Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Reiseveran­stalter dürfen hohe Anzahlung verlangen

Urteil des Bundesgeri­chtshofes zum Nachteil der Urlauber

- Von Claudia Kornmeier

(dpa) - Wer einen Flug bucht oder ein Bahnticket kauft, zahlt meist sofort, auch wenn er erst in ein paar Monaten verreist. Bei Pauschalre­isen hatte sich eine Zwischenlö­sung eingebürge­rt: Urlauber mussten bei der Buchung eine Anzahlung leisten. Um die 20 Prozent des Reisepreis­es waren üblich. Bis der Veranstalt­er Tui für bestimmte Pauschalre­isen 40 Prozent verlangte. Seit 2012 wird vor Gericht darüber gestritten, ob das zu viel ist. Am Dienstag entschied der Bundesgeri­chtshof (BGH) ein zweites Mal – für Urlauber ging es nicht gut aus.

Wie lautet das Urteil genau?

Der BGH hat Reiseveran­staltern erleichter­t, hohe Anzahlunge­n für Pauschalre­isen zu verlangen. Die Unternehme­n dürfen eine Forderung von mehr als den üblichen 20 Prozent des Preises damit rechtferti­gen, dass sie Provisione­n an Reisebüros zahlen müssen, entschiede­n die Karlsruher Richter. Die Vorinstanz hatte dies anders gesehen.

Auch Flugkosten dürfen dafür pauschal berücksich­tigt werden, unabhängig davon, ob diese Kosten für jede einzelne Reise des Angebots vorfinanzi­ert werden. Dasselbe gilt für Leistungen gegenüber Hotelbetre­ibern, es sei denn, diese unterschei­den sich erheblich in ihrer Höhe etwa mit Blick auf verschiede­ne Reiseziele. Dies muss nun erneut das Oberlandes­gericht Celle klären

Um was für Reisen ging es bei dem Streit vor dem BGH?

Es ging um die Marken X1-2-Fly und XTUI. Tui nennt diese Pauschalre­isen „dynamisch“, weil dabei Hotels mit den zum Zeitpunkt der Buchung günstigste­n Flügen kombiniert werden. Nach Angaben des Unternehme­ns machen diese Reisen etwa zehn Prozent des Angebots aus.

Warum ist das Urteil für Verbrauche­r ein Problem?

„Bei einer Reise geht es um hohe Summen. Außerdem bucht man das häufig lange im Voraus, unter Umständen ein Jahr vorher“, sagt Rechtsexpe­rtin Kerstin Hoppe vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen, der Tui verklagt hatte. „Da hat man das Geld vielleicht noch gar nicht zusammen.“Wenn Urlauber in Vorleistun­g gehen, tragen sie zudem das Risiko, dass der Veranstalt­er insolvent geht – die Reise also nicht stattfinde­t und sie ihr Geld nicht zurückbeko­mmen. Allerdings müssen sich Reiseveran­stalter versichern für den Fall, dass sie pleitegehe­n. Das schützt Urlauber.

Ist eine Anzahlung von 40 Prozent nicht zu viel?

Aus Sicht von Verbrauche­rschützeri­n Hoppe ist das ein „Extremfall“. Die Branche orientiere sich daran nach oben. Schon 20 Prozent seien eine ganze Menge gewesen. Der BGH hatte in seinem ersten Urteil zu dem Fall 2014 entschiede­n: Eine Anzahlung von mehr als 20 Prozent ist nur in Ordnung, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Dafür muss der Reiseveran­stalter zumindest darlegen, dass für ihn bei Vertragssc­hluss Aufwendung­en entstehen, die in der Regel so hoch sind, wie die verlangte Anzahlung.

Ist das bei den beiden Angeboten von Tui der Fall?

Wahrschein­lich ja, wobei eine endgültige Klärung noch aussteht. Nach dem Urteil dürfen Veranstalt­er einige Posten bei der Kalkulatio­n der Anzahlungs­pauschale berücksich­tigen – etwa Provisione­n für Reisebüros. Das hatte die Vorinstanz noch anders gesehen. Auch Flugkosten dürfen pauschal berücksich­tigt werden, unabhängig davon, ob diese Kosten für jede einzelne Reise des Angebots tatsächlic­h vorfinanzi­ert werden. Dasselbe gilt für Leistungen gegenüber Hotelbetre­ibern, es sei denn diese unterschei­den sich erheblich in ihrer Höhe etwa mit Blick auf verschiede­ne Reiseziele. Das muss nun das Oberlandes­gericht Celle klären.

Was halten Verbrauche­rschützer von dem Urteil?

„Die Rechtslage ist damit eindeutig zulasten der Verbrauche­r verschlech­tert worden“, sagt Hoppe vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. „Provisione­n für Reisebüros können bei der Berechnung der Höhe der Anzahlung durchaus zu Buche schlagen.“

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FOTO: DPA Für bestimmte Pauschalre­isen darf Tui 40 Prozent Anzahlung verlangen.

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