Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Buch gegen das Vergessen
ZfP Südwürttemberg und Stadt Ravensburg bringen Publikation „Vergangen? Spurensuche und Erinnerungsarbeit“über die Euthanasie-Morde auf den Weg
(sz) - Zum zehnten Jahrestag des Denkmals der Grauen Busse für die Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde im Zweiten Weltkrieg erscheint eine neue Publikation. Das Buch „Vergangen? Spurensuche und Erinnerungsarbeit – Das Denkmal der Grauen Busse“wurde am 26. Juni im Ravensburger Rathaus von den Herausgebern und Künstlern vorgestellt. Dies teilt das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in einer Pressemitteilung mit.
Das zweiteilige Denkmal der Grauen Busse der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz entstand demnach als Mahnmal für die Opfer der „T4“-Aktion, bei der während des Zweiten Weltkrieges Tausende psychisch kranke Menschen sowie geistig und körperlich Behinderte systematisch ermordet wurden. Jeweils 75 Tonnen schwer, zeigt das Denkmal die Busse, in denen die Patientinnen und Patienten damals in Tötungsanstalten gebracht wurden. Einer der mittig geteilten Busse verschließt die Alte Pforte der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Weißenau. Der zweite, mobile Bus hat bereits über 6000 Kilometer durch verschiedene Städte in Deutschland und Polen zurückgelegt und fordert dort zur Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen auf.
Die Publikation ist laut Mitteilung Teil der Erinnerungskultur, die diese Zeit der deutschen Vergangenheit aufarbeitet. Das ZfP Südwürttemberg und die Stadt Ravensburg, die zusammen mit dem Landschaftsverband Rheinland diese Publikation auf den Weg gebracht haben, stellen sich dieser Herausforderung unter verschiedenen Blickwinkeln: So wird sowohl das „Wie“als auch das „Was“der Erinnerung in zahlreichen Aufsätzen thematisiert. Kann Kunst die Euthanasie-Verbrechen überhaupt adäquat darstellen? Was können Denkmale sichtbar machen? Wie kann man an etwas erinnern, das nie vergessen werden darf, wozu es aber immer weniger Zeitzeugen gibt? Diesen Fragen der Erinnerungskultur widmen sich vorwiegend die Aufsätze von Aleida Assmann, Franz Schwarzbauer, Stefanie Endlich sowie James E. Young.
Ebenso wichtig ist die historische Perspektive: Wie stellt man sich der eigenen Vergangenheit? Welche Sachverhalte und Akten sind bisher erforscht und welche noch verschlossen? Diesem Komplex gehen Susanne C. Knittel, Thomas Müller und Paul-Otto Schmidt-Michel in ihren Beiträgen nach.
„Bus-Fenster-Zeichnungen“
Trotz dieser großen Fragen verschwinden die Einzelschicksale nicht hinter den theoretischen Reflexionen. Mit den „Bus-Fenster-Zeichnungen“ von Hoheisel, die der Publikation beigefügt sind, bekommen die deportierten Menschen, den Augen der Außenstehenden durch gekalkte Busfensterscheiben entzogen, ein Gesicht. Briefe von Angehörigen, die nichts vom Abtransport ihrer Familienangehörigen in die Tötungsanstalt Grafeneck wussten, zeugen von deren Verzweiflung und Ungewissheit, wie ein weiterer Beitrag von Paul-Otto Schmidt-Michel eindrucksvoll belegt, heißt es in der Pressemitteilung. Das „Vergangen? Spurensuche und Erinnerungsarbeit – Das Denkmal der Grauen Busse“kostet 15,90 Euro. Hrsg. von Thomas Müller, Paul-Otto SchmidtMichel und Franz Schwarzbauer; Verlag: Psychiatrie und Geschichte, Zwiefalten; ISBN: 978-3931200-25-1.