Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mehr Stellen als Bewerber
Trotzdem finden nicht alle Lehrlinge ihren Traumjob
NÜRNBERG (dpa) - Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben junge Leute in Baden-Württemberg momentan besonders gute Karten. Ende Juli gab es 74 086 gemeldete freie Stellen für 62 958 Bewerber, wie aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hervorgeht. Bundesweit betrachtet ist die Lage mit 512 000 angebotenen Lehrstellen und 512 000 Bewerbern indes ausgeglichen. Regional ist die Lage allerdings sehr unterschiedlich.
Neben Baden-Württemberg könnten auch in Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr Lehrstellen unbesetzt bleiben. Allein in Bayern standen zuletzt knapp 100 000 Lehrstellen lediglich 77 000 Ausbildungsinteressenten gegenüber.
Dennoch werden nicht alle Suchenden eine Lehrstelle finden, weil die Bewerber zunehmend wählerisch werden und sich oft auf wenige Trendberufe versteifen.
NÜRNBERG (dpa) - Lange schien die Lehrstellen-Welt nicht mehr so in Ordnung: Mit 512 000 Ausbildungsplätzen gab es im Juli nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) exakt genau so viele wie Lehrstellenbewerber – eine Lage, von der man in schlechten Zeiten nur träumen konnte. Dennoch hatten zuletzt noch 150 000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Trotz sinkender Schülerzahlen und einem weitgehend stabilen Angebot an Ausbildungsplätzen ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage groß. Nachfolgend die wichtigsten Gründe, warum die Lage trotz rechnerischer Ausgeglichenheit schwierig bleibt:
Regionale Unausgewogenheit: Ob jemand in seinem Traumberuf eine Lehrstelle findet oder eher schlechte Karten hat, hängt stark vom Wohnort des Bewerbers ab. In Baden-Württemberg gab es Ende Juli 74 086 gemeldete freie Stellen für 62 958 Bewerber. Ganz anders in Berlin: Schulabsolventen müssen dort laut Bundesagentur-Statistik
schon sehr gute Noten haben oder zu großen Kompromissen bereit sein, wenn sie eine Lehrstelle finden wollen. Ende Juli kamen auf 100 angebotene Lehrstellen 133 Bewerber. Ähnlich schwierig ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, wo auf 100 Lehrstellen 127 junge Ausbildungsinteressenten kommen. In Hessen liegt das Lehrstellen-Bewerber-Verhältnis bei 100:116.
Mangelnde Mobilität: Wer dort dennoch an seinem Traumberuf festhält, dem bleibt laut Experten nur der Umzug – etwa ins boomende Bayern. Dort hatten Firmen Ende Juli den Arbeitsagenturen fast 100 000 Lehrstellen gemeldet. Zugleich suchten nur gut 77 000 junge Männer und Frauen dort einen Ausbildungsplatz – ein Verhältnis von 100 Lehrstellen auf 77 Bewerber. Auch Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland zählen zu den Bundesländern, in denen Bewerber auf ein Überangebot an Lehrstellen treffen. Die Bereitschaft von Schulabsolventen, wegen einer Lehrstelle umzuziehen, ist nach Erfahrungen der Bundesagentur aber nicht allzu groß.
Festhalten am Traumberuf: In Deutschland gibt es 330 Ausbildungsberufe. Trotzdem kommt für viele Jugendliche nur ein Dutzend Berufe infrage, wie die BA-Statistik zeigt. Dass es dort nur wenige Lehrstellen gibt, scheint sie wenig zu beeindrucken, wie beim beliebten Beruf Tierpfleger deutlich wird: Für die nur 295 gemeldeten Lehrstellen hatten sich Ende Juli 2650 junge Leute interessiert: Auf 100 Stellen kamen so statistisch 898 Bewerber. Weitere begehrte Berufe mit knappem Lehrstellenangebot: Einkauf- und Vertriebsmitarbeiter, Veranstaltungsund Mediengestalter, Raumausstatter und Buchhändler. Unzureichende Qualifikation:
Das ist zwar für die Bundesagentur ein „weicher Faktor“, der statistisch nicht erfasst ist. Trotzdem kennen viele Berufsberater bei den Arbeitsagenturen das Problem: „Wenn einer mit Hauptschulabschluss und schlechter Mathematiknote zur Berufsberatung kommt und als Berufswunsch Informatiker angibt, dann wird ein guter Berufsberater dem jungen Mann klarmachen, dass es für ihn vielleicht doch nicht das Richtige ist“, sagt ein BA-Insider. Meist gelinge das auch. Schwieriger sei das hingegen bei Arbeitgebern, die nur Bewerber mit Top-Noten suchten. Da müsse man schon mal erklären, „dass man als Unternehmen nicht immer einen Weltmeister bekommt, sondern auch mal einen Durchschnittsportler nehmen muss“.
Trend zum Abwarten: Ähnlich wie in anderen Lebensbereichen gibt es nach Beobachtungen der Bundesagentur auch bei der Berufswahl einen Trend zum Abwarten – nicht zuletzt begünstigt durch das in vielen Regionen gute Ausbildungsangebot. „Manche Jugendlichen zögern mit ihrer Entscheidung bis zuletzt, weil sie alternativ zur Lehrstelle etwa eine schulische Weiterbildung in Betracht ziehen“, berichtet ein Bundesagentur-Sprecher. Tatsächlich finden auch Spätentschlossene derzeit genug unbesetzte Lehrstellen. Allein in der Gastronomie waren Ende Juli bundesweit 14 000 Ausbildungsplätze frei, 21 000 im Handel und 3300 in der Kunststoffverarbeitung. Die Auswahl für junge Leute ist also groß.