Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wilflinger erfüllt sich einen Lebenstraum
Konrad Reck radelt 1050 Kilometer von Belgrad bis ans Schwarze Meer
- Die Donau ist für Konrad Reck aus Wilflingen schon immer etwas Besonderes. Jeden Flusskilometer mit dem Fahrrad abzufahren – diesen Traum hat er sich in mehreren Etappen erfüllt. Jetzt nahm er die letzte und schwierigste Strecke in Angriff. Auf 1050 Kilometern ging es von Belgrad bis ans Schwarze Meer. „Das war sehr abenteuerlich“, sagte der 41-Jährige.
Der Industriemechaniker, der im Nebenerwerb Landwirt ist, fährt gerne Fahrrad. Und weil die Donau auf ihn einen besonderen Reiz ausübt, begann er vor zehn Jahren am Fluss entlang zu radeln. Die erste Etappe führte ihn nach Ulm. In einem nächsten Schritt radelte er nach Passau, eine weitere Etappe führte ihn nach Wien. Schon auf der Route von Wien nach Budapest stellte er fest, dass die touristische Infrastruktur abnahm. „Weniger Eiscafés und weniger los“, sagt Reck. Als er aber in Budapest ankam, war klar, dass er irgendwann weiter an der Donau entlang wollte. Drei Jahre später nahm er sich die Strecke nach Belgrad vor. Der Radtourismus tendierte dort gegen Null. „Keine Beschilderung, keine Übernachtungsmöglichkeit, keine Pannenstationen mehr“, erinnert er sich.
Dass die letzten 1050 Kilometer bis ans Donaudelta kein Zuckerschlecken werden würden, war im Vorfeld klar. Die Wintermonate nutzte Reck zur intensiven Vorbereitung. Er trainierte, ließ sich ein Fahrrad „maßschneidern“, besorgte sich Radkarten für Serbien, Bulgarien und Rumänien und suchte sich zwei Gleichgesinnte über ein Radfahrer-Portal. Erwin Maier aus Augsburg und Leo Schwaiger aus Klagenfurt hatten die gleiche Idee und das Trio nahm den abenteuerlichen Trip in Angriff.
Täglich saßen sie sechs bis sieben Stunden im Sattel. Zehn Tage lang blies der Wind aus Osten. Die Radfahrer kämpften mit Gegenwind. Nach drei, vier Tagen meldet sich der innere Schweinehund. „Da hätte ich am liebsten das Rad in die Ecke gestellt“, sagt der 41-Jährige. Er hat es nicht getan, stieg tapfer jeden Morgen wieder auf und gemeinsam suchten die drei sich den Weg entlang der Donau.
Auf ihrer Reise fehlte es nicht nur an touristischer Infrastruktur. Da sei auch kaum noch jemand unterwegs, sagt Reck. Während die Strecke Passau – Wien etwa 300 000 Radfahrer pro Jahr in Angriff nehmen, sind es auf der Etappe Belgrad bis ans Schwarze Meer nur noch 300. Den Weg teile man sich mit Eselfuhrwerken in einsamen Gegenden und in den Städten mit Lastwagen auf der vierspurigen Straße. In Rumänien erlebten sie gar, dass der Radweg in einem Fluss endete. Sie mussten mit Sack und Pack durchs Wasser, das ihnen bis zur Brust reichte.
Übernachtungsmöglichkeiten seien ebenfalls sehr dünn gesät, erinnert sich Reck. Das sei dann kein Sonntagsausflug mehr gewesen. Teilweise schliefen sie unter freiem Himmel in der Steppe oder bekamen von freundlichen Anwohnern einen Platz im Gartenhaus. „Zu der körperlichen Strapaze kam die mentale Seite“, sagt der Wilflinger. Das größte Problem war, dass man morgens nicht wisse, wo man abends schlafen könne. Manche Gegenden in Rumänien seien so einsam gewesen, dass die Anspannung durchaus ein Begleiter war. Da gehe einem schon durch den Kopf, „was passiert bei einem Unfall, einem Defekt am Rad oder wenn wir überfallen werden“.
Die Radfahrer erlebten überwiegend gastfreundliche Leute. Und die drei passten sich den Gepflogenheiten der Länder an. „Ein Geldschein im Reisepass erleichterte das Vorankommen“, sagt Reck, „egal ob an der Grenze oder bei der Straßenkontrolle durch die Polizei“. Als ein Kind Recks Rucksack direkt vom Fahrrad riss und wegrannte, verfolgte ein anderes den Dieb und brachte den Rucksack zurück. Aus Dankbarkeit schenkte Reck ihm eine Saitenwurst. An die strahlenden Kinderaugen erinnert er sich noch heute. Aber auch daran, dass sie in Rumänien Regionen erlebten, wo die Menschen kaum das Nötigste haben.
Eine besondere Herausforderung Konrad Reck war für die drei das Eiserne Tor, der Donaudurchbruch durch die Karpaten. Über 4000 Höhenmeter galt es zu überwinden, durch 21 unbeleuchtete Tunnel mussten sie fahren. „Das war wie eine Alpenüberquerung“, sagt Reck. Noch heute strahlen seine Augen, wenn er davon erzählt, wie überwältigend und traumhaft schön der Blick auf den Donaudurchbruch gewesen ist.
Die drei Radfahrer haben den Trip unbeschadet überstanden. Zwölf Tage lang saßen sie im Sattel. Reck hat sich seinen Lebenstraum erfüllt. Das macht ihn stolz. Auch darauf, dass er die Strecke trotz ein „paar Pfunden zu viel“geschafft hat. Unterstützung hat er von seinen Geschwistern bekommen, die ihn anspornten und während seiner Abwesenheit den Hof versorgten. Auch sein Arbeitgeber stellte ihm den nötigen Urlaub zur Verfügung, denn es war zu Beginn der Reise nicht klar, wie lange er unterwegs sein würde.
Als Reck dann nach vielen Strapazen und der Hitze in der Schwarzmeerhafenstadt Constanta aufs weite Meer blickte, war er gerührt und überwältigt. Ihm seien die Tränen gekommen, sagt er. Flussradeln wird weiterhin seine Leidenschaft bleiben. Ein so großes Ziel wie das eben geleistete, hat er aber nicht vor Augen.
Nach Hause ging es mit dem Bus – von Constanta nach Ulm in 40 Stunden. „Das war fast schlimmer als die ganze Tour“, sagt der Donauradwanderer lächelnd.
„Das war wie eine Alpenüberquerung“