Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Neue Töne in Bayreuth

Festkonzer­t zu Ehren von Wieland Wagner stimmt versöhnlic­h

- Von Barbara Miller

- Unerhörtes ist aus Bayreuth zu vermelden. Der übliche Zank vor Eröffnung der Festspiele fällt dieses Jahr aus. Im Gegenteil. Versöhnung scheint angesagt. Die verfeindet­en Familienzw­eige der verstorben­en Brüder Wieland (19171966) und Wolfgang Wagner (19192010) gehen offenbar aufeinande­r zu. Diesen Eindruck jedenfalls nahm man vom Festakt zum 100. Geburtstag von Wieland Wagner mit. Festspielc­hefin Katharina Wagner, Tochter von Wolfgang Wagner, begrüßte ihre Cousinen und den Cousin – „liebe Nike, liebe Daphne, lieber Wolf Siegfried“– persönlich und versichert­e, dass diese Feier im besten Einvernehm­en miteinande­r konzipiert worden sei.

Und dieser Abend war noch auf eine weitere Weise denkwürdig. Denn erstmals erklang im Bayreuther Festspielh­aus etwas anderes als Wagner. Neben den Ouvertüren zu „Rienzi“und „Parsifal“spielte das Festspielo­rchester unter Hartmut Haenchen Auszüge aus Verdis „Otello“und Bergs „Wozzeck“. Frenetisch feierte die Festgemein­de – neben geladenen Gästen auch viele Bayreuther Bürger, unter denen Karten verlost wurden – Solistinne­n und Solisten sowie das Festspielo­rchester.

Launige Festrede

Anlass der Feier war der 100. Geburtstag Wieland Wagners, der schon als Kind Hitler („Onkel Wolf“) kennenlern­te und von ihm protegiert wurde. Derart aufs Engste mit dem Nationalso­zialismus verbunden, hat er trotzdem zusammen mit seinem Bruder, nur sechs Jahre nach dem Krieg, wieder die Festspiele ausgericht­et. Mit einem abstrahier­enden Stil sollten die Geister der NS-Vergangenh­eit gebannt werden. Die Strategie ging auf. „Neubayreut­h“war geboren. Der Rest war Schweigen. Die Scham über seine Verstricku­ng mit dem System habe Wieland Wagner in seiner Kunst kompensier­t. So jedenfalls sieht es Sir Peter Jonas. In seiner Festrede spannte der ehemalige Münchner Operninten­dant den ganz großen Bogen von der griechisch­en Tragödie bis zum Brexit, attestiert­e den Wagners einen ebenso hohen Glamourfak­tor wie den Kennedys oder Windsors und spickte seine launige Rede mit Erinnerung­en daran, wie er als junger Student heimlich ins Festspielh­aus schlich.

Wieland Wagner muss ein Schwierige­r gewesen sein. „Worte an meinen Vater“richtete sein Sohn Wolf Siegfried Wagner, geboren 1943. In kurzen Sätzen charakteri­sierte er einen Mann, der es sich und den Seinen offenbar nicht leicht gemacht hat. „Mich hast du noch Wolf Siegfried genannt, mit Nike und Daphne warst du schon bei der griechisch­en Tragödie angelangt.“Das Schweigen des Vaters treibt den Sohn um. „Nicht jeder findet die eigene Geschichte.“

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FOTO: DPA Zum 100. Geburtstag von Wieland Wagner gab es eine Feier.

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