Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Glühende Käferdamen suchen Verehrer
Im Juli ist Glühwürmchen-Zeit am Federsee – Chemische Reaktion ist Ursache für das Leuchten
BAD BUCHAU - Aufgrund der naturschonenden Bewirtschaftung der Riedwiesen rund um den Federsee kann man hier noch andernorts selten gewordene Tiere und Pflanzen entdecken. Das Glühwürmchen gehört zu diesen Raritäten. Die nächsten zwei Wochen über kann man es am Federsee treffen.
„Wer schon längere Zeit kein Glühwürmchen mehr gesehen hat, dem bietet ein stimmungsvoller Abendspaziergang durch das Federseemoor die ideale Gelegenheit. Nach Einbruch der Dämmerung stehen jetzt im Juli die Chancen am besten“, empfiehlt Jost Einstein, der Leiter des NABU-Naturschutzzentrums Federsee in Bad Buchau. „Achten Sie am Wegesrand auf grüne Leuchtpunkte, zum Beispiel entlang des Wegs Richtung Banngebiet Staudacher oder zu Beginn des Federseestegs.“
Weil die Wiesen rund um den Federsee erst spät im Jahr gemäht werden, ist die hohe Vegetation ein ideales Versteck für zahlreiche Insekten – und unter ihnen Glühwürmchen. Denn Glühwürmchen sind keine Würmer. Bei den leuchtenden Tierchen handelt es sich um Insekten, und zwar um die Weibchen der heimischen Leuchtkäfer. Einstein präzisiert: „Nur die Männchen sehen aus wie normale Käfer. Bei der am Federsee vorkommenden Leuchtkäferart Lampyris notciluca gleichen die Weibchen auch erwachsen noch den flügellosen Larven und können nicht fliegen.“Sie sitzen versteckt zwischen den hohen Stauden der Streuwiesen und sind darauf angewiesen, dass die Männchen sie besuchen kommen – deshalb leuchten sie ihren Verehrern den Weg.
Und so fliegt ein heiratswilliges Männchen auf Brautschau im Laufe eines Abends etwa einen Kilometer umher. Immer Ausschau haltend nach dem Signal einer geneigten Dame: der grünen Laterne. „Daher sind, neben einer zu intensiven Landschaftsnutzung künstliche Lichtquellen mitverantwortlich, dass Leuchtkäfer selten geworden sind. Die Männchen können die schwach leuchtenden Weibchen nicht mehr entdecken“, weiß Einstein.
Die weiblichen Glühwürmchen erzeugen das neongrüne Dauerlicht mit Hilfe spezieller Leuchtstoffe, die sie in Kammern in ihrem Hinterleib beherbergen. Hier findet eine chemische Reaktion statt, bei der mit Hilfe eines Enzyms der Leuchtstoff gespalten wird. Einstein erklärt: „Bei der Oxidation des Luciferins werden etwa 95 Prozent der frei werdenden Energie als Licht abgestrahlt – ein Wirkungsgrad, von dem Ingenieure nur träumen können. Bei einer herkömmlichen Glühbirne wird dagegen die meiste Energie nutzlos als Wärme abgegeben – sie wird heiß.“Die Leuchtkäferdamen lässt ihr eigenes Licht also völlig kalt – nicht so die Männchen, die die Signale als eindeutiges Angebot interpretieren. Sind sie am Ziel, hat sich ihr Lebenszweck erfüllt. Nur wenige Tage nach der Paarung sterben sie, nachdem sie als erwachsene Tiere nur von Luft und Liebe gelebt haben. „Wie gut, dass wenigstens die Larven im Lauf ihrer bis zu dreijährigen Entwicklung sehr gefräßig sind und jede Menge Schnecken fressen, sogar Nacktschnecken!“, sagt Einstein und schmunzelt.