Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Leben wie in einer großen Familie
Nach einem Jahr hat sich das Leben in der Senioren-WG im Schlosshof gut eingespielt
- Vor genau einem Jahr ist die erste Bewohnerin in die Wohngemeinschaft im Uttenweiler Schlosshof eingezogen. Eine wahre Pionierin – denn dieses ungewöhnliche Wohnkonzept für demenziell veränderte und pflegebedürftige Menschen, die in einer familiären Wohngruppe so selbstbestimmt wie möglich ihr Zusammenleben gestalten, besitzt tatsächlich Modellcharakter. Doch ist das Konzept aufgegangen? Haben sich die hohen Erwartungen erfüllt? Ein Besuch in der Uttenweiler Senioren-WG.
Mit flinken Fingern legt Theresia Rosenkranz die Hemdchen zusammen, faltet Geschirrtücher auf Kante und streicht mit der Handfläche noch kurz über den Stoff, bevor Wäschestück für Wäschestück auf dem ordentlichen Stapel landet. Ruckzuck geht das. Die Bewegungen sitzen. Noch immer. Und auch wenn das Gedächtnis nachgelassen hat, wissen die Hände ganz genau, was sie hier tun.
Theresia Rosenkranz ist die Wäscheexpertin der Senioren-WG. Jeder der insgesamt acht Bewohner übernehme eine andere Aufgabe, erklärt Saskia Dietz, von Seiten der Gemeinde Ansprechpartnerin für den Schlosshof. Vom Einkaufen bis zum Bügeln. Eben das, was noch geht, was den Fähigkeiten und Möglichkeiten entspricht. So bringen sich alle ein – und erfahren, wie ihr Beitrag wertgeschätzt wird. „Die Leute freuen sich einfach, wenn sie helfen können“, hat Dietz beobachtet.
So selbstbestimmt wie möglich
Was nicht mehr geht, das übernehmen die Alltagsbetreuer der Bürgergemeinschaft Schlosshof. Ein ambulanter Pflegedienst, St. Paul Mobil, ist für die fachpflegerischen Aufgaben zuständig. Das Besondere: Sowohl Alltagsbetreuer als auch Pflegedienst wählen die Bewohner oder ihre gesetzlichen Vertreter, die sich in einem Bewohnergremium zusammenschließen, selbst aus. Auf diese Weise können sie – so der Grundgedanke – gemeinsam, unterstützt und so selbstbestimmt wie möglich in der SeniorenWG ihren Lebensabend verbringen.
Doch ist dieses Konzept aufgegangen? Bürgermeister Werner Binder beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja: „Das letzte Jahr ist aus unserer Sicht sehr erfolgreich verlaufen.“Trotz gewissem Risiko. Die Gemeinde hat den denkmalgeschützten Gebäudekomplex für über sieben Millionen Euro umgebaut und tritt in dem Wohnmodell als Vermieter auf. Als erste Mieterin zog die örtliche Arztpraxis Dr. Vasile Bonto ein, die sich am neuen Standort gut etabliert hat. Auch die neun Wohnungen des sogenannten Service-Wohnens – ebenfalls Teil des Schlosshof-Konzepts – seien mittlerweile alle vermietet, berichtet Binder. Und das „Herzstück“, die auf elf Personen ausgelegte WG, werde ebenfalls angenommen und sei mit acht Bewohnern gut belegt.
„Damit arbeiten wir mittlerweile kostendeckend“, ergänzt Hans Blersch, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Schlosshof. Der gemeinnützige Verein wolle zwar nichts an dem Wohnangebot verdienen. Als Arbeitgeber mit 300 000 Euro Personalkosten jährlich sei es dennoch wichtig, keine roten Zahlen zu schreiben. Auch wenn die Gemeinde, wie Blersch dankend erwähnt, eine Abmangelgarantie übernommen hat.
Allerdings, räumt Blersch ein, habe es durchaus gewisse Anlaufschwierigkeiten gegeben. Die Uttenweiler Senioren-WG ist im Landkreis die erste ihrer Art, ein Prototyp, und besitzt auch über die Region hinaus Modellcharakter. Vorbilder für die Umsetzung der komplexen rechtlichen Vorgaben gibt es keine. Manche Problematik, die sich im laufenden Betrieb ergeben habe, sei den Ehrenamtlichen vorher so nicht bekannt gewesen. Etwa, dass die Medikamente der WG-Senioren nicht, wie vom Bewohnergremium gewünscht, zentral aufbewahrt werden dürfen. „Man sollte Leute, die ein Ehrenamt nicht im Regen stehen lassen“, so Blersch.
Nichtsdestotrotz ist der Vorsitzende der Bürgergemeinschaft von dem Konzept überzeugt. „Die Bewohner kochen zusammen, essen zusammen – das wirkt der sozialen Verarmung entgegen.“Die familiäre Atmosphäre, die so entstanden ist, sei bei Besuchen in der WG greifbar, findet Blersch. „Letztendlich wollen wir den Bewohnern den Eindruck geben: Wir haben es hier so schön wie wenn wir daheim wären.“