Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ehrenamtliche verschaffen Eltern Verschnaufpausen
Junge Familien können im Kreis Sigmaringen „Wellcome“in Anspruch nehmen
- Als Nicole Fritz vor genau einem Jahr Mutter wurde, hat der kleine Julian ihr Leben ganz schön auf den Kopf gestellt. Eine Nachsorgehebamme hatte die heute 20-Jährige nicht, stattdessen viele Fragen – und nach einer Weile das Gefühl, dass ihr ein wenig Entlastung im Alltag gut tun könnte. Als ihr Baby drei Monate alt war, wandte sie sich mit diesem Wunsch ans Landratsamt. Nach der Geburt war sie im Krankenhaus von Schwestern und Hebammen über „Wellcome“informiert worden – ein Unterstützungsangebot, das Familien im ersten Lebensjahr eines Kindes entlastet und jedem offensteht. „Als Julian drei Monate alt war, habe ich das dann in Anspruch genommen“, sagt Nicole Fritz. Ein Schritt, den sie nie bereut hat.
Wellcome ist im Landratsamt bei der Fachstelle für Frühe Hilfen angesiedelt. Dort kümmert sich Nadine Ringwald darum, dass Eltern und Ehrenamtliche zusammenfinden. An Nicole Fritz und ihre kleine Familie vermittelte sie Hersilya Wieland; die junge Erzieherin ist berufstätig und selbst Mutter einer kleinen Tochter. Trotzdem nimmt sie sich die Zeit, um sich bei Wellcome zu engagieren. Einmal in der Woche fährt sie zu Familie Fritz nach Inzigkofen und verschafft Julians Mutter Zeit für sich, indem sie sich um das Baby kümmert. Spazieren gehen, dem Kleinen etwas vorsingen, spielen und toben: „Wir machen ganz unterschiedliche Sachen zusammen“, sagt Wieland. Sie genieße es, die Entwicklung des kleinen Jungen mitzuerleben und zugleich der Mutter etwas Gutes zu tun. „In den zwei Stunden kann sie machen, was immer sie möchte.“Zwischen den beiden Frauen lief es von Anfang an rund: „Wir sind auf Anhieb super miteinander klargekommen“, sagt Nicole Fritz.
Abdeckung in Randlagen schlecht
Im Landkreis gibt es bei Wellcome derzeit neun aktive Ehrenamtliche, sechs Familien werden aktuell betreut. Es komme aber vor, dass nicht alle Anfragen berücksichtigt werden können, sagt Nadine Ringwald. Deshalb würden auch laufend Ehrenamtliche gesucht. Vor allem in den Randlagen des Landkreises, in Pfullendorf oder Gammertingen, sei die Abdeckung eher schlecht. „2016 hatten wir im Frühjahr plötzlich so viele Anfragen, dass wir Absagen erteilen mussten“, sagt Ringwald. „Das war wirklich schade“, zumal das niedrigschwellige Angebot wirklich allen Familien gelte. Sie beteiligen sich mit einer einmaligen Vermittlungsgebühr in Höhe von zehn Euro sowie fünf Euro pro Stunde an den Kosten, die Ehrenamtlichen erhalten regelmäßige fachliche Begleitung, Versicherungsschutz und Fahrtkostenerstattung.
Für Hersilya Wieland war es anfangs „komisch zu arbeiten, ohne etwas dafür zu bekommen“. Doch das legte sich schnell. „Das Gefühl, hier wirklich helfen zu können und dass die Familie mich braucht, spornt mich an“, sagt sie. „Ich gebe hier nicht nur Zeit, ich gebe auch ganz viel Liebe.“
Weil Julian gestern ein Jahr alt geworden ist, enden die Besuche von Hersilya Wieland bei Familie Fritz. Es ist aber nur ein Abschied auf Zeit: Das zweite Kind ist unterwegs.