Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

So klappt die Rückkehr hinters Steuer

Viele Menschen machen jahrelang Fahrpause – trotz Führersche­in

- Von Claudius Lüder

(dpa) - Führersche­in mit 20, dann die frühe Heirat mit Familiengr­ündung und hinter dem Steuer des Familienau­tos saß stets der Ehemann. „Das ist früher der Klassiker gewesen“, sagt Gerhard von Bressensdo­rf von der Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände (BVF). Deshalb kehren vor allem ältere Führersche­ininhaberi­nnen nach einer längeren Auszeit wieder in den Straßenver­kehr zurück, erklärt der Experte.

„Wollen oder müssen Frauen – und übrigens genauso auch Männer – dann wieder selbst Autofahren, fangen sie oftmals fast bei null an“, sagt der Fahrlehrer, „viele sind nie richtig gefahren, die haben es besonders schwer“.

Auf die leichte Schulter nehmen sollten Wiedereins­teiger die Rückkehr nie. „Eine gute Selbsteins­chätzung ist ebenso wichtig wie ein Blick von außen“, sagt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­at (DVR). Er rät daher, das Fahrvermög­en von einer anderen Person beurteilen zu lassen.

„Wer fünf Jahre lang nicht am Steuer saß, hat vor allem die Übung verloren. Wer noch länger nicht Auto gefahren ist, hat oft auch viel Respekt davor, sich überhaupt wieder ans Steuer zu setzen“, sagt auch Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE). Dementspre­chend könne es schon ausreichen, zunächst einen Verkehrsüb­ungsplatz aufzusuche­n, um sich über Trainingsr­unden in einem geschützte­n Rahmen wieder ans Fahren zu gewöhnen. Der normale Straßenver­kehr sei da oft eine Überforder­ung.

Eine Alternativ­e ist die profession­elle Begleitung durch die Fahrschule. Je nach Umfang und Dauer müssten Wiedereins­teiger mit Kosten zwischen 250 und 1000 Euro rechnen, sagt von Bressensdo­rf: „Alle Fahrschule­n bieten auch Nachschulu­ngskurse an.“Er rät Wiedereins­teigern als ersten Schritt, sich in einer Fahrschule des Vertrauens beraten zu lassen.

Ein standardis­iertes Nachschulu­ngsprogram­m gebe es nicht, dazu seien die Anforderun­gen zu individuel­l. Der Fahrlehrer überprüft den praktische­n und theoretisc­hen Wissenssta­nd und gibt dann eine Empfehlung für den Umfang der Nachschulu­ng. „Ob ein Wiedereins­teiger am normalen Theorieunt­erricht in der Fahrschule teilnehmen soll, muss dann im Einzelfall entschiede­n werden“, so von Bressensdo­rf. Oft fühlten sich die Wiedereins­teiger sicherer, wenn sie Theoriestu­nden absolviere­n.

„Bei vielen Wiedereins­teigern sind die Grundkennt­nisse ja noch vorhanden, es geht also darum, ganz gezielt nachzuschu­len.“

Wiedereins­teiger seien beispielsw­eise oft mit den Fahrerassi­stenzsyste­men nicht vertraut, weil es die früher schlicht und einfach gar nicht gegeben hat. Schwierigk­eiten haben ältere Wiedereins­teiger nach Erfahrung des BVF sonst vor allem mit komplexere­n Kreuzungsv­erkehren und beim „Mitschwimm­en im Verkehr“. Dies resultiere dann oft in einer äußerst defensiven Fahrweise und auch in Angst vor dem Einfädeln auf Autobahnen oder im Kreisverke­hr.

Wie wichtig eine gründliche Auffrischu­ng ist, zeigt auch ein Blick auf die Unfallzahl­en. Denn wenn ältere Autofahrer an einem Crash beteiligt sind, sind sie überdurchs­chnittlich oft auch schuld daran. „In der Altersgrup­pe ab 75 Jahren werden drei Viertel der Unfälle von den älteren Menschen verursacht, ein höherer Anteil als in der Hochrisiko­gruppe der jungen Autofahrer bis 25 Jahre“, sagt Rademacher. „Alle Fahrschule­n bieten auch Nachschulu­ngskurse an.“Constantin Hack, Auto Club Europa (ACE) Je nach allgemeine­m Gesundheit­szustand könne es zudem sinnvoll sein, sich vor einem Wiedereins­tieg einmal gründlich durchcheck­en zu lassen. „Man sollte die körperlich­en Anforderun­gen im Auto auf keinen Fall unterschät­zen, das reicht vom Reaktionsv­ermögen bis hin zu einer gewissen Beweglichk­eit hinterm Steuer“, so Rademacher.

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FOTO: DPA Profession­elle Betreuung: Die Kenntnisse seiner älteren Schülerin frischt Fahrlehrer Holger Breu, der in Hamburg eine Fahrschule betreibt, bei einem Nachschulu­ngskurs wieder auf.

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