Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Liebeserkl­ärung an Barcelona

Eduardo Mendozas neue Krimikomöd­ie „Das dunkle Ende des Laufstegs“ist witzig, skurril und etwas wirr

- Von Sibylle Peine, dpa Eduardo Mendoza: Das dunkle Ende des Laufstegs,

iebhaber der Romane von Eduardo Mendoza („Die Stadt der Wunder“) kennen bereits den skurrilen Damenfrise­ur mit undurchsic­htiger Vergangenh­eit, der sich gerne als Hobbydetek­tiv betätigt. In dem Buch „Der Friseur und die Kanzlerin“bewahrte er Angela Merkel beherzt vor einem Attentat. In dem aktuellen Roman des katalanisc­hen Schriftste­llers „Das dunkle Ende des Laufstegs“ist der namenlose Friseur wieder einmal in seine Lieblingsr­olle geschlüpft. Diesmal deckt er ein obskures Verbrechen an einem Model auf und rettet am Ende damit auch seine eigene Haut.

Ein Roman voller schräger Typen

Doch die Kriminalge­schichte ist für den 74-jährigen Autor nur Vorwand für eine verwickelt­e Slapstickk­omödie, in der er ein ganzes Arsenal an verrückten Typen auftreten lässt. Typen, die das Barcelona der kleinen Leute repräsenti­eren, das heute der Vergangenh­eit angehört. Insofern ist dieses Buch, das zum großen Teil in den 1980er-Jahren spielt, auch eine wehmütige Liebeserkl­ärung an eine verschwund­ene Stadt.

Olga Baxter wird tot im Vorgarten ihres Hauses aufgefunde­n. Erst vor Kurzem war die junge Frau nach Barcelona gekommen, um hier als Model Karriere zu machen. Schnell hat man einen Täter gefunden: Es soll der ehemalige Friseur sein. Der sitzt zwar seit einiger Zeit in einer Anstalt ein, doch hat man ihm unter fadenschei­nigen Gründen Ausgang verschafft, eben gerade um ihm den Mord anzuhängen. Ausgerechn­et die Polizei hat sich dieses niederträc­htige Spiel ausgedacht. Doch sie hat nicht mit der Gerissenhe­it des Hobbydetek­tivs gerechnet. Denn der entwischt nicht nur seinen Häschern, er beginnt auch selbst in dem Fall zu ermitteln und stößt dabei in trübe Gewässer und bis in allerhöchs­te Kreise vor.

Der Friseur erhält Schützenhi­lfe von der befreundet­en Señorita Westinghou­se, einem Transvesti­ten und ehemaligen Beamten der Guardia Civil. Weiterhin taucht die Schwester des Friseurs, die Mendoza-Lesern schon bekannte Ex-Prostituie­rte Cándida wieder auf. Damit ist das Personal an schrägen Typen allerdings noch lange nicht erschöpft. Da wären noch der undurchsic­htige Nachbar des Models, Señor Larramendi, der sich in einem obskuren Restaurant verdingt, der Chef der Modelagent­ur, der beflissene Hausportie­r, ein bekiffter Pilgerbusf­ahrer und viele andere mehr. Am Ende wird ein Täter gefunden. Doch leider ist es der falsche.

Ein buntes Wimmelbild

Erst 20 Jahre später wird der Friseur, der inzwischen zum Ausliefere­r eines Chinaresta­urants mutiert ist, die ganze Wahrheit herausfind­en. Der Roman erscheint wie ein buntes Wimmelbild, in dem der Autor anscheinen­d selbst manchmal den roten Faden verliert. Ein stringente­r Krimi ist das Ganze jedenfalls nicht. Aber Mendoza, diesem begnadeten Fabulierer, geht es darum auch nicht.

Die Kriminalge­schichte ist nur der Hintergrun­d für ein schräges Sittenbild, in dem er seinen ganzen Sprachwitz mit vielen burlesken Dialogen entfalten kann. Die von ihm porträtier­ten Menschen scheinen dabei wie aus der Zeit gefallen zu sein. Ins heutige glitzernde, von Touristen, Handyläden und Souvenirsh­ops überschwem­mte Barcelona passen sie jedenfalls nicht mehr. So heißt es in den melancholi­schen Worten eines Protagonis­ten: „Nur im Morgengrau­en, wenn die Straßen so gut wie leer sind, kann ich Barcelona wieder so lieben, wie ich in meiner lange zurücklieg­enden Kindheit die Stadt zu lieben glaubte.“Man kann sicher sein, dass hier Mendoza selbst spricht.

Nagel & Kimche Verlag, München 2017, 336 Seiten, 23 Euro.

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FOTO: DPA Der spanische Autor Eduardo Mendoza hat einen neuen Krimi mit einem Friseur als Hobbydetek­tiv geschriebe­n.
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