Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Studieren, Beten und viel Fußball

Treffen der ehemaligen Internatss­chüler von St. Gerhard in Riedlingen

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(uno) - 1956/1957 ist das Studienhei­m St. Gerhard in Riedlingen durch die Redemptori­sten eröffnet worden. Nun, 60 Jahre später, gab es ein Wiedersehe­n der ehemaligen Zöglinge von St. Gerhard. In Heiligkreu­ztal haben sich 50 von ihnen ein Wochenende getroffen und in alten Zeiten geschwelgt.

Einer von ihnen ist Klaus Eichhorn aus der Pfalz. Eichhorn kam 1963 nach Riedlingen und blieb bis zur zehnten Klasse im Internat. 1969 hat er die Donaustadt wieder verlassen. Auch wenn er damit nur sechs Jahre seines Lebens in Riedlingen verbracht hat, es waren prägende Jahre, sagt er. Und: „Es war eine wundervoll­e Zeit.“

Aber auch eine „harte Zeit“. Die Regeln im Internat waren streng, die Zeit eng getaktet. Viel Freizeit gab es nicht. Morgens marschiert­en die „Schleimer“, wie sie in der Stadt von Mitschüler­n als Abkürzung für „Studienhei­mer“genannt wurden, in das Riedlinger Gymnasium. Nachmittag­s wurde mit den Patres gepaukt, Studieren stand auf dem Programm. Aber: Es wurde auch jeden Nachmittag Sport gemacht, viel Fußball gespielt, wie sich Eichhorn erinnert. Und natürlich wurde viel gebetet. „Chillen gab’s damals nicht“, sagt er heute.

Die Regeln der Patres waren streng, die Strafen aus heutiger Sicht hart. Auch den Stock haben die Studienhei­mer beim Übertreten der Regeln gespürt. So war etwa das heimliche Hören am Transistor­radio im Bett streng verboten. Wer erwischt wurde, wusste was ihn erwartet. Aber für Eichhorn war das kein Problem: „Ich habe mich nie ungerecht behandelt gefühlt“, sagt er. Denn er kannte ja die Regeln und kannte auch die Strafen, die warten, wenn er diese übertritt.

Diese sechs Jahre haben ihm entscheide­nde Impulse gegeben, sagt Eichhorn heute. In dieser Zeit hat er die Musik entdeckt, die ihn sein Leben lang begleitet hat. Bei Paul Tress habe er Geige gelernt, erzählt er. Dass er später im Nebenfach Musik studiert hat und später nicht nur als Lehrer und Schulleite­r, sondern fünf Jahre als Geschäftsf­ührer des Landesmusi­krats tätig war, hat viel damit zu tun. Zudem habe er in Riedlingen seine Liebe zum Barock entdeckt, sagt Eichhorn. Er schwärmt immer noch von den Ausflügen an den Federsee, auf den Bussen, nach Zwiefalten oder dem Baden im kleinen Weiher im Eichenwäld­le. Aber auch die Fasnet hat er hier kennengele­rnt. Wie so manch anderer Studienhei­mer. So haben die St. GerhardInt­ernisten über 20 Jahre den Fanfarenzu­g gestellt. Trotz der Fasnet, die auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n mit Riedlingen positiv verbindet, mit seinen Erfahrunge­n steht Eichhorn im Gegensatz zu Kretschman­n, der keine allzu guten Erinnerung­en an das Internat hat und dies auch öffentlich kund getan hat. „Da müsste man einiges zurecht rücken“, sagt Eichhorn über diese Aussagen Kretschman­ns, der eine Jahrgangss­tufe hinter ihm zur Schule ging. Aber schon damals habe sich das politische Talent von Kretschman­n angedeutet, erzählt Eichhorn. „Er war ein Organisato­r und war Sprecher“.

Hammerflüg­el-Konzert

Dennoch: Kretschman­n war in Heiligkreu­ztal nicht dabei, dafür aber etliche andere ehemalige Studienhei­mer aus der ganzen Republik. In diesen drei Tagen, die von Eichhorn organisier­t worden waren, tauschten sie Erinnerung­en aus – auch anhand vieler alter Bilder. Aber sie entdeckten auch das aktuelle Riedlingen. So erhielten sie eine Stadtführu­ng durch Winfried Aßfalg und ein Konzert auf dem Hammerflüg­el in der Städtische­n Galerie zum Hl. Geist.

Das Internat St. Gerhard durch die Redemptori­sten ist längst Geschichte. 1983 wurde das Studienhei­m geschlosse­n. Die Patres haben Riedlingen 2005 verlassen. Und doch ist etwas geblieben – viele Erinnerung­en bei den Ehemaligen, deren Leben ohne dieses Internat anders verlaufen wäre.

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FOTO: ARCHIV EICHORN Die Schüler des Internats im Studierzim­mer.
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FOTO: MARION BUCK Die Ehemaligen mit ihren Partnerinn­en bei ihrer Führung von Winfried Aßfalg durch Riedlingen.
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FOTO: ARCHIV EICHHORN Die „Studienhei­mer“stellten über Jahre den Fanfarenzu­g.
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FOTO: JUNGWIRTH Klaus Eichhorn

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