Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Für solche Rennen trainiert man Tag für Tag“
Leichtathletik: Die Langstreckenläuferin Alina Reh vor ihrem Start bei den Weltmeisterschaften in London
(sz) - Das Warten hat ein Ende. Am Donnerstag startet die Laichingerin Alina Reh (SSV Ulm 1846) am siebten Wettkampftag ins WM-Abenteuer. Die 20-jährige Langstrecklerin, die vor ihrem Wechsel nach Ulm für den TSV Erbach startete, spricht im Interview mit „Leichtathletik.de“über ihre Ziele in London, die taktischen Varianten im WM-Vorlauf und die zu erwartende Atmosphäre im Stadion.
Alina Reh, Sie sind in Sachen internationale Meisterschaften schon ein „alter Hase“. Nun steht aber in London der erste WM-Start bei den „Großen“bevor. Kribbelt’s schon?
Sogar ziemlich. Es hat mit dem ersten Startschuss der WM am Freitag begonnen. Bei den 1500-Meter-Rennen habe ich mit Konstanze Klosterhalfen und Hanna Klein mitgefiebert. Seitdem steigt auch bei mir die Nervosität.
Mit welchen Zielen gehen Sie das Abenteuer WM an?
Wie gesagt: Es ist meine erste internationale Meisterschaft bei den „Großen“. Darum ist es für mich ein Reinschnuppern. Ich will im Vorlauf ein gutes Rennen zeigen und eine gute Zeit laufen.
Welche Zeit trauen Sie sich denn in London zu?
Das hängt vom Rennverlauf ab. Wenn das Tempo passt, würde ich gern in die Nähe meiner Bestzeit von 15:10,57 Minuten laufen. Perfekt wäre eine Zeit unter 15:10 Minuten. Aber wie gesagt: Das hängt extrem von der Taktik in den Vorläufen ab. Wenn es langsam wird und alle auf einen letzten schnellen Kilometer bauen, wird es schwer mit einer guten Zeit.
Wäre ein langsamer Vorlauf für Sie die schlechteste Variante?
Ja, denn ich bin halt nicht die Spurtstärkste. Dann muss ich aus dem Gefühl heraus entscheiden, ob ich selbst für Tempo sorge oder nicht. In einem Weltklassefeld besteht so die Gefahr, dass man am Ende durchgereicht wird.
Wie sähe für Sie der perfekte WMVorlauf aus?
Mir würde ein flottes, gleichmäßiges Tempo entgegenkommen, sodass ich ein paar Konkurrentinnen abschütteln kann. Es darf am Ende nicht zu schnell werden. Dann haben die meisten anderen Läuferinnen bessere Karten.
Nach der Saisonbestzeit liegen Sie auf Platz 17 der Meldeliste, nach der Bestzeit insgesamt auf Platz 28. Das Ziel Finale wäre wahrscheinlich ein wenig vermessen, oder?
Die Konkurrenz ist enorm stark. Aber zunächst muss man schauen, wer am Donnerstag bei den Vorläufen dabei ist. Viele Starterinnern sind doppelt gemeldet, über die 5000 und die 1500 oder 10 000 Meter. In jedem Fall wäre das Finale der 15 Besten das Sahnehäubchen auf die WM.
Die Vorläufe finden abends vor vermutlich mehr als 60 000 Zuschauern statt. Auch Großbritanniens „Lauf-Queen“Laura Muir ist gemeldet. Freuen Sie sich auf die zu erwartende Kulisse?
Auf jeden Fall. Für solche Rennen trainiert man Tag für Tag. Außerdem sind die britischen Fans echte Leichtathletik-Enthusiasten und feuern alle Sportler fair an.
Ihre Bestzeit steht seit der U23-EM bei 15:10,57 Minuten. Die besten Langstrecklerinnen der Welt sind fast eine Minute schneller. Ist das eine andere Leistungsdimension?
Ich will mich nicht mit den besten Afrikanerinnen vergleichen. Die Zeiten von Almaz Ayana und Co. sind eine andere Leistungsklasse. Ich bin froh, überhaupt in London dabei zu sein. Man darf nicht vergessen, dass ich erst 20 Jahre alt bin. Da bleiben noch einige Jahre, bis ich meinen Leistungshöhepunkt erreiche.
Ihnen fehlen noch knapp zehn Sekunden zur Schallmauer von 15 Minuten. Spielt diese Barriere schon eine Rolle für Sie?
Nein, überhaupt nicht. Ich war von meinen 15:10 Minuten bei der U23-EM sehr überraschst. Mein Trainer weniger, doch ich hätte mir eine solche Zeit nicht zugetraut. In ein bis zwei Jahren könnte ich so weit sein, um unter 15 Minuten zu bleiben.
Worin müssen Sie sich für eine 14er-Zeit noch steigern?
Ich bin auf den Unterdistanzen nicht die Schnellste. Dort besteht das meiste Potenzial. Man merkt, dass ich nicht den klassischen Weg in der Leichtathletik mit der vielseitigen Ausbildung gegangen bin. Ich habe gleich als Kind mit dem Laufen begonnen. In den kommenden Jahren geht es daher darum, meine 1500-Meter-Bestzeit von 4:13 Richtung 4:10 Minuten oder noch darunter zu steigern.
Was muss in London passieren, damit Sie sagen: Es war eine richtig gute Premiere bei den „Großen“.
Ich muss im Ziel kaputt, müde und glücklich sein. Wenn ich direkt nach dem Rennen nicht hadere, habe ich alles richtig gemacht. Dann spielen Zeit und Platz nur eine Nebenrolle.