Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zehn Jahre danach
Mit der Hiobsbotschaft der Bank IKB Ende Juli 2007 begann in Deutschland die Finanzkrise
- Es ist der 30. Juli 2007. Ein Montag. An diesem Tag veröffentlicht die bis dato eher unbekannte Düsseldorfer Bank IKB eine Pflichtmitteilung, die es in sich hat: Die Bank sei als Folge der Krise am US-amerikanischen Hypothekenmarkt in eine existenzbedrohende Schieflage geraten, steht in dem einseitigen Schreiben. Zugleich sei der Vorstandssprecher der Bank, Stefan Ortseifen, zurückgetreten. Außerdem sei kurzfristig ein Rettungspaket vereinbart worden. Auch die erst zehn Tage zuvor als ungefährdet dargestellte Gewinnprognose könne nicht aufrechterhalten werden.
Was da in vier dürren Absätzen von der IKB skizziert wurde, war nichts weniger als der offizielle Beginn der größten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit hierzulande. Ausgelöst fernab von Deutschland auf dem US-amerikanischen Häusermarkt und durch kriminelle Energie, fehlenden Sachverstand und hochkomplexe Finanzprodukte in fast alle Ecken der Welt exportiert – unter anderem in die Wilhelm-Bötzkes-Straße 1 in Düsseldorf, dem Hauptsitz der IKB.
Infektion der Realwirtschaft
In den darauffolgenden Monaten erlebte das Weltfinanzsystem eine beispiellose Krise mit Schieflagen namhafter Finanzinstitute, die entweder selber sogenannte Subprime-Papiere gekauft hatten oder sich in der folgenden Vertrauenskrise nicht mehr refinanzieren konnten. Die Regierungen reagierten mit eilends geschnürten Rettungspaketen in Milliardenhöhe. Die Krise gipfelte am 15. September 2008 in der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers und infizierte auch die Realwirtschaft. Ein weiteres Jahr später, 2009, brach die deutsche Wirtschaft mit einem Minus von fünf Prozent so stark ein wie nie seit dem zweiten Weltkrieg. Etliche Branchen haben sich noch immer nicht vollends von dem Drama damals erholt.
Auch unter den Banken leiden viele Institute nach wie vor unter den Verwerfungen der Krise, wenngleich der Sektor als Ganzes ein Stück weit Vertrauen zurückgewonnen hat. Der Feuerwehreinsatz der Notenbanken und eine schärfere Regulierung haben Wirkung gezeigt. „Das Bankensystem ist deutlich stabiler. Die Banken haben heute mehr und vor allem besseres Eigenkapital, um Risiken abzufedern“, sagt Raimund Röseler, bei der Bafin zuständig für die Bankenaufsicht.
Gleichwohl sitzen Finanzinstitute EU-weit noch auf faulen Krediten im Volumen von rund einer Billion Euro – vor allem in Südeuropa. In Italien etwa müssen die Banken um jeden sechsten geliehenen Euro bangen. Der Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber, der die Finanzkrise noch als Bundesbankpräsident erlebt hat, warnt deshalb auch: „Wir sind nach wie vor in der Auflösung der Krise.“Erst wenn die ganzen schlechten Assets aus den Bilanzen verschwunden sind, sei die Krise überwunden.
Problematisch dabei: Mit jedem Jahr das ins Land geht verblassen die Erinnerungen an den Beinahekollaps des weltweiten Finanzsystems, erlahmen die Bemühungen, Banken an der kurzen Regulierungsleine zu halten. Die Pläne der neuen US-Administration, die das strenge Regelwerk für die Banken wieder deutlich lockern will, sind ein Beispiel. Der Sonderweg Italiens bei der Rettung zweier maroder Finanzinstitute, die eigentlich hätten geschlossen werden müssen, ein anderes.
Zankapfel Bankenregulierung
Dabei hat die Finanzkrise schonungslos offengelegt, welche Lücken in der Bankenaufsicht bestanden, und wie diese systematisch ausgenutzt wurden. „Wir waren erschrocken über das Ausmaß der Abhängigkeit deutscher Banken vom US-SubprimeMarkt“, erinnert sich Röseler, der damals bei der Bafin für Verbriefungen zuständig war – eben jenen Finanzprodukten, die ganz wesentlich die Krise befeuert hatten. „Seitdem ist klar: Nicht eine starke Regulierung schadet einer Volkswirtschaft, sondern vielmehr schwache Regeln“, bilanzierte unlängst Bundesbankvorstand Andreas Dombret.
Dass dabei die kleine Sparkasse oder Volksbank auf dem Lande genauso streng kontrolliert werden wie große, systemrelevante Finanzinstitute wie eine Deutsche Bank ist gleichwohl eine Fehlentwicklung. Bundesbank, Bafin und Bundesregierung haben das auch erkannt – und mit der sogenannten „Small Banking Box“einen Vorschlag gemacht, der der besonderen Struktur des deutschen Bankensystems Rechnung trägt. „Würde das so Realität, hätten wir signifikante Entlastungen für kleinere Institute“, ist sich Röseler sicher. Allerdings interessiert dieses Vorhaben in Europa mit Ausnahme Deutschlands und Österreichs kaum jemanden.
Dass die Regulierung für die erodierende Ertragslage vieler Kreditinstitute verantwortlich ist – wie vor allem Sparkassen und Volksbanken immer wieder argumentieren – ist jedoch vorgeschoben. Denn viele Institute haben eher ein Ertragsproblem als ein durch Regulierung verursachtes Kostenproblem.