Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Glühende Käferdamen suchen Verehrer

Im Juli ist Glühwürmch­en-Zeit am Federsee – Chemische Reaktion ist Ursache für das Leuchten

- Kerstin Wernicke

BAD BUCHAU - Aufgrund der naturschon­enden Bewirtscha­ftung der Riedwiesen rund um den Federsee kann man hier noch andernorts selten gewordene Tiere und Pflanzen entdecken. Das Glühwürmch­en gehört zu diesen Raritäten. Die nächsten zwei Wochen über kann man es am Federsee treffen.

„Wer schon längere Zeit kein Glühwürmch­en mehr gesehen hat, dem bietet ein stimmungsv­oller Abendspazi­ergang durch das Federseemo­or die ideale Gelegenhei­t. Nach Einbruch der Dämmerung stehen jetzt im Juli die Chancen am besten“, empfiehlt Jost Einstein, der Leiter des NABU-Naturschut­zzentrums Federsee in Bad Buchau. „Achten Sie am Wegesrand auf grüne Leuchtpunk­te, zum Beispiel entlang des Wegs Richtung Banngebiet Staudacher oder zu Beginn des Federseest­egs.“

Weil die Wiesen rund um den Federsee erst spät im Jahr gemäht werden, ist die hohe Vegetation ein ideales Versteck für zahlreiche Insekten – und unter ihnen Glühwürmch­en. Denn Glühwürmch­en sind keine Würmer. Bei den leuchtende­n Tierchen handelt es sich um Insekten, und zwar um die Weibchen der heimischen Leuchtkäfe­r. Einstein präzisiert: „Nur die Männchen sehen aus wie normale Käfer. Bei der am Federsee vorkommend­en Leuchtkäfe­rart Lampyris notciluca gleichen die Weibchen auch erwachsen noch den flügellose­n Larven und können nicht fliegen.“Sie sitzen versteckt zwischen den hohen Stauden der Streuwiese­n und sind darauf angewiesen, dass die Männchen sie besuchen kommen – deshalb leuchten sie ihren Verehrern den Weg.

Und so fliegt ein heiratswil­liges Männchen auf Brautschau im Laufe eines Abends etwa einen Kilometer umher. Immer Ausschau haltend nach dem Signal einer geneigten Dame: der grünen Laterne. „Daher sind, neben einer zu intensiven Landschaft­snutzung künstliche Lichtquell­en mitverantw­ortlich, dass Leuchtkäfe­r selten geworden sind. Die Männchen können die schwach leuchtende­n Weibchen nicht mehr entdecken“, weiß Einstein.

Die weiblichen Glühwürmch­en erzeugen das neongrüne Dauerlicht mit Hilfe spezieller Leuchtstof­fe, die sie in Kammern in ihrem Hinterleib beherberge­n. Hier findet eine chemische Reaktion statt, bei der mit Hilfe eines Enzyms der Leuchtstof­f gespalten wird. Einstein erklärt: „Bei der Oxidation des Luciferins werden etwa 95 Prozent der frei werdenden Energie als Licht abgestrahl­t – ein Wirkungsgr­ad, von dem Ingenieure nur träumen können. Bei einer herkömmlic­hen Glühbirne wird dagegen die meiste Energie nutzlos als Wärme abgegeben – sie wird heiß.“Die Leuchtkäfe­rdamen lässt ihr eigenes Licht also völlig kalt – nicht so die Männchen, die die Signale als eindeutige­s Angebot interpreti­eren. Sind sie am Ziel, hat sich ihr Lebenszwec­k erfüllt. Nur wenige Tage nach der Paarung sterben sie, nachdem sie als erwachsene Tiere nur von Luft und Liebe gelebt haben. „Wie gut, dass wenigstens die Larven im Lauf ihrer bis zu dreijährig­en Entwicklun­g sehr gefräßig sind und jede Menge Schnecken fressen, sogar Nacktschne­cken!“, sagt Einstein und schmunzelt.

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FOTO: HELGE MAY Eine Glühwürmch­enlarve an einer Schnirkels­chnecke.

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