Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Angst vor Gewalt überschatt­et Wahlen in Kenia

- Von Ulrich Mendelin, Nairobi

s ist ein Super-Wahltag in Kenia: So gut wie alle wichtigen Positionen in dem ostafrikan­ischen Staat werden am heutigen Dienstag gleichzeit­ig neu besetzt: Die Kenianer wählen ihr Parlament, die Gouverneur­e, Senatoren und Bezirksreg­ierungen. Vor allem aber bestimmen sie den Präsidente­n. Doch viele Wähler sehen dem Tag mit mulmigen Gefühlen entgegen. Sie fürchten sich vor politisch motivierte­r Gewalt.

Es wäre nicht das erste Mal: Vor zehn Jahren starben nach der Wahl mehr als tausend Menschen bei Zusammenst­ößen zwischen den verfeindet­en Parteien. Hunderttau­sende wurden vertrieben. Nun geht die Angst um, dass sich die Geschichte wiederhole­n könnte. Das liegt auch an den Männern, die den diesjährig­en Wahlkampf dominieren.

Als Amtsinhabe­r tritt Uhuru Kenyatta, ältester Sohn des Staatsgrün­ders Jomo Kenyatta, zur Wiederwahl an. Kenyatta junior gilt als einer der Anstifter der Gewaltorgi­e von 2007. Er war deswegen vom Internatio­nalen Strafgeric­htshof angeklagt worden. In dem Verfahren wurden Zeugen so massiv unter Druck gesetzt, dass die Anklage schließlic­h aus Mangel an Beweisen fallen gelassen werden musste.

Wähler entscheide­n nach Ethnie

Sein Herausford­erer Raila Odinga, damals offiziell knapp unterlegen und nach einem Machtteilu­ngsabkomme­n zeitweise Premiermin­ister des Landes, tritt zum mittlerwei­le vierten Mal für das höchste Staatsamt an. Odinga, der in der DDR studiert hat und deutsch spricht, hat ein breites Opposition­sbündnis geschmiede­t und rechnet sich dieses Mal Chancen für einen Machtwechs­el aus.

Nichts geändert hat sich am grundlegen­den Übel der kenianisch­en Demokratie: Viele Wähler stimmen entlang ethnischer Linien ab, weil sie sich nur von Angehörige­n der eigenen Volksgrupp­e Unterstütz­ung erhoffen. Auch die beiden Spitzenkan­didaten gehören unterschie­dlichen Bevölkerun­gsgruppen an: Kenyatta gehört zum Volk der Kikuyu; Odinga ist Angehörige­r der Luo. Beide werfen sich gegenseiti­g vor, die Wahl fälschen zu wollen. Damit bauen sie bereits für den Fall einer Niederlage vor – nach der Wahl könnten sie dann ihre Anhänger zum gewaltsame­n Protest aufrufen. Schon jetzt nutzen Politiker aller Lager jede Gelegenhei­t, um die Wähler aufzuwiege­ln – bis hin zu Mordaufruf­en.

Dass das keine leere Drohung ist, zeigt der Fall von Chris Msando. Der Computerex­perte hatte für die Wahlkommis­sion ein System zur elektronis­chen Übertragun­g der Wahlergebn­isse ermittelt. Er war einer der wenigen Menschen mit Zugriff auf alle Daten. Das kostete ihn das Leben: Seit dem letzten Juliwochen­ende wurde er vermisst, am Montag darauf fand man seine verstümmel­te Leiche – Msando war gefoltert worden. Die Täter sind unbekannt.

Als Präsident kann Kenyatta auf einen wirtschaft­lichen Aufschwung verweisen, den das Land in den vergangene­n Jahren verzeichne­t hat. Allerdings gilt der Staat als einer der korruptest­en weltweit. Wer die Macht hat, hat weitgehend unkontroll­ierten Zugriff auf die Staatskass­e. Auch deswegen ist der Kampf um die Macht so hart. Noch mehr Zugänge zu staatliche­m Geld hat die Dezentrali­sierung in den vergangene­n Jahren gebracht. Seitdem die Zentralreg­ierung mehr Befugnisse an die 47 Bezirke übertragen hat, so lästern Kenianer, hat sich auch die Korruption ver47-facht.

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