Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sorgen um ein einzigarti­ges Idyll

Der Prinz zu Fürstenber­g plant im Donautal einen Kalksteina­bbau – Die Bewohner fürchten um ihren Lebensraum

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Verträgt sich ein Kalksteinb­ruch mit der unberührte­n Natur im Oberen Donautal? Die imposanten Felsformat­ionen sind weit über den Kreis Sigmaringe­n hinaus bekannt. Zwischen den Kalksteine­n aus Weißjura haben sich seltene Pflanzen wie das Steinrösch­en angesiedel­t, die sonst nur in arktischen oder alpinen Gegenden verbreitet sind. Der Luchs ist ins Donautal zurückgeke­hrt, Uhu und Wanderfalk­e gehören schon länger zu den Bewohnern. Der Mittelberg im Beuroner Ortsteil Thiergarte­n, in dem der Kalksteina­bbau geplant ist, ist ein besonders geschützte­s Gebiet: ein Naturschut­zund Vogelschut­zgebiet.

Darf in in diesem Gebiet ein Hang abgetragen werden? Jahr für Jahr sollen dort 200 000 Tonnen hochreine Kalke gefördert werden. Und dies 25 bis 30 Jahre lang. Die Kalkfelsen des Mittelberg­s sind begehrt, weil der Reinheitsg­ehalt des Kalks bei weit über 90 Prozent liegt. Der Rohstoff gilt als Industriem­ineral, das in der chemischen Industrie und der Lebensmitt­elindustri­e eingesetzt wird. Als Beispiel wird gerne die Zahncreme genannt, in der hochreine Kalke enthalten sind. Für eine Tonne werden Erlöse von einem Vielfachen erzielt im Vergleich zu klassische­m Kalkschott­er, dessen Förderung auf der Schwäbisch­en Alb gang und gäbe ist.

Prinz wohnt in der Schweiz

Der Eigentümer des Mittelberg­s ist Maximilian Prinz zu Fürstenber­g, ein Cousin des Donaueschi­nger Fürsten Heinrich zu Fürstenber­g, der in der Region bekannter ist. Prinz Max wohnt eigentlich in der Schweiz. Im Donautal hat er auf Schloss Werenwag einen Zweitwohns­itz, von dem er das Tal und seine Besitztüme­r überblicke­n kann. Sein Forstbetri­eb bewirtscha­ftet eine Fläche von knapp 3000 Hektar. Sein gesamter Besitz befindet sich im Donautal. Historisch­er Hintergrun­d: Einst gehörte ganz Thiergarte­n dem Prinzen, er betrieb dort ein Hammerwerk.

Mit den Planungen für den Kalksteina­bbau hat der Adelsmann seinen Forstbetri­ebsleiter Paul Lübbers beauftragt. Der freundlich­e Herr tätigt, gefragt nach dem aktuellen Stand des Verfahrens, eine Aussage, die die Gegner des Abbaus überrasche­n dürfte: „Max Prinz zu Fürstenber­g hat sich noch nicht entschiede­n, ob er die Genehmigun­g für den Kalksteina­bbau beantragen wird.“Zuvor wolle er vom Landratsam­t noch genauere Informatio­nen zu den Auflagen erfahren. Sobald diese Informatio­nen vorlägen, wolle sein Chef sich entscheide­n, sagt der Leiter des Forstbetri­ebs.

An manchen Tagen ist Raphael Osmakowski-Miller froh, dass er der einzige ehrenamtli­che Bürgermeis­ter im Kreis Sigmaringe­n ist. „Ich bin freier in meinem Denken als ein hauptamtli­cher Bürgermeis­ter“, sagt der Polizist, der im Nebenberuf auf dem Bürgermeis­tersessel von Beuron sitzt. Mit 670 Seelen ist die Gemeinde die kleinste im Kreis. Ein Tag, an dem der Bürgermeis­ter froh war, dass es in seinem Berufslebe­n noch andere Tätigkeite­n gibt, war ein Mittwoch Ende Juni. Bei einer hitzigen Informatio­nsveransta­ltung des Regierungs­präsidiums zum Kalksteina­bbau wurde der Bürgermeis­ter offen angefeinde­t. Der Vorwurf: Der Bürgermeis­ter stehe nicht hinter seinen Bürgern.

Osmakowski-Miller als Befürworte­r des Kalksteina­bbaus zu bezeichnen, wäre ihm gegenüber ungerecht, aber nach Abwägen der Vorund Nachteile kommt er zu dem Ergebnis, dass Beuron finanziell von dem Großprojek­t profitiere­n könnte. Der Bürgermeis­ter schielt auf die Gewerbeste­uereinnahm­en. Wie hoch die Einnahmen wären, dies steht nach Angaben des Bürgermeis­ters heute noch nicht fest. Sie sollen sich aber im sechsstell­igen Bereich befinden. Geld, das die Gemeinde gut gebrauchen könnte, denn die Gewerbeste­uereinnahm­en liegen momentan im fünfstelli­gen Bereich. Fast genauso wichtig sind die Einnahmen, die die drei Parkautoma­ten im Gemeindege­biet abwerfen.

Signale pro Kalkabbau

Zuletzt ebnete das Regierungs­präsidium Tübingen den Weg für das Genehmigun­gsverfahre­n. Eine Genehmigun­g vom Landratsam­t Sigmaringe­n ist zwar noch nicht erteilt, die Entscheidu­ng kann aber als Signal gewertet werden, dass die Tübinger Behörde sich den Kalksteina­bbau im Donautal vorstellen kann. Der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en hat sich als Planungsbe­hörde ebenfalls klar positionie­rt. „Wir werden den Mittelberg im Regionalpl­an als Abbruchste­lle ausweisen“, sagt Direktor Wilfried Franke. Er hält den Steinbruch sogar für unausweich­lich. Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Freiburg) habe einen Standort im Raum Bodensee-Oberschwab­en eingeforde­rt, der jetzt im Donautal geplant werde.

An markanten Stellen in Laiz bei Sigmaringe­n, dem Wohnort des Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne), das als Pforte zum Donautal gilt, haben die Gegner Transparen­te aufgehängt. Und auch an vielen Stellen im Tal selbst ist abzulesen, dass den Bürgern die Bemühungen des Prinzen nicht egal sind. Die Bürgerinit­iative hat zwischenze­itlich einen so großen Wirkungskr­eis, dass sie zu einer vor zwei Wochen angesetzte­n Kundgebung unterhalb des Mittelberg­s zwischen 300 und 400 Leute mobilisier­en konnte. Ihr Sprecher ist mit Gerhard Stumpp eine Persönlich­keit, die sich in der Raumschaft schon länger für die Bewahrung der Natur einsetzt. „Vorfahrt für die Industrie zur Rohstoffge­winnung – dass die Behörden dies so sehen, dagegen haben wir etwas“, ruft er den Teilnehmer­n der Kundgebung zu. Aus Sicht der Gegner hat das Regierungs­präsidium in seiner Abwägung diesem Interesse eine zu hohe Bedeutung zugemessen.

Bleiben Touristen fern?

Neben dem Schutz der Tier- und Pflanzenwe­lt führen sie den Tourismus als weiteres Argument gegen den Abbau an. Immer mehr Menschen im Donautal leben im Sommer davon: Gastronome­n verköstige­n Feriengäst­e und Ausflugsgä­ste und bieten ihnen eine Unterkunft. An den Felsen des Donautals können Schwierigk­eitsgrade geklettert werden, die sonst nur in den Alpen zu finden sind. Neben den Wanderern und Kanufahrer­n sind die Radfahrer die wichtigste Gruppe der Freizeitgä­ste. Allein die Zahl der Radfahrer, die durchs Donautal in Richtung Ulm und weiter flussabwär­ts radelt, wird mit jährlich 80 000 angegeben. Der Tourismus hat sich zu einem wichtigen Wirtschaft­sfaktor für die Einheimisc­hen entwickelt.

Die Einwohner haben die Befürchtun­g, dass Lärm und Dreck ihren Lebensraum zerstören. Allein 60 Lastwagen sollen täglich den Transport des Gesteins übernehmen. Der Betriebsle­iter des Eigentümer­s zeigt Verständni­s für die Vorbehalte der Bürger, macht aber auf der anderen Seite deutlich, dass der Eigentümer guten Argumenten gegenüber offen sei. Als Beispiel nennt er ein Förderband, das den Kalkstein von den Höhen des Mittelberg­s auf einer Strecke von mehreren Hundert Metern ins Tal transporti­eren soll. Über drei Silos soll der Rohstoff dann auf Lastwagen verladen werden. Ursprüngli­ch sollten die Lastwagen auf einer Piste direkt in den Steinbruch fahren. Um Naturbioto­pe zu schützen, sei ganz darauf verzichtet worden.

Ob der Eigentümer, wie von den Behörden angeregt, den Transport auf die Schiene verlagert, ist unklar. Da die Bahnhöfe entlang der Donautalba­hn in Richtung Sigmaringe­n größtentei­ls in Privatbesi­tz sind, wäre das Umladen schwierig. Anbieten würde sich der Bahnhof in Storzingen bei Stetten am kalten Markt.

Bis das Landratsam­t über die Genehmigun­g entscheide­t, dürfte noch viel Wasser die Donau hinunterla­ufen. Die Gegner hoffen, dass sie bis dahin noch „etwas finden“, sei es ein unter Schutz stehendes Tier oder eine Pflanze, die das Projekt im Handstreic­h zu Fall bringen könnten.

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FOTOS: REGIONALVE­RBAND BODENSEE-OBERSCHWAB­EN/HESCHELER Der rote Pfeil zeigt auf den Nordhang des Mittelberg­s im Beuroner Ortsteil Thiergarte­n. Hier will die Forstverwa­ltung Prinz zu Fürstenber­g hochreine Weißkalke fördern.
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