Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Präsident Maduro spielt in Venezuela seine letzte Karte
Das kolumbianische Politmagazin „Semana“widmet seine neue Ausgabe dem Nachbarland Venezuela. Auf dem Titelbild ist eine Fotomontage zu sehen, die Präsident Nicolás Maduro mit einem Gewehr und schusssicherer Weste hinter einer Barrikade zeigt: „Atrincherado“steht darunter geschrieben. „Verschanzt“.
Das Bild trifft die Situation in Venezuela. Dem verschärften Protest im Land – es gab schon 112 Tote – zum Trotz spielt Maduro am Sonntag seine vermutlich letzte Karte: die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, die ein neues sozialistisches Grundgesetz für das urkapitalistische Ölland ausarbeiten soll. Für Maduro und seine autoritäre und angeblich linksnationalistische Regierung heißt es: durchstehen oder untergehen. Wenn sich der 54-Jährige mit seiner „Asamblea Nacional Constituyente (ANC) durchsetzt, würde sich der in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebte Staatschef seiner Gegner entledigen. Diosdado Cabello, Vizepräsident der Regierungspartei PSUV und neben Maduro der zweite Hardliner, lässt keinen Zweifel aufkommen: „Die Constituyente wird das Parlament abschaffen, die Immunität seiner Mitglieder aufheben, die Generalstaatsanwaltschaft auf den Kopf stellen und die Regierungsinstitutionen hinter Maduro versammeln.“Mit anderen Worten: die Republik wird abgeschafft und eine Einparteien-Regierung mit abhängigen Gewalten zementiert. Venezuela wäre dann das, was die bürgerliche Opposition schon lange befürchtet: eine Kopie Kubas.
Die politische Opposition, die sich in dem zerstrittenen Bündnis MUD sammelt, spricht von „Betrug“am venezolanischen Volk; Demokratie werde gegen Diktatur getauscht. Ein landweiter Protestmarsch am Freitag sollte den Druck auf Maduro erhöhen, damit er von dem Vorhaben Abstand nimmt. Aber die Regierung ließ als Antwort alle Proteste im Land bis Dienstag verbieten.
66,5 Prozent lehnen die Pläne ab
Der unter Hausarrest stehende Oppositionsführer Leopoldo López hatte die Venezolaner dazu aufgerufen, in den friedlichen Protesten nicht nachzulassen, „bis Freiheit, Demokratie und Frieden“erreicht seien. Die USA drohen mit „harten und raschen“Sanktionen, für den Fall, dass Maduro am Sonntag die Versammlung wählen lässt. Washington verhängte Strafmaßnahmen gegen 13 Funktionäre der Regierung, des Militärs und des Erdölkonzerns PDVSA. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kritisierte, die verfassungsgebende Versammlung berge die Gefahr, Venezuela noch mehr zu polarisieren. Mogherini forderte, die Gewaltenteilung zu respektieren, die politischen Gefangenen freizulassen und Hilfe für die notleidende Bevölkerung zuzulassen. Nach einer Umfrage des Instituts Datanálisis lehnen 66,5 Prozent der Venezolaner die Regierungspläne ab.
Die MUD versucht, eigene staatliche Strukturen zu schaffen. Sie hat eine „Regierung der Nationalen Einheit“einberufen und durch das oppositionelle Parlament eigene Richter für das Oberste Gericht TSJ benannt, von denen drei aber von der Regierung festgenommen wurden. „In Venezuela gibt es zwei parallele Staaten, in dem keine Seite die andere respektiert“, sagt Phil Gunson vom Thinktank International Crisis Group. Es drohten „Bürgerkrieg, Regierungskollaps“und die Zahlungsunfähigkeit.