikanerkirche im britischen Stil. Innen hingegen bringt die Struktur des 15 000 Quadratmeter großen Neubaus die Besucher in riesige und lichtdurchflutete Räume, die teilweise stützenfrei sind.
Architektonische Glanzleistung
Wie ein Museum gegen Museumsmüdigkeit aussieht? „Offen, voller Licht und im Alltagsgeschehen der Stadt verankert“, erklärte Quellet. Architektonisch umgesetzt sieht das Konzept so aus: ein 14 Meter hohes Atrium, das den Blick frei gibt auf die Grande Allée, die Champs-Elysées von Québec City, und die „Abraham-Ebene“, eine Parkanlage, deren Name an die Schlacht zwischen den französischen und den britischen Truppen, die im Jahr 1759 stattgefunden hat, erinnert. Hinzu kommen mehrere Terrassen, von denen die oberste einen Ausblick auf den Sankt-LorenzStrom erlaubt sowie eine spiralförmige Freitreppe.
Sonne im Atrium
Das lichtdurchflutete und in der Vertikale völlig durchlässige Atrium dient als Anlaufstelle für das ganze Museum. Hier befindet sich der Ticketverkauf, ein Auditorium, ein Restaurant mit Café und viel Platz für die Vernissagen mit DJs. Wenn im Winter draußen die Temperaturen auf bis zu minus 20 Grad fallen, wärmt die Sonne das Atrium und die anderen Räume richtig auf. Sie habe das einzige Museum, in dem man eine Sonnenbrille tragen müsse, meinte Quellet.
Museumsensemble
Der Neubau ist Teil eines Museumsensembles, das aus mehreren Gebäuden besteht: dem 1933 eröffneten Pavillon Gérard Morisset im Neoklassizistischen Stil, dem 1991 eingeweihten ehemaligen Gefängnis im Neorenaissance-Stil und einem gläsernen Pavillon central, der alle Museen zum Teil durch unterirdische Gänge vereint.
Zusammen mit dem Neubau bietet das MNBAQ rund 30 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die vor einem Jahr eröffnete avantgardistische Konstruktion ist nach dem kanadischen Geschäftsmann Pierre Lassonde benannt. Dieser Kunstmäzen hat sich großzügig gezeigt und den Neubau nämlich mit mehr als sieben Millionen Euro subventioniert.
Quellet setzt ihren Kampf gegen Museumsmüdigkeit fort. Demnächst soll der Pavillon Gérard Morisset wegen Umbauarbeiten geschlossen werden. Die Leiterin will die dunklen Räume aus dem Jahr 1933 öffnen – natürlich für Sonne und mehr Licht.
„Ein Museum muss offen, voller Licht und im Alltagsgeschehen der Stadt verankert sein.“Line Quellet, Leiterin des Kunstmuseums MNBAQ