Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Soll ich mir beide Beine amputieren?“

Konrad Günter wünscht sich einen Behinderte­nparkauswe­is – Streit mit dem Landratsam­t

- Von Patrick Laabs

- Konrad Günter erinnert sich mit Wehmut an die Zeit zurück, als seine Beine und Füße noch so konnten, wie er es wollte. Ein Hobbypilot war er damals, immer wenn es sich einrichten ließ, stieg er in seinen Motorsegle­r und sah sich die Welt von oben an. Das war sein Leben. Dem 67-Jährigen aus Ablach kommen Tränen, wenn er daran zurückdenk­t. Sein letzter Flug liegt mittlerwei­le einige Jahre zurück.

Vor rund sieben Jahren stellten die Ärzte bei ihm einen Tumor im Kopf fest. Nach der erfolgten Operation schien alles wieder gut zu werden, doch nach einigen Monaten beendete eine Hirnblutun­g schlagarti­g die Hoffnung auf schnelle Besserung. Günter war dauerhaft schwindeli­g, zwei Monate lang schuftete er in einer Rehaklinik. In den vergangene­n Jahren wurde seine körperlich­e Verfassung immer schlechter, heute hat er erhebliche Probleme beim Gehen. Im Haus kann er sich mithilfe von Gehhilfen halbwegs sicher bewegen, draußen benötigt er aber grundsätzl­ich einen Rollstuhl. Das Auto kann er wegen seiner Behinderun­g nicht mehr fahren. Wenn seine Frau Gerda ihn zu Terminen in die Stadt fährt, müssen sie dennoch oft weite Wege in Kauf nehmen. Der Grund: Konrad Günter besitzt nur einen Behinderte­nausweis, aber keinen Behinderte­nparkauswe­is. Den verwehrt ihm das Landratsam­t Sigmaringe­n. Durch die Berichters­tattung in der „Schwäbisch­en Zeitung“über den Mengener Walter Schmid, der wegen des gleichen Problems ebenfalls im Clinch mit dem Landratsam­t liegt, fühlt sich Günter ermuntert, seine Geschichte auch zu erzählen – in der Hoffnung, dass das Landratsam­t nachgiebig­er werde im Ausstellen der sogenannte­n „außergewöh­nlichen Gehbehinde­rung“, die Voraussetz­ung für einen Behinderte­nparkauswe­is ist.

Gerda Günter hat kein Verständni­s für die Haltung im Landratsam­t: „Die haben doch gar nichts davon, wenn sie die Parkauswei­se nicht ausstellen. Die kosten keinen Cent“, sagt sie. Niemandem würde es wehtun, wenn es noch ein paar mehr solcher Ausweise gebe.

Konrad Günter klagt gegen das Landratsam­t, am 22. August wird sein Fall vor dem Konstanzer Sozialgeri­cht verhandelt. Günters Problem ist, dass Gutachten zweier Ärzte ihm keine „außergewöh­nliche Gehbehinde­rung“attestiere­n. Günters Verständni­s dafür ist begrenzt: „Was soll ich denn machen? Mir beide Beine amputieren?“Für das Landratsam­t ist bei der Beurteilun­g, ob jemand berechtigt ist, einen Behinderte­nparkauswe­is zu bekommen, das neunte Sozialgese­tzbuch in Verbindung mit dem Straßenver­kehrsgeset­z die Rechtsgrun­dlage, teilt Pressespre­cherin Sabine Stark auf Nachfrage mit. Im Gesetzeste­xt heißt es: „Als schwerbehi­nderte Menschen mit außergewöh­nlicher Gehbehinde­rung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe außerhalb ihres Kraftfahrz­euges bewegen können.“Hierzu zählen beispielsw­eise Querschnit­tsgelähmte, doppelober­schenkelam­putierte oder auch einseitig oberschenk­elamputier­te Menschen, die dauernd außerstand­e sind, ein Kunstbein zu tragen.

Was zunächst schlecht für Günter klingt, wird aber durch einen weiteren Passus relativier­t. So kann ein Behinderte­nparkauswe­is ausgestell­t werden, wenn „schwerbehi­nderte Menschen, die nach versorgung­särztliche­r Feststellu­ng, auch aufgrund von Erkrankung­en, dem vorstehend angeführte­n Personenkr­eis gleichzust­ellen sind“. Umso frustriert­er ist Günter, dass zwei Ärzte in ihren Gutachten nicht zu dem Schluss kommen, dass Günter eine „außergewöh­nliche Gehbehinde­rung“habe. Sollte das Sozialgeri­cht am 22. August gegen Günter entscheide­n, ist eines gewiss: Der 67Jährige wird weiterkämp­fen. Das Landratsam­t kann sich aus Datenschut­zgründen nicht zu dem Fall äußern.

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FOTO: PATRICK LAABS Konrad Günter kämpft verzweifel­t um die Anerkennun­g einer außergewöh­nlichen Gehbehinde­rung.

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