Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Soll ich mir beide Beine amputieren?“
Konrad Günter wünscht sich einen Behindertenparkausweis – Streit mit dem Landratsamt
- Konrad Günter erinnert sich mit Wehmut an die Zeit zurück, als seine Beine und Füße noch so konnten, wie er es wollte. Ein Hobbypilot war er damals, immer wenn es sich einrichten ließ, stieg er in seinen Motorsegler und sah sich die Welt von oben an. Das war sein Leben. Dem 67-Jährigen aus Ablach kommen Tränen, wenn er daran zurückdenkt. Sein letzter Flug liegt mittlerweile einige Jahre zurück.
Vor rund sieben Jahren stellten die Ärzte bei ihm einen Tumor im Kopf fest. Nach der erfolgten Operation schien alles wieder gut zu werden, doch nach einigen Monaten beendete eine Hirnblutung schlagartig die Hoffnung auf schnelle Besserung. Günter war dauerhaft schwindelig, zwei Monate lang schuftete er in einer Rehaklinik. In den vergangenen Jahren wurde seine körperliche Verfassung immer schlechter, heute hat er erhebliche Probleme beim Gehen. Im Haus kann er sich mithilfe von Gehhilfen halbwegs sicher bewegen, draußen benötigt er aber grundsätzlich einen Rollstuhl. Das Auto kann er wegen seiner Behinderung nicht mehr fahren. Wenn seine Frau Gerda ihn zu Terminen in die Stadt fährt, müssen sie dennoch oft weite Wege in Kauf nehmen. Der Grund: Konrad Günter besitzt nur einen Behindertenausweis, aber keinen Behindertenparkausweis. Den verwehrt ihm das Landratsamt Sigmaringen. Durch die Berichterstattung in der „Schwäbischen Zeitung“über den Mengener Walter Schmid, der wegen des gleichen Problems ebenfalls im Clinch mit dem Landratsamt liegt, fühlt sich Günter ermuntert, seine Geschichte auch zu erzählen – in der Hoffnung, dass das Landratsamt nachgiebiger werde im Ausstellen der sogenannten „außergewöhnlichen Gehbehinderung“, die Voraussetzung für einen Behindertenparkausweis ist.
Gerda Günter hat kein Verständnis für die Haltung im Landratsamt: „Die haben doch gar nichts davon, wenn sie die Parkausweise nicht ausstellen. Die kosten keinen Cent“, sagt sie. Niemandem würde es wehtun, wenn es noch ein paar mehr solcher Ausweise gebe.
Konrad Günter klagt gegen das Landratsamt, am 22. August wird sein Fall vor dem Konstanzer Sozialgericht verhandelt. Günters Problem ist, dass Gutachten zweier Ärzte ihm keine „außergewöhnliche Gehbehinderung“attestieren. Günters Verständnis dafür ist begrenzt: „Was soll ich denn machen? Mir beide Beine amputieren?“Für das Landratsamt ist bei der Beurteilung, ob jemand berechtigt ist, einen Behindertenparkausweis zu bekommen, das neunte Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Straßenverkehrsgesetz die Rechtsgrundlage, teilt Pressesprecherin Sabine Stark auf Nachfrage mit. Im Gesetzestext heißt es: „Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.“Hierzu zählen beispielsweise Querschnittsgelähmte, doppeloberschenkelamputierte oder auch einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen.
Was zunächst schlecht für Günter klingt, wird aber durch einen weiteren Passus relativiert. So kann ein Behindertenparkausweis ausgestellt werden, wenn „schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind“. Umso frustrierter ist Günter, dass zwei Ärzte in ihren Gutachten nicht zu dem Schluss kommen, dass Günter eine „außergewöhnliche Gehbehinderung“habe. Sollte das Sozialgericht am 22. August gegen Günter entscheiden, ist eines gewiss: Der 67Jährige wird weiterkämpfen. Das Landratsamt kann sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem Fall äußern.