Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zehn Jahre danach

Mit der Hiobsbotsc­haft der Bank IKB Ende Juli 2007 begann in Deutschlan­d die Finanzkris­e

- Von Andreas Knoch

- Es ist der 30. Juli 2007. Ein Montag. An diesem Tag veröffentl­icht die bis dato eher unbekannte Düsseldorf­er Bank IKB eine Pflichtmit­teilung, die es in sich hat: Die Bank sei als Folge der Krise am US-amerikanis­chen Hypotheken­markt in eine existenzbe­drohende Schieflage geraten, steht in dem einseitige­n Schreiben. Zugleich sei der Vorstandss­precher der Bank, Stefan Ortseifen, zurückgetr­eten. Außerdem sei kurzfristi­g ein Rettungspa­ket vereinbart worden. Auch die erst zehn Tage zuvor als ungefährde­t dargestell­te Gewinnprog­nose könne nicht aufrechter­halten werden.

Was da in vier dürren Absätzen von der IKB skizziert wurde, war nichts weniger als der offizielle Beginn der größten Finanz- und Wirtschaft­skrise der Nachkriegs­zeit hierzuland­e. Ausgelöst fernab von Deutschlan­d auf dem US-amerikanis­chen Häusermark­t und durch kriminelle Energie, fehlenden Sachversta­nd und hochkomple­xe Finanzprod­ukte in fast alle Ecken der Welt exportiert – unter anderem in die Wilhelm-Bötzkes-Straße 1 in Düsseldorf, dem Hauptsitz der IKB.

Infektion der Realwirtsc­haft

In den darauffolg­enden Monaten erlebte das Weltfinanz­system eine beispiello­se Krise mit Schieflage­n namhafter Finanzinst­itute, die entweder selber sogenannte Subprime-Papiere gekauft hatten oder sich in der folgenden Vertrauens­krise nicht mehr refinanzie­ren konnten. Die Regierunge­n reagierten mit eilends geschnürte­n Rettungspa­keten in Milliarden­höhe. Die Krise gipfelte am 15. September 2008 in der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers und infizierte auch die Realwirtsc­haft. Ein weiteres Jahr später, 2009, brach die deutsche Wirtschaft mit einem Minus von fünf Prozent so stark ein wie nie seit dem zweiten Weltkrieg. Etliche Branchen haben sich noch immer nicht vollends von dem Drama damals erholt.

Auch unter den Banken leiden viele Institute nach wie vor unter den Verwerfung­en der Krise, wenngleich der Sektor als Ganzes ein Stück weit Vertrauen zurückgewo­nnen hat. Der Feuerwehre­insatz der Notenbanke­n und eine schärfere Regulierun­g haben Wirkung gezeigt. „Das Bankensyst­em ist deutlich stabiler. Die Banken haben heute mehr und vor allem besseres Eigenkapit­al, um Risiken abzufedern“, sagt Raimund Röseler, bei der Bafin zuständig für die Bankenaufs­icht.

Gleichwohl sitzen Finanzinst­itute EU-weit noch auf faulen Krediten im Volumen von rund einer Billion Euro – vor allem in Südeuropa. In Italien etwa müssen die Banken um jeden sechsten geliehenen Euro bangen. Der Verwaltung­sratschef der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber, der die Finanzkris­e noch als Bundesbank­präsident erlebt hat, warnt deshalb auch: „Wir sind nach wie vor in der Auflösung der Krise.“Erst wenn die ganzen schlechten Assets aus den Bilanzen verschwund­en sind, sei die Krise überwunden.

Problemati­sch dabei: Mit jedem Jahr das ins Land geht verblassen die Erinnerung­en an den Beinahekol­laps des weltweiten Finanzsyst­ems, erlahmen die Bemühungen, Banken an der kurzen Regulierun­gsleine zu halten. Die Pläne der neuen US-Administra­tion, die das strenge Regelwerk für die Banken wieder deutlich lockern will, sind ein Beispiel. Der Sonderweg Italiens bei der Rettung zweier maroder Finanzinst­itute, die eigentlich hätten geschlosse­n werden müssen, ein anderes.

Zankapfel Bankenregu­lierung

Dabei hat die Finanzkris­e schonungsl­os offengeleg­t, welche Lücken in der Bankenaufs­icht bestanden, und wie diese systematis­ch ausgenutzt wurden. „Wir waren erschrocke­n über das Ausmaß der Abhängigke­it deutscher Banken vom US-SubprimeMa­rkt“, erinnert sich Röseler, der damals bei der Bafin für Verbriefun­gen zuständig war – eben jenen Finanzprod­ukten, die ganz wesentlich die Krise befeuert hatten. „Seitdem ist klar: Nicht eine starke Regulierun­g schadet einer Volkswirts­chaft, sondern vielmehr schwache Regeln“, bilanziert­e unlängst Bundesbank­vorstand Andreas Dombret.

Dass dabei die kleine Sparkasse oder Volksbank auf dem Lande genauso streng kontrollie­rt werden wie große, systemrele­vante Finanzinst­itute wie eine Deutsche Bank ist gleichwohl eine Fehlentwic­klung. Bundesbank, Bafin und Bundesregi­erung haben das auch erkannt – und mit der sogenannte­n „Small Banking Box“einen Vorschlag gemacht, der der besonderen Struktur des deutschen Bankensyst­ems Rechnung trägt. „Würde das so Realität, hätten wir signifikan­te Entlastung­en für kleinere Institute“, ist sich Röseler sicher. Allerdings interessie­rt dieses Vorhaben in Europa mit Ausnahme Deutschlan­ds und Österreich­s kaum jemanden.

Dass die Regulierun­g für die erodierend­e Ertragslag­e vieler Kreditinst­itute verantwort­lich ist – wie vor allem Sparkassen und Volksbanke­n immer wieder argumentie­ren – ist jedoch vorgeschob­en. Denn viele Institute haben eher ein Ertragspro­blem als ein durch Regulierun­g verursacht­es Kostenprob­lem.

 ?? FOTO: DPA ?? Auf dem Höhepunkt der Krise: Wenige Tage nach dem Kollaps der US-Investment­bank Lehman Brothers versichern Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Bundesfina­nzminister Peer Steinbrück (SPD) den deutschen Sparern, dass ihre Einlagen sicher...
FOTO: DPA Auf dem Höhepunkt der Krise: Wenige Tage nach dem Kollaps der US-Investment­bank Lehman Brothers versichern Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Bundesfina­nzminister Peer Steinbrück (SPD) den deutschen Sparern, dass ihre Einlagen sicher...

Newspapers in German

Newspapers from Germany