Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Venezuelas Staatschef Maduro ist von den USA abhängig

- Von Georg Ismar, Rio de Janeiro

Anfangs sah Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro noch ein Tauwetter aufziehen mit Donald Trump im Weißen Haus. Während viele Menschen in Caracas im Müll nach Essen suchen, spendete der Ölkonzern Citgo, der dem venezolani­schen Staatskonz­ern PDVSA gehört, 500 000 Dollar für die Vereidigun­gsfeier Trumps am Washington­er Capitol. Doch jetzt geht der US-Präsident härter als Amtsvorgän­ger Barack Obama gegen Maduro vor.

Erster Schritt: Mögliche Vermögen des Sozialiste­n in den USA werden eingefrore­n – nur gegen Kim Jong-un (Nordkorea), Robert Mugabe (Simbabwe) und Baschar al-Assad (Syrien) wurden bisher solche US-Sanktionen verhängt.

Aber das könnte erst der Anfang sein: Mit über 300 Milliarden Barrel Öl hat Venezuela auf dem Papier die größten Reserven der Welt, knapp zwei Millionen Barrel werden pro Tag gefördert – davon gehen satte 700 000 in die USA. Zehn Prozent der Ölimporte der USA kommen aus Venezuela. Bei einem Preis von derzeit 43 Dollar (36,5 Euro) für Öl aus Venezuela sind das 30 Millionen Dollar am Tag und 10,9 Milliarden Dollar im Jahr.

Maduro ist von den USA abhängig; das ist der wunde Punkt. Mit dem Militär im Rücken scheint Maduro gewillt, nach Augusto Pinochet in Chile die erste offene Diktatur in Südamerika seit fast 30 Jahren zu errichten. Aber hinter der Fassade brodelt es – er hat voll auf die Karte des „schwarzen Goldes“gesetzt, das ist zum Fluch geworden. Venezuela hat eine marode Ölindustri­e, die Förderkost­en sind hoch, die Förderung eingebroch­en, raffiniert­es Öl für Benzin muss sogar teilweise aus den USA importiert werden. Es ist das billigste der Welt, wegen der Rekordinfl­ation gibt es für einen Euro weit über 1000 Liter Benzin. Diese Subvention­en kosten mehrere Milliarden Dollar im Jahr, das Geld fehlt für den Lebensmitt­elimport.

Das venezolani­sche Öl ist zudem von minderer Qualität, recht schwer, es gibt weniger Geld als für die Sorten WTI und Brent. Und die größte Bürde: 95 Prozent der Exporteinn­ahmen kommen aus dem Ölverkauf. Weil der Preis lange hoch war, verlegte man sich einfach auf das Importiere­n von Lebensmitt­eln und Medikament­en, selbst von Klopapier, das heute eine Rarität in Caracas geworden ist.

Hinweise auf Wahlmanipu­lation

Der Blick auf eine Tabelle des Ölminister­iums zeigt das Drama: Anfang 2016 gab es nur 24,71 Dollar je Barrel, der Schnitt lag bei 35,15 Dollar. Seit 2015 wurde nicht mehr dauerhaft die 45-Dollar-Grenze überschrit­ten. Da parallel auch noch fast monatlich Auslandssc­hulden zu bedienen sind, verschärft sich die Krise. Hinzu kommen Korruption und Misswirtsc­haft der Sozialiste­n in Caracas.

Maduro hat Abhängigke­iten geschaffen in Zeiten, zu denen Lebensmitt­el Mangelware sind. Um in den Genuss von günstigen Lebensmitt­elpaketen zu kommen, muss man ein „Carnet de la Patria“beantragen – und erklären, die Regierung zu unterstütz­en. Ein Stopp der Ölimporte könnte die Zahlungsun­fähigkeit bewirken und damit den Druck auf Maduro in den eigenen Reihen so erhöhen, dass er gestürzt wird. Viele Funktionär­e haben Anleihen des PDVSA-Konzerns und würden viel Geld verlieren.

Bei der Wahl der Verfassung­gebenden Versammlun­g gibt es Hinweise auf massive Manipulati­onen – es hätten viel weniger Menschen abgestimmt als die verkündete­n 8,1 Millionen, wie der Chef der zuständige­n Wahlcomput­erfirma Smartmatic mitteilte. (dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany