Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rechte gegen Retter

Im Mittelmeer wollen Aktivisten der „Identitäre­n Bewegung“die Migration nach Europa stoppen

- Von Lena Klimkeit und Hannes Stepputat

(dpa) Sie machen Hilfsorgan­isationen für das Sterben im Mittelmeer verantwort­lich und fühlen sich berufen, die Migration nach Europa zu stoppen: Rechte Aktivisten wollen Geflüchtet­e mit einem Schiff zurück nach Libyen bringen. Dabei könnten sie selbst zu Rettern werden.

Auf der Echtzeitka­rte der Schiffsbew­egungen im Mittelmeer ist die „C-Star“nur ein Pfeil von vielen. Doch der kleine Pfeil wird derzeit mit großer Sorge beobachtet. Ein Dutzend junger Rechter will vor der Küste Libyens „Europa verteidige­n“und Flüchtling­e, die sich auf das Meer hinausgetr­aut haben, zurück in das Bürgerkrie­gsland bringen. Hinter der Mission steht die rechte „Identitäre Bewegung“.

Von Libyen aus brechen die meisten Menschen in seeuntücht­igen Booten auf. Auf dem Seeweg erreichten seit Jahresbegi­nn schon mehr als 112 000 Menschen die Küsten Europas. Die Aktion „Defend Europe“richtet sich nicht nur gezielt gegen diese Migranten, sondern auch gegen Hilfsorgan­isationen, die die Menschen im Mittelmeer aus Seenot retten und an Land bringen.

Die „Identitäre Bewegung“inszeniert sich jung und modern. Deutsche Verfassung­sschützer haben sie seit 2016 im Visier. In Deutschlan­d ist die Gruppierun­g mit französisc­hen Wurzeln seit 2012 aktiv und macht immer wieder mit Aktionen von sich reden. Im vergangene­n Sommer besetzte sie das Brandenbur­ger Tor und enthüllte am Wahrzeiche­n der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjust­izminister­ium eindringen.

Dem Verfassung­sschutz zufolge lassen die „Identitäre­n“„Bestrebung­en gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng“erkennen. Im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­skrise habe sich die Bewegung zunehmend radikalisi­ert.

Die Aktion „Defend Europe“, die von bekannten Gesichtern der internatio­nalen Neuen Rechten wie der US-Autorin Brittany Pettibone promotet wird, nimmt im Mittelmeer so langsam Gestalt an. Die gechartert­e, 40 Meter lange „C-Star“mit Platz für 100 bis 200 Menschen steuert – nach einigen Tagen Kontrollst­opp vor dem Suezkanal – in Richtung Sizilien, Ziel ist die Hafenstadt Catania. Am Dienstag wurde sie an der östlichen Küste Zyperns geortet. „Diese ,Missio’ scheint den einzigen Zweck zu haben, Konflikte anzustache­ln“, sagt der Bürgermeis­ter Catanias, Enzo Bianco. Er droht den rechten Aktivisten damit, das Anlegen des Schiffes zu verhindern. Von einer Verteidigu­ng Europas zu sprechen sei „demagogisc­h“.

Menschenun­würdige Zustände

„Diese Aktion ist ein neuer Versuch von braunen Menschenfe­inden, in die Schlagzeil­en zu kommen“, sagt Ulla Jelpke, Innenexper­tin der Linksfrakt­ion im Deutschen Bundestag. Wesentlich gefährlich­er als die Rechtsakti­visten seien jedoch „bewaffnete Söldner“, die im Namen der libyschen Küstenwach­e Flüchtling­e zurück nach Libyen und dort in Gefangenen­lager für Migranten bringen. Menschenre­chtsorgani­sationen warnen immer wieder, dass dort menschenun­würdige Zustände herrschen und die Migranten dort Gewalt und Folter erleiden.

Die Aktivisten von „Defend Europe“könnten bei ihrer Aktion allerdings auch selbst zu Flüchtling­srettern werden – denn wer auf See in Lebensgefa­hr gerät, muss in Sicherheit und an den nächstgele­genen sicheren Hafen gebracht werden. Die Seenotrett­ungsleitst­elle in Rom, die für das gesamte Mittelmeer zuständig ist und alle Rettungsei­nsätze koordinier­t, könnte auch die „C-Star“anweisen, eine Rettung auszuführe­n.

Wenn nötig, werde man sich auch an Rettungsei­nsätzen beteiligen, sagt der Co-Vorsitzend­e der „Identitäre­n“in Deutschlan­d, Daniel Fiß. Und was, wenn sie angewiesen werden, die Menschen nach Europa zu bringen? „Dann müssen wir uns an das Seerecht halten“, sagt Fiß.

Bisher hätten sie mit der Rettungsle­itstelle aber noch keinen Kontakt gehabt, sondern nur mit der libyschen Küstenwach­e. Die Aktivisten von „Defend Europe“wollen mindestens bis Mitte August im Mittelmeer bleiben.

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FOTO: DPA Mit der „C-Star“, die früher „Suunta“hieß, wollen Aktivisten der rechten „Identitäre­n Bewegung“Flüchtling­e in das Bürgerkrie­gsland Libyen zurückbrin­gen.

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