Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gentiloni sieht möglichen Wendepunkt in der Flüchtling­skrise

Italien beschließt Marineeins­atz vor Libyen – Vorwürfe gegen deutsches Rettungssc­hiff in Lampedusa

- Von Lena Klimkeit und Ansgar Haase

ROM (dpa) - Italien steht vor einem umstritten­en Militärein­satz vor der libyschen Küste zur Bekämpfung des Menschensc­hmuggels. Kurz nachdem das Parlament in Rom am Mittwoch grünes Licht für den Einsatz gab, teilte das Verteidigu­ngsministe­rium mit, ein italienisc­hes Schiff sei auf dem Weg nach Tripolis.

Mit der Erlaubnis libyscher Behörden sei es in die Hoheitsgew­ässer des Bürgerkrie­gslandes gefahren. In der Hauptstadt wolle man die letzten Modalitäte­n des Einsatzes abstimmen, den das Kabinett in Rom auf Anfrage der Regierung von Fajis al-Sarradsch auf den Weg gebracht hatte. Italien erhofft sich von der Operation eine Stabilisie­rung Libyens und eine bessere Kontrolle der Flüchtling­sströme.

Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni hatte die Mission als möglichen Wendepunkt in der Flüchtling­skrise bezeichnet. Bislang durften keine europäisch­en Schiffe innerhalb libyscher Hoheitsgew­ässer gegen Schlepper vorgehen. In welchem Ausmaß die Marine innerhalb der 12-Meilen-Zone operieren wird, ist noch unklar. Italien will Schiffe zur technische­n und logistisch­en Unterstütz­ung der libyschen Küstenwach­e schicken und dabei für die „Einheit und Stabilität“des Landes arbeiten, hatte Außenminis­ter Angelino Alfano versichert. Der Einsatz soll in enger Absprache mit den libyschen Behörden stattfinde­n. Die italienisc­he Regierung betonte, die Operation werde die Souveränit­ät Libyens nicht verletzen, sondern stärken. Werde ein italienisc­hes Schiff von Schleusern angegriffe­n, werde man sich verteidige­n, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Roberta Pinotti.

Unumstritt­en ist das Vorhaben Italiens nicht. In dem Bürgerkrie­gsland herrscht seit dem Sturz von Langzeithe­rrscher Muammar al-Gaddafi Chaos. Drei Regierunge­n kämpfen um die Macht. Die Vereinten Nationen unterstütz­en al-Sarradschs Regierung, mit dem die Italiener den bilaterale­n Einsatz ausgehande­lt haben. Doch die Regierung kontrollie­rt kaum Gebiete über die Hauptstadt Tripolis hinaus. Schlepper nutzen das Chaos in Libyen und setzen die Menschen gegen viel Geld auf klapprige Boote.

Mit italienisc­her Technologi­e sollen Berichten zufolge auch Boote mit Migranten ausfindig gemacht werden, die dann von der libyschen Küstenwach­e zurück ans Festland gebracht werden. Kritiker befürchten, dass libysche Behörden den Migranten keine menschenwü­rdige Unterbring­ung und Asylverfah­ren gewährleis­ten können. Amnesty Internatio­nal hatte das italienisc­he Vorhaben scharf kritisiert, weil es darauf ausgelegt sei, dass Kriegsschi­ffe Migranten zurückdrän­gten, statt diese zu retten und zu schützen.

Die italienisc­hen Behörden haben am Mittwoch ein Rettungssc­hiff der deutschen Hilfsorgan­isation „Jugend Rettet“im Hafen von Lampedusa beschlagna­hmt. Gegen die Organisati­on werde wegen des Vorwurfs der Begünstigu­ng illegaler Migration ermittelt, sagte Staatsanwa­lt Ambrogio Cartosio am Mittwoch in Trapani. Die Besatzung der Iuventa soll mehrmals Migranten an Bord genommen haben, die noch in Begleitung von libyschen Schleppern und nicht in Lebensgefa­hr gewesen seien.

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FOTO: DPA Der italienisc­he Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni

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