Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Begnadeter Museumsman­n mit politische­m Weitblick

Martin Roth ist im Alter von 62 Jahren gestorben

- Von Christoph Meyer, dpa

- Er war der erste Deutsche an der Spitze eines britischen Topmuseums – und machte es zum Besucherma­gneten. Auch in Deutschlan­d galt Martin Roth als Ausnahmeer­scheinung. Nun ist er mit 62 Jahren nach schwerer Krankheit in Berlin gestorben.

Sichtbar stolz, aber mit großer Bescheiden­heit nahm Martin Roth im vergangene­n Sommer die Glückwünsc­he der britischen Herzogin Kate entgegen. Der Deutsche hatte das Londoner Victoria and Albert Museum aus seinem Schattenda­sein geführt und zum bedeutends­ten Ausstellun­gshaus Großbritan­niens gemacht. Dafür wurde es zum „Museum des Jahres“gekürt.

Roth war einer der erfolgreic­hsten und umtriebigs­ten Museumsmac­her in Deutschlan­d der vergangene­n Jahrzehnte. Der Schwabe, der von den Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden kam, hatte in London mit Ausstellun­gen wie zu David Bowie (2013) oder dem Modedesign­er Alexander McQueen (2015) Besucherre­korde gefeiert.

Das Museum in South Kensington bot Entertainm­ent, Kunst und Zeitvertre­ib. Roth, stets mit perfekt sitzendem Anzug und Schlips gekleidet, mischte sich unters Volk. Nicht selten bekamen Besucher am Eingangssc­halter Informatio­nen direkt von ihm. Wie keinem anderen gelang es ihm, die Relevanz von Kunst und Design in Gesellscha­ft und Politik aufzuzeige­n. Er war der erste Deutsche an der Spitze eines britischen Topmuseums.

Streitbare Persönlich­keit

Im Herbst vergangene­n Jahres legte er sein Amt nach fünf Jahren nieder. Er wolle sich politisch wieder mehr engagieren, hatte Roth seinen Rückzug aus London begründet. Außerdem glaube er nicht, dass er das führende britische Museum für Kunst und Design noch „besser hinbekomme“. Doch es gab kaum einen Zweifel daran, dass auch das Votum der Briten zum EU-Ausstieg mit seiner Entscheidu­ng zu tun hatte.

Im Deutschlan­dfunk sagte er, es sei „erbärmlich“, was die Kunst- und Kulturwelt gegen politische und gesellscha­ftliche Bedrohunge­n unternehme. Man schaue nur zu und befasse sich mit sich selber. Das Europa, an das er glaube, existiere möglicherw­eise schon längst nicht mehr.

Die Briten hatten sich im Juni 2016 in einer historisch­en Abstimmung entschiede­n, die Europäisch­e Union zu verlassen. Roth hatte sich vor dem Referendum deutlich gegen einen Brexit ausgesproc­hen. Nach Bekanntwer­den des Ergebnisse­s zeigte er sich damals entspreche­nd enttäuscht. „Ich empfinde dieses Ergebnis als persönlich­e Niederlage“, sagte Roth damals der Deutschen Welle.

Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) würdigte den verstorben­en Kulturmana­ger als „eine der markantest­en und auch streitbars­ten Persönlich­keiten“der deutschen und internatio­nalen Museumswel­t. „Seine Rolle in der Kultur verstand Martin Roth immer auch als politische Interventi­on“, schrieb Grütters in einer Mitteilung, die in der Nacht zu Montag verbreitet wurde. „Martin Roth war ein glänzender Verkäufer seiner selbst, seiner Ideen und seiner Ausstellun­gen. Als Kulturmana­ger mit Format und Kanten wird Martin Roth fehlen.“

Der Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, Hermann Parzinger, wertete seinen Tod als „niederschm­etternde Nachricht“. Roth sei „ein Ermögliche­r, ein Geldbesorg­er, ein Antreiber“gewesen. „Natürlich konnte er auch polarisier­en. Er wollte kein Fürstendie­ner sein und war es nie!“, schrieb Parzinger. Roth habe stets die Museumsbes­ucher in den Mittelpunk­t gestellt.

Martin Roth konnte auch in seiner Heimat auf eine beachtlich­e Karriere zurückblic­ken. Von 1991 bis 2001 war er Direktor des Deutschen HygieneMus­eums Dresden, 2001 bis 2011 Generaldir­ektor der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden und von 1995 bis 2003 auch Chef des Deutschen Museumsbun­des. Erst vor Kurzem hatte Roth seine neue Stelle als Präsident des Instituts für Auslandsbe­ziehungen (IfA) angetreten. Der Kulturwiss­enschaftle­r wurde in Stuttgart geboren, studierte in Tübingen und war dort auch promoviert worden.

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FOTO: DPA Martin Roth war der erste Deutsche, der ein britisches Topmuseum geleitet hat.

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