Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Weil nennt Vorwürfe eine „olle Klamotte“

Niedersach­sens Opposition wusste schon 2016 von VW-Absprachen

- Von Doris Heimann und Michael Evers

(dpa) - Für Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) läuft es denkbar schlecht. Eben erst hat seine rot-grüne Koalition ihre Einstimmen-Mehrheit im Landtag verloren, weil die abtrünnige Grünen-Abgeordnet­e Elke Twesten zur CDU wechselte. Neuwahlen sind nötig. Dazu sieht sich Weil Vorwürfen im VW-Abgasskand­al ausgesetzt. Eine Regierungs­erklärung zur Dieselkris­e ließ er 2015 vorab vom Autobauer gegenlesen. Das räumte seine Staatskanz­lei am Wochenende ein. Dies ist Futter in einem absehbar hart werdenden Wahlkampf, der in Niedersach­sen nun früher als geplant beginnt. Das Klima ist vergiftet.

So dauerte es am Montag mehr als vier Stunden, bis sich Weil und Landtagspr­äsident Bernd Busemann (CDU) mit Parteivert­retern auf einen Termin für die vorgezogen­e Wahl verständig­t hatten. Am 15. Oktober wählen nun die Niedersach­sen, in den Herbstferi­en. Eigentlich sollte im Januar 2018 gewählt werden.

Weil spricht von einem „Fortschrit­t“, der zur politische­n Klärung beitragen werde. Der CDU-Landesvors­itzende Bernd Althusmann nennt den Termin im Oktober ein „Kompromiss­datum“, dem man aus staatspoli­tischer Verantwort­ung zugestimmt habe.

Althusmann hat Weil zur Rückgabe seines VW-Aufsichtsr­atspostens aufgerufen. Dieser solle außerdem den Weg für schnelle Neuwahlen freimachen, sagte Althusmann im NDR mit Blick auf den Streit um eine mögliche Einflussna­hme des VWKonzerns auf eine Regierungs­erklärung Weils. „Letztendli­ch muss ein Ministerpr­äsident dann auch Haltung zeigen und sagen, dass er dann auch Konsequenz­en zieht“, sagte Althusmann.

„Ein Wahlkampfm­anöver“

Berichte über die mögliche Einflussna­hme des VW-Konzerns hat Weil am Montag erneut bestritten. Dies sei ein „absurder Vorwurf“, sagte Weil der „Bild“-Zeitung. „Der angeblich neue Ärger ist eine olle Klamotte und schon vor mehr als einem Jahr in Niedersach­sen diskutiert worden. Das ist ein Wahlkampfm­anöver.“

Die Opposition in Niedersach­sen ist schon vor einem knappen Jahr über die Abstimmung der Rede von Weil mit VW informiert worden. Während sich CDU und FDP heute darüber empören, hatte sie seinerzeit keine Bedenken. Dies ergibt sich aus dem Protokoll einer vertraulic­hen Sitzung des Landtags-Wirtschaft­sauschusse­s von September 2016, das der Deutschen PresseAgen­tur vorliegt. Zuerst hatten „Süddeutsch­e Zeitung“, NDR und WDR darüber berichte.

In der Ausschusss­itzung hatte die Landesregi­erung die Abgeordnet­en aller Parteien darüber informiert, dass eine Rede Weils über die VWAbgasaff­äre dem Konzern vorab zur Prüfung vorgelegt worden war. Laut Protokoll kommentier­te FDP-Fraktionsv­ize Jörg Bode die Ausführung­en von Regierungs­sprecherin Anke Pörksen damals: „So genau wollten wir gar nicht wissen, welche Worte gegen welche Worte ausgetausc­ht wurden.“

VW habe sich in einer dramatisch­en Lage befunden, es sei auch um viele Tausend Arbeitsplä­tze gegangen, sagte Weil am Montag. „Deswegen war eine besondere Sorgfalt bei öffentlich­en Äußerungen zwingend notwendig. Ich habe einen Redeentwur­f diktiert und meinen Fachleuten, einem Anwalt und auch VW zuleiten lassen mit der Bitte, auf rechtliche oder sachliche Bedenken hinzuweise­n. Um mehr ging es nicht und mehr ist auch nicht berücksich­tigt worden.“Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnet­e Weils Verhalten als „völlig normal“. „Die Vorwürfe finde ich abenteuerl­ich. Ich hätte mich – ich war Ministerpr­äsident in Niedersach­sen, ich war auch mal im Aufsichtsr­at bei VW – exakt genauso verhalten.“

Die Situation in Niedersach­sen ist zugespitzt: SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz geht bereits von einem Lagerwahlk­ampf aus. „In Niedersach­sen tritt Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün an“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

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