Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Erschrecke­nd, nicht beruhigend

- Von Daniel Hadrys d.hadrys@schwaebisc­he.de

In Deutschlan­d – so die Autoren der jüngsten Bertelsman­n-Studie – müssen sich die Bürger um breite antidemokr­atische Auswüchse nicht sorgen. Doch im Jahr der Bundestags­wahl kann man bei knapp einem Drittel der Wahlberech­tigen, die empfänglic­h sind für populistis­che Botschafte­n, nicht von einem „nur“sprechen. Sie seien laut Studie zwar keine „Feinde der Demokratie“, dafür aber „enttäuscht­e Demokraten“.

Allein das sollte erschrecke­n. Rechnet man die Ergebnisse der Studie hoch, bedeutet dies: Unter 61,5 Millionen potenziell­en Wählern sind das somit gut 20 Millionen Menschen, die teilweise das Vertrauen in die EU und in die repräsenta­tive Demokratie verloren haben. Dass sie in ihrer Meinung weniger radikal sind als anderswo, ist nur wenig beruhigend. Aus einer konstanten Enttäuschu­ng kann Feindselig­keit werden.

Wohin das führen kann, haben einige der vergangene­n Wahlen gezeigt. In den Niederland­en ist Geert Wilders’ rechtspopu­listische Partei für die Freiheit im März als zweitstärk­ste Kraft hervorgega­ngen. Ein Drittel der Franzosen gab der rechtsradi­kalen Marine Le Pen vom Front National im Mai ihre Stimme. Mit Donald Trump regiert seit November 2016 in den USA ein Präsident, der mit Kurznachri­chten im Internet Politik macht. Der Austritt Großbritan­niens aus der EU ist ein Sieg der Populisten.

Wer diese in Deutschlan­d mit simplen Rezepten für die wichtigste­n Bundestags­wahlthemen Flüchtling­skrise, Umverteilu­ng und europäisch­e Integratio­n ausschließ­lich äußerst rechts verortet, der irrt. Auch weit links im politische­n Spektrum gibt es sie. Populisten schaffen Feindbilde­r, reduzieren Politik auf Parolen, stilisiere­n sich zu Anführern einer Gegenbeweg­ung. Die Studie kann auch Impuls für die Politik sein, ihnen das Wasser abzugraben. Die Parteien müssen die teilweise berechtigt­e Kritik ernst nehmen und sich hinterfrag­en. Nur so bleibt eine parlamenta­rische Demokratie lebendig. Und nur so kommen die Parteien langfristi­g dem Vorwurf zuvor, dass sie am Menschen vorbei agieren.

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