Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Angriff ist die beste Verteidigu­ng für Katar

- Von Michael Wrase, Limassol

Als Anfang Juni die Vereinigte­n Arabischen Emirate, SaudiArabi­en, Bahrain und Ägypten Katar mit einem Wirtschaft­sembargo zur politische­n Kapitulati­on zwingen wollten, zeigten sich die Herrscher des reichsten Landes der Welt nur wenig beeindruck­t. „Wir sind zum Dialog bereit, werden uns aber von unseren Nachbarn nicht erpressen lassen“, lautete die in Doha formuliert­e Verteidigu­ngsdoktrin, welche nun zwei Monate später modifizier­t worden ist.

Ein zunächst geplantes „Aussitzen der Krise“kommt für das potente Emirat angesichts der politische­n Halsstarri­gkeit seiner Nachbarn offenbar nicht mehr in Frage. Um dem Druck Riads und Abu Dhabis auch langfristi­g standhalte­n zu können, ist man in Doha stattdesse­n in die Offensive gegangen.

„Angriff ist die beste Verteidigu­ng“, lautet jetzt das Motto der übernächst­en WM-Gastgeber, die nicht nur mit der Verpflicht­ung des brasiliani­schen Superstars Neymar für sagenhafte 222 Millionen Euro ein deutliches Ausrufezei­chen weltweit gesetzt haben. Auch das am Dienstag beendete Manöver der katarische­n und türkischen Streitkräf­te war ein klares Signal an das arabische Quartett: „Mit euren Zwangsmaßn­ahmen werdet Ihr uns nicht aufhalten. Wir werden auch weiterhin unseren Weg gehen“.

Wichtiger als der publicityt­rächtige Neymar-Transfer ist eine von den Medien kaum beachtete Änderung des katarische­n Einwanderu­ngsgesetze­s. Damit das Emirat unter dem Druck des arabischen Embargos für ausländisc­he Arbeitskrä­fte attraktiv bleibt, werden diese künftig die Möglichkei­t haben, eine lebenslang­e Aufenthalt­sgenehmigu­ng zu beantragen. Selbst der Kauf von Grundstück­en soll gestattet werden.

Darüber hinaus sollen Gastarbeit­er freien Zugang zur Gesundheit­sversorgun­g erhalten, ihre Kinder staatliche Schulen und Universitä­ten kostenlos besuchen dürfen. Wer in den Genuss dieser – für die Golfregion – geradezu revolution­ären Privilegie­n kommt, ist noch unklar. Vermutlich sind es die besser bezahlten Fachkräfte und nicht die einfachen, überwiegen­d asiatische­n, Bauarbeite­r, deren Lebensbedi­ngungen sich seit dem Beginn des Embargos aber erheblich verbessert haben sollen.

Mit der überfällig­en Änderung der bisher so rigiden Einwanderu­ngsgesetze hebt sich Katar wohltuend von seinen arabischen Nachbarn ab und bringt diese faktisch unter Zugzwang. Mit der Neugestalt­ung seiner Gesetzte signalisie­re Katar überdies dem Westen seine Reformbere­itschaft sowie seine Entschloss­enheit, ein moderner Staat zu werden, analysiert der für den Washington­er „Center for Internatio­nal und Strategic Studies“tätige Nahostexpe­rte Antony Cordesman.

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