Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In einer Nische erfolgreich
Ertinger Boehler GmbH versorgt Firmen mit speziellen Bauteilen – Halle eingeweiht
ERTINGEN - Sowohl das Firmengebäude in der Ertinger Krautlandstraße als auch die Bauteile, auf die die Firma Boehler spezialisiert ist, wirken auf den ersten Blick unscheinbar. Doch das täuscht. Das 1965 gegründete Unternehmen hat eine Nische für sich entdeckt und ist damit erfolgreich geworden. So erfolgreich, dass eine neue Lagerhalle gebaut werden musste, die jetzt feierlich eingeweiht wurde.
Stellen Sie sich vor, Sie betreiben ein Unternehmen, das ein Messgerät herstellt. Für dieses Gerät benötigen sie Schrauben, die keiner gängigen Norm entsprechen. Die Schrauben sollen kürzer sein und einen größeren Kopf haben als üblicherweise verfügbar. Woher bekommen Sie nun diese Schrauben – und das möglichst zu einem günstigen Preis?
Der „Technikvermittler“
An diesem Punkt kommt die Ertinger Firma Boehler ins Spiel – als „Technikvermittler“, wie Helge Lovercic vom Marketing sich ausdrückt. Die Mitarbeiter machen sich dann auf die Suche nach einem Lieferanten, der die Schrauben nach den speziellen Anforderungen des Kunden herstellen kann. Somit wird jeder Auftrag, den Boehler bekommt, individuell und in direktem Kontakt mit dem Kunden bearbeitet. „Wir sind die Schnittstelle zwischen dem Kunden und dem Lieferanten“, sagt Geschäftsführer Peter List.
Dabei kümmert man sich aber nicht nur um spezielle Schrauben, sondern um Bauteile jeder Art, die in besonderer Ausführung benötigt werden. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Dreh-, Fräs-, Stanzund Umformteile, die im Maschinenbau, in der Elektrotechnik sowie in der Mess- und Regeltechnik gebraucht werden.
Weil sich Unternehmen immer mehr spezialisieren, verbessert sich die Auftragslage bei Boehler stetig. „Seit Ende der 1990er-Jahre ist die Firma fast nur noch gewachsen“, erklärt Lovercic. Allerdings lege man auf ein moderates Wachstum Wert. „Schnell zu wachsen, birgt die Ge- fahr, dass alles zusammenbricht“, ergänzt Geschäftsführer List, der die Firma 1990 nach dem Tod von Firmengründer Kurt Böhler übernommen hat. Damals hatte er vier Mitarbeiter, heute sind es 15.
Lieferanten aus Indien
Inzwischen hat man sich eine Lieferanten-Datenbank aufgebaut, aus der man schöpfen kann. Der Großteil der Firmen sitzt in Deutschland. Seit rund zehn Jahren arbeiten List und seine Kollegen aber auch mit Unternehmen in Indien zusammen. In den chinesischen Markt einzusteigen kam nicht in Frage, denn für Boehler ist der Dialog mit den Kunden wichtig. „Ich muss dort direkt anrufen können und die Dinge besprechen“, betont List. In China ist das nicht so ohne Weiteres möglich, in Indien dafür umso mehr.
Ein Vorteil ist, dass die indischen Firmen deutlich günstiger produzieren als die deutschen. Aber das heißt nicht, dass den deutschen Herstellern dadurch Konkurrenz entsteht. Welches Bauteil sich für welchen Kunden am besten eignet, hängt von sehr vielen Faktoren ab, wie etwa Material, Fertigungsart, Einsatzort. In manchen Fällen haben die Kunden auch die Wahl zwischen einem deutschen und einem indischen Produkt.
Nun kennt aber jeder die Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in der asiatischen Textilindustrie. „Wir haben aber nie so etwas mitbekommen“, betont Lovercic. „Auch nicht, wenn wir die Betriebe überraschend besucht haben.“In der metallverarbeitenden Industrie komme das wohl weniger vor.
Die Kunden der Boehler GmbH kommen ebenfalls zum Großteil aus Deutschland, aber man bedient auch Unternehmen in Frankreich, Spanien, Italien und den USA. Einen direkten Kontakt zwischen Kunde und Lieferant gibt es in der Regel nicht. Denn schließlich ist das Zusammenführen der richtigen Partner das Erfolgsgeheimnis der Ertinger Firma.
Weil das Geschäft so gut läuft, hat man sich nun vergrößert und 150 000 Euro in eine neue Lagerhalle investiert – wobei Umschlagplatz oder Versand eigentlich die besseren Begriffe wären. Denn in Ertingen werden die Bauteile angeliefert und dann an den jeweiligen Kunden weitergeleitet. Bisher hatte man dazu zwei kleine Räume zur Verfügung, nun ist es eine Halle mit rund 85 Quadratmetern Grundfläche. Geplant hat sie das Bad Saulgauer Ingenieurbüro Schnell.