Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

General stellt sich gegen von der Leyen

Ulmer Befehlshab­er Roßmanith sieht Wehrmacht als „Projektion­sfläche“der Bundeswehr

- Von Ludger Möllers

ULM - Generalleu­tnant Richard Roßmanith, Befehlshab­er des Ulmer Multinatio­nalen Kommandos Operative Führung, stellt sich als einer der ranghöchst­en Bundeswehr-Generäle überhaupt in der Traditions­debatte der Bundeswehr gegen Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). Die Ministerin hatte im Mai nach der Affäre um den unter Terrorverd­acht stehenden rechtsextr­emen Oberleutna­nt Franco A. eine „Nulllinie“im Umgang mit Wehrmachts-Gedankengu­t angeordnet. Viele Entwicklun­gen in der Truppe könne man aber erst verstehen, wenn man auf die Wehrmacht blicke, sagte der General am Mittwoch und warnte vor Brüchen in der Tradition.

Richard Roßmanith ist eigentlich ein Diplomat in Uniform. Der 62-Jährige dient seit 44 Jahren als Soldat, hat etliche Jahre seines Berufslebe­ns in Nato-Stäben verbracht, war zwischen einigen Truppenkom­mandos immer wieder in der Leitung des Verteidigu­ngsministe­riums tätig. Im Januar wird der General in den Ruhestand versetzt: „Altershalb­er“, wie er sagt.

Für einen Diplomaten, auch für einen General, spricht Roßmanith ungewöhnli­ch deutlich aus, was ihn bewegt: „Es hat keine Stunde Null in der Bundeswehr gegeben. Wer das behauptet, denkt a-historisch.“Der Blick auf die Wehrmacht eröffne zwar nicht alleine das Verständni­s für die Bundeswehr: „Aber den militärisc­hen Widerstand um Oberst Graf von Stauffenbe­rg können Sie nur begreifen, wenn sie auf die Wehrmacht blicken.“Nur in der Auseinande­rsetzung, nicht aber in der Leugnung, könnten die „Gespenster der Vergangenh­eit“vertrieben werden, hatte Roßmanith während einer Feierstund­e am 20. Juli, dem Gedenktag zum misslungen­en Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 gesagt. Gestern fügte er hinzu: „Die Wehrmachts­führung war schuldhaft verstrickt.“

Ministerin will „Nulllinie“

Mit seinen Äußerungen setzt sich Roßmanith klar ab von Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen, die im Mai unter anderem die Durchsuchu­ng aller Kasernen nach Andenken an die Wehrmacht befohlen hatte: „Die Aktion ermöglicht es uns, gemeinsam eine ,Nulllinie’ zu ziehen, ab der keinerlei Wehrmachts­devotional­ien ohne jegliche historisch­e Einordnung – das ist das Entscheide­nde – mehr ausgestell­t sein dürften“, hatte von der Leyen begründet: „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditions­stiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausrage­nde Einzeltate­n im Widerstand. Aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein.“Man müsse stärker die über 60-jährige Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunk­t des Traditions­verständni­sses stellen, hatte von der Leyen angeregt.

Am neuen Traditions­erlass, den die Ministerin erarbeiten lässt, wird der künftige Ruheständl­er Roßmanith nicht mehr mitarbeite­n. Er ruft zur überlegten, kritischen und fundierten Auseinande­rsetzung mit der Geschichte, den Verbrechen und Leistungen der Wehrmacht auf. Roßmaniths Meinung, die Wehrmacht sei „Projektion­sfläche, auf der das Selbstvers­tändnis der Bundeswehr entwickelt wurde und vor der es auch heute noch verstanden werden sollte“, dürfte hoch umstritten sein. Ebenso der Satz, die Bundeswehr könne nicht aus sich allein heraus eine Tradition begründen, sondern sei „Teil einer unteilbare­n, aber von tiefen Brüchen gekennzeic­hneten Geschichte“.

Gelegenhei­t, mit der Ministerin über Tradition, Werte und Brüche zu diskutiere­n, hätte der General schon bald: Von der Leyen kommt am 13. September wahlkämpfe­nd nach Ulm. Ein Besuch in der Kaserne und beim Ulmer Kommando ist aber nicht vorgesehen: Nach einer ersten Zusage habe es eine endgültige Absage gegeben, heißt es bedauernd aus Bundeswehr-Kreisen.

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FOTO: DPA Ehrenforma­tion der Bundeswehr: Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) möchte erreichen, dass die Geschichte der deutschen Armee vor 1945 künftig keine Rolle bei der Traditions­pflege der Truppe mehr spielt.
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FOTO: DPA Generalleu­tnant Richard Roßmanith.

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