Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zeit gewonnen – mehr nicht

- Von Wolfgang Mulke politik@schwaebisc­he.de

Die Autoherste­ller kommen mit einem blauen Auge davon. Bund und Länder geben sich erst einmal mit einem freiwillig­en Software-Update bei fünf Millionen Diesel-Fahrzeugen zufrieden. Die Ökonomie hat gegen die Ökologie und gegen den politische­n Gestaltung­swillen gesiegt. Die Beteiligte­n verkünden nicht weniger als die Quadratur des Kreises, die bekanntlic­h nicht gelingen kann. Die Autos sollen sauberer werden, ohne dass deren Motoren mehr verbrauche­n oder weniger Leistung bringen. Bis zu 30 Prozent weniger Stickoxid sollen diese optimierte­n Abgasreini­gungen ausstoßen. Der schon tot geglaubte Diesel lebt weiter. Erst einmal. Denn in den Vereinbaru­ngen stecken viele Hoffnungsw­erte.

Ein großes Fragezeich­en steht hinter der Wirksamkei­t des Software-Updates. Es ist keineswegs erwiesen, dass dadurch tatsächlic­h Abgase eingespart werden. Eine Überprüfun­g durch das Kraftfahrt-Bundesamt steht noch aus. Der zweite Hoffnungsw­ert besteht darin, dass Gerichte die freiwillig­e Rückrufakt­ion als ausreichen­d anerkennen und gegen Fahrverbot­e entscheide­n. Auch müssen genügend Autofahrer dem Ruf in die Werkstatt folgen – sonst verpufft der Umwelteffe­kt. Die ausländisc­hen Produzente­n spielen ohnehin nicht mit. Deren Dreckschle­udern bleiben schmutzig. Dass sich dennoch alle beteiligte­n Politiker zufrieden zeigen, hat eher mit dem anstehende­n Wahlkampf zu tun. Und die Industrie wird von ihrem Fehlverhal­ten vermutlich sogar noch profitiere­n, weil alte Diesel schnell durch neue ersetzt werden sollen. Das Zusammensp­iel von Regierung und Branche hat funktionie­rt – trotz mancher scharfer Worte.

Mehr als Zeit haben Bund und Länder nicht gewonnen. Denn wenn das Update nicht schnell die versproche­ne Wirkung bringt, geht die Debatte von vorne los. Die nächste Bundesregi­erung sollte sich schnell Gedanken über eine gesellscha­ftlich wie wirtschaft­lich vertretbar­e Verkehrspo­litik machen und ein Konzept erarbeiten, das nicht nur die volkswirts­chaftliche­n Interessen im Blick hat, sondern auch das Wohl ihrer Bürger.

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