Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Angelpunkt

Politiker und Naturschüt­zer streiten um Mindestalt­er zum Fischen

- Von Katja Korf

- Sollten Kinder schon mit sieben Jahren eine Angel halten dürfen? Seit Jahren debattiere­n Politiker, Angler und Naturschüt­zer in Baden-Württember­g über diese Frage. Im Landtag gäbe es eine Mehrheit für den Vorstoß, nur die Grünen lehnen ihn ab. Angelverei­ne fühlen sich allein gelassen, vor allem von der CDU.

Die Argumente sind längst ausgetausc­ht. Naturschüt­zer und die Grünen vertreten eine klare Haltung. Sie sind dagegen, das Kinder schon mit sieben Jahren angeln dürfen. bislang erlauben die Vorschrift­en das erst Zehnjährig­en. Auch diese dürfen nur in Begleitung eines Erwachsene­n fischen, der einen Angelschei­n besitzt. Wer diesen erwerben will, muss dazu einen 30-stündigen Kurs absolviere­n und eine Prüfung. Darin geht es unter anderem auch um Natur- und Tierschutz.

Die Grünen halten die bestehende­n Regeln für ausreichen­d. Sie führen sowohl den Tierschutz als auch den Kinderschu­tz an. Fische seien schmerzemp­findlich. Wer sie tötet, müsse wissen, wie das gehe – ohne den Tieren unnötiges Leid zuzufügen. „Diese Sachkunde kann von einem siebenjähr­igen Kind nicht erwartet werden, auch nicht unter Anleitung“, so Reinhold Pix (Grüne). Außerdem warnt er davor, Kinder schon so früh ans Töten von Lebewesen heranzufüh­ren. Sie seien erst als Jugendlich­e in der Lage, darüber fundiert nachzudenk­en. „Kinder begreifen das Verletzen und Töten sonst womöglich noch als Spiel“, sagt Pix.

Experten sind sich uneins

Ähnlich argumentie­ren Tierschütz­er. Die Organisati­on Peta führt ein Gutachten des Mediziners Doktor Jatzko Senior an. Dieser warne laut Peta, das Angeln in jungen Jahren häufig den Grundstein dafür lege, dass sich die jungen Angler zu Gewalttäte­rn entwickelt­en. Angler dagegen zitieren stets eine Einschätzu­ng des Dortmunder Erziehungs­wissenscha­ftlers Professor Wilfried Bos an. Er schrieb 2011: „Angeln kann bei Kindern das Verständni­s für Naturschut­z, Tierschutz und den persönlich­en Reifeproze­ss fördern.“Es müsse allerdings bis etwa zum zwölften Lebensjahr unter Anleitung stattfinde­n.

FDP, SPD und AfD teilen diese Sicht – und lange auch die CDU. So sagte etwa 2012 der damalige CDUAbgeord­nete Wolfgang Reuther: „Wir wollten das Mindestalt­er zum Erwerb des Jugendfisc­hereischei­ns von zehn Jahren auf sieben Jahre senken.“Da aber schon damals die Grünen regierten, kam es nicht dazu.

Den organisier­ten Anglern geht es darum, die Kinder an die Fischerei heranzufüh­ren – und damit nicht nur an den Sport, sondern auch an den Naturschut­z. Der Fischereiv­erband ist ein anerkannte­r Naturschut­zverband. Für die Pflege von Gewässern und den Schutz seltener Arten seien die 900 Angelverei­ne im Land unverzicht­bar, so Geschäftsf­ührer Sosat. Viele leisteten mehr Stunden ehrenamtli­che Arbeit bei der Pflege der Gewässer als beim Angeln. Doch ohne Nachwuchs droht den Clubs das Aus. Man müsse Kinder früh für die Natur und das Fischen begeistern. „Keiner will, dass Kinder Fische erschlagen. Aber die Angel halten, dass muss doch möglich sein“, so Reinhart Sosat, Geschäftsf­ührer des Landesfisc­hereiverba­ndes. Wer aber nur zuschauen dürfe, langweile sich rasch. Darüber hinaus dürften etwa in Bayern, Bremen oder Hessen schon Kinder fischen. Dort habe man keine schlechten Erfahrunge­n gemacht. Die Grünen wiederum führen ihrerseits Länder an, in denen erst Jugendlich­en das Angeln erlaubt ist.

Der letzte Versuch, das seit sechs Jahren im Landtag debattiert­e Thema abzuräumen, scheiterte kurz vor der Sommerpaus­e. Die FDP hatte einen Antrag eingebrach­t, das Landesfisc­hereigeset­z entspreche­nd zu ändern. Doch die Regierungs­fraktionen von Grünen und CDU lehnten den Vorstoß ab. Die Grünen aus Überzeugun­g, die CDU aus Sorge um den Koalitions­frieden.

Jürgen Kath, Bezirksvor­sitzender der Angler in Südwürttem­berg, ist enttäuscht. „Die CDU musste offenbar Zugeständn­isse machen“, sagt er. Die CDU verteidigt sich. Der FDP gehe es nicht um die Sache, sondern nur darum, Unfrieden zwischen Grünen und CDU zu stiften. „Ein solch durchsicht­iges Manöver bringt uns in der Sache kein Stück weiter“, sagte der Ehinger Abgeordnet­e Manuel Hagel.

Deshalb stimmte die CDU gegen den Gesetzesen­twurf. Zwei Abgeordnet­e enthielten sich: Karl Zimmermann und Arnulf von Eyb. Letzterer ist nicht nur Abgeordnet­er, sondern auch Präsident des Landesfisc­hereiverba­ndes. „Ich bin zuversicht­lich, dass die Grünen im Laufe der Zeit erkennen: Es ist gut, Kinder früh an die Natur heranzufüh­ren“, sagt von Eyb. „Keiner möchte sich vorstellen, wie die Jagst heute ohne den Einsatz der Angler aussehen würde.“Fischereiv­ereine hatten nach dem Chemieungl­ück am Fluss mit Hunderten von Ehrenamtle­rn geholfen, die Giftwolke einzudämme­n und zu verdünnen.

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FOTO: COLOURBOX Kind beim Angeln: Dieses Bild kann nicht in Baden-Württember­g entstanden sein, sonst wäre es illegal.

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