Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Weil nennt Vorwürfe eine „olle Klamotte“
Niedersachsens Opposition wusste schon 2016 von VW-Absprachen
(dpa) - Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) läuft es denkbar schlecht. Eben erst hat seine rot-grüne Koalition ihre Einstimmen-Mehrheit im Landtag verloren, weil die abtrünnige Grünen-Abgeordnete Elke Twesten zur CDU wechselte. Neuwahlen sind nötig. Dazu sieht sich Weil Vorwürfen im VW-Abgasskandal ausgesetzt. Eine Regierungserklärung zur Dieselkrise ließ er 2015 vorab vom Autobauer gegenlesen. Das räumte seine Staatskanzlei am Wochenende ein. Dies ist Futter in einem absehbar hart werdenden Wahlkampf, der in Niedersachsen nun früher als geplant beginnt. Das Klima ist vergiftet.
So dauerte es am Montag mehr als vier Stunden, bis sich Weil und Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) mit Parteivertretern auf einen Termin für die vorgezogene Wahl verständigt hatten. Am 15. Oktober wählen nun die Niedersachsen, in den Herbstferien. Eigentlich sollte im Januar 2018 gewählt werden.
Weil spricht von einem „Fortschritt“, der zur politischen Klärung beitragen werde. Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann nennt den Termin im Oktober ein „Kompromissdatum“, dem man aus staatspolitischer Verantwortung zugestimmt habe.
Althusmann hat Weil zur Rückgabe seines VW-Aufsichtsratspostens aufgerufen. Dieser solle außerdem den Weg für schnelle Neuwahlen freimachen, sagte Althusmann im NDR mit Blick auf den Streit um eine mögliche Einflussnahme des VWKonzerns auf eine Regierungserklärung Weils. „Letztendlich muss ein Ministerpräsident dann auch Haltung zeigen und sagen, dass er dann auch Konsequenzen zieht“, sagte Althusmann.
„Ein Wahlkampfmanöver“
Berichte über die mögliche Einflussnahme des VW-Konzerns hat Weil am Montag erneut bestritten. Dies sei ein „absurder Vorwurf“, sagte Weil der „Bild“-Zeitung. „Der angeblich neue Ärger ist eine olle Klamotte und schon vor mehr als einem Jahr in Niedersachsen diskutiert worden. Das ist ein Wahlkampfmanöver.“
Die Opposition in Niedersachsen ist schon vor einem knappen Jahr über die Abstimmung der Rede von Weil mit VW informiert worden. Während sich CDU und FDP heute darüber empören, hatte sie seinerzeit keine Bedenken. Dies ergibt sich aus dem Protokoll einer vertraulichen Sitzung des Landtags-Wirtschaftsauschusses von September 2016, das der Deutschen PresseAgentur vorliegt. Zuerst hatten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR darüber berichte.
In der Ausschusssitzung hatte die Landesregierung die Abgeordneten aller Parteien darüber informiert, dass eine Rede Weils über die VWAbgasaffäre dem Konzern vorab zur Prüfung vorgelegt worden war. Laut Protokoll kommentierte FDP-Fraktionsvize Jörg Bode die Ausführungen von Regierungssprecherin Anke Pörksen damals: „So genau wollten wir gar nicht wissen, welche Worte gegen welche Worte ausgetauscht wurden.“
VW habe sich in einer dramatischen Lage befunden, es sei auch um viele Tausend Arbeitsplätze gegangen, sagte Weil am Montag. „Deswegen war eine besondere Sorgfalt bei öffentlichen Äußerungen zwingend notwendig. Ich habe einen Redeentwurf diktiert und meinen Fachleuten, einem Anwalt und auch VW zuleiten lassen mit der Bitte, auf rechtliche oder sachliche Bedenken hinzuweisen. Um mehr ging es nicht und mehr ist auch nicht berücksichtigt worden.“Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete Weils Verhalten als „völlig normal“. „Die Vorwürfe finde ich abenteuerlich. Ich hätte mich – ich war Ministerpräsident in Niedersachsen, ich war auch mal im Aufsichtsrat bei VW – exakt genauso verhalten.“
Die Situation in Niedersachsen ist zugespitzt: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geht bereits von einem Lagerwahlkampf aus. „In Niedersachsen tritt Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün an“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.