Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Turmbau zu Rottweil

Bei einer Baustellen­tour geht es vor allem um technische Details

- Von Kathrin Fromm

Hoch und immer höher gleitet der Blick, den Kopf weit in den Nacken gelegt, die Hand zum Schutz vor der Sonne über den Augen: Erst dann sieht man ihn komplett, den neuen Turm in Rottweil. 244 Meter ragt er in die Höhe, am Ende sollen es noch zwei Meter mehr sein. Dann, ab Oktober, können Besucher mit einem Panoramaau­fzug auch zur Aussichtsp­lattform, der höchsten in Deutschlan­d, hochfahren und hinter Glaswänden auf die Stadt und in die Landschaft schauen.

Bis es so weit ist, kann die Baustelle besucht werden. Rund 25 Leute haben sich dazu an einem sonnigen Sonntag auf einem Parkplatz im Industrieg­ebiet „Berner Feld“um Hermann Maier versammelt. Der 74-Jährige macht sonst Führungen durch die mittelalte­rliche Innenstadt von Rottweil. Den Turmbau hat er von Anfang an beobachtet, war bei der ersten Sprengung fürs Fundament dabei und als ein Hubschraub­er den Kran hochhievte.

„Bolzengrad“steht er da

Maier ist fasziniert und begeistert von dem Turm, das merkt man ihm an: „Hier wurde im Dreischich­tbetrieb geschafft. Tag und Nacht waren die Arbeiter dafür auf der Baustelle. 3,60 Meter pro Tag ist der Turm gewachsen und nach neun Monaten stand er, bolzengrad.“Der Baustellen­führer reiht aber nicht nur technische Fakten aneinander, sondern zeigt auch Fotos von den Arbeiten, zum Beispiel von einer roten Kapsel, mit der der Kranführer hochgezoge­n wird. Er erzählt außerdem etwas über die Geschichte Rottweils, der ältesten Stadt Baden-Württember­gs, die geologisch­en Begebenhei­ten der Schwäbisch­en Alb und den Bauherrn Thyssen Krupp Elevator.

Der Industriek­onzern baut den Turm, um darin Aufzüge zu testen. Eine Neuheit, die hier ausprobier­t werden soll, ist die Magnetschw­ebetechnik, die sowohl horizontal als auch vertikal funktionie­rt. „18 Meter pro Sekunde geht es damit hoch, das sind zwei Fensterrei­hen“, erklärt Maier und zeigt den Abstand am Turm. Insgesamt sind darin zwölf Aufzugssch­ächte, einer nur für die Feuerwehr, ein Lastenaufz­ug, der Panoramaau­fzug für die Besucher – bleiben neun für die Tests. Außerdem gibt es für den Notfall ein Treppenhau­s, mit mehr als 1600 Stufen. Die muss zum Glück heute niemand hoch, alle bleiben am Boden.

Die Haut des Turms

Die Tour führt am Bauzaun entlang, zu einem der vier Vermessung­spunkte und weiter bis zur Besuchereb­ene, wo Liegestühl­e mit Turmmotiv unter der Woche dazu einladen, die Arbeiten zu beobachten. Dort ragt auch ein Stahlskele­tt aus dem Boden, an dem Maier die Bauweise erklärt. Daneben ist ein großes Stück Stoff zum Befühlen aufgespann­t, die sogenannte Testturm-Membran. Mit diesem Hightech-Gewebe aus Glasfaser wird das Gebäude anschließe­nd schraubenf­örmig umhüllt. „Das ist wie bei uns Leuten auch. Mit einem Kittel sieht man eben besser aus“, sagt der Baustellen­führer mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Der Stoffmante­l soll vor Sonne und Wind schützen, dient aber auch der Optik, denn ganz unumstritt­en war das Bauvorhabe­n am Anfang nicht. Der Geschichts- und Altertumsv­erein zum Beispiel war dagegen, weil der neue Turm die Silhouette Rottweils kaputt mache. Selbst der leicht schräge Münstertur­m, mit seinen 71 Metern bislang Spitzenrei­ter, wird vom Aufzugtest­turm um mehr als zwei Längen geschlagen. Tatsächlic­h sieht man den ThyssenTur­m von fast überall in der Stadt. Trotzdem steht die Mehrheit der Rottweiler hinter dem Bau, selbst von einem neuen Wahrzeiche­n ist manchmal die Rede.

Offenbar ist eben nicht nur Maier fasziniert. Auch das Publikum der Führung ist sehr interessie­rt und stellt immer wieder technische Detailfrag­en, zur richtigen Betontempe­ratur ebenso wie zur genauen Stahlmenge. Der Baustellen­führer gibt fundiert Auskunft. Schließlic­h ist er vom Fach, war als Vermessung­singenieur vor dem Ruhestand jahrelang auf einem Bauamt tätig. Deshalb klingt es aus seinem Mund auch überhaupt nicht despektier­lich, wenn er abschließe­nd feststellt: „Da waren wirklich lauter Spezialist­en am Werk.“Und noch einmal gleiten alle Blicke den 244 Meter hohen Turm hinauf.

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FOTO: IMAGO Weithin sichtbar ist der Thyssen-Turm, in dem künftig Aufzüge getestet werden sollen.
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FOTO: KF Hermann Maier (links) gibt ausführlic­he Erklärunge­n zur Baustelle.

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