Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Sozialminister fordert mehr Geld für Krankenhäuser
Sozialminister Lucha wirft Trägern Versäumnisse vor – diese wehren sich gegen die Kritik
STUTTGART (tja) - Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha fordert von Finanzministerin Edith Sitzmann (beide Grüne) 64 Millionen Euro zusätzlich für die Krankenhaus-Förderung, sollten sich nach den Wahlen im September Bund und Länder erneut auf einen Fonds für Klinikumund Neubauten einigen. „Wir haben auch im Koalitionsvertrag vereinbart, das so zu machen. Ohne solche zusätzlichen Mittel würden uns Bundesgelder verloren gehen in Höhe von vielen Millionen Euro“, sagte Lucha der „Schwäbischen Zeitung“. Laut Haushaltsentwurf der badenwürttembergischen Regierung muss er bis 2020 pro Jahr knapp 13 Millionen Euro bei der Krankenhaus-Förderung einsparen.
STUTTGART - Ein Minister auf Sommertour hat gern gute Nachrichten im Gepäck. Manfred Lucha (Grüne) muss aber oft dahin, wo es weh tut. Erstens spart der Sozialminister in den kommenden zwei Jahren bei den Krankenhäusern. Zweitens wirbt er für große Kliniken statt kleiner Häuser. Das bringt ihm viele Vorwürfe ein. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“hält er seinen Kritikern vor, in den vergangenen Jahrzehnten selbst zu wenig für die Krankenhauslandschaft getan zu haben: „Die Krankenhausträger sind ihrer Aufgabe, die Krankenhäuser zukunftsfähig aufzustellen, in den letzten Jahrzehnten vielfach zu wenig nachgekommen und haben zu wenig Prioritäten gesetzt.“
Krankenhäuser finanzieren ihre laufenden Kosten vor allem durch Gelder der Krankenkassen. Die zahlten 2015 rund 9,2 Milliarden Euro für Leistungen, die Kliniken für die Versicherten erbringen. Investitionen, also Ausgaben für Anschaffung, Umund Neubauten, müssen die Länder tragen. Im laufenden Jahr förderte das Land solche Investitionen mit 525,5 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor. Im Bundesvergleich fließt nirgendwo soviel Geld pro Krankenhausbett, nämlich rund 8700 Euro.
Nun sinkt die Förderung: In den Verhandlungen über den Landesetat für 2018 und 2019 hatte der grüne Minister Lucha Sparvorgaben. Deswegen erhalten die Kliniken in den kommenden zwei Jahren insgesamt 25,9 Millionen Euro weniger als 2017 für ihre Investitionen.
Geld für Digitalisierung nötig
Der Zusammenschluss der rund 220 Kliniken im Land wehrt sich massiv dagegen. „Es gibt absolut keinen Grund für Kürzungen. Jahrelang hat das Land zu wenig investiert, das ist eine Mammutaufgabe “, sagt Annette Baumer von der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). So fordere der Minister etwa die Einführung digitaler Technologien im Gesundheitswesen, spare aber nun bei der Förderung. Ähnlich argumentieren die Landkreise, die viele Krankenhäuser betreiben.
Kommunen, Kirchen oder private Träger von Krankenhäusern weisen auf ein weiteres Problem hin: Wenn sie beim Land Mittel beantragen, müssen sie erfahrungsgemäß rund die Hälfte der Kosten selbst tragen, um Förderung zu erhalten. Angesichts der immer knapperen Mittel fehlt vielen schon jetzt schlicht das Geld – sie verlangen schon gar keine Förderung, verzichten lieber auf Anschaffungen oder Umbauten.
Auf Investitions-Förderung haben Kliniken einen gesetzlichen Anspruch. Nur: Was vom Geldgeber als „förderfähig“im Sinne des Gesetzes anerkannt wird, ist schwammig. „Das ist oft eher Verhandlungssache und nicht eindeutig definiert“, sagt Annette Baumer von der BWKG. Die Krankenhäuser im Land müssten pro Jahr rund 600 Millionen Euro bekommen, um überlebensfähig zu bleiben. Nach dieser Rechnung kommt die grün-schwarze Regierung ihren gesetzlichen Pflichten schon 2017 nicht nach, es fehlen mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr.
Diesen Vorwurf kontert Lucha so: „Die BWKG betrachtet jedes Haus isoliert und kommt daher zu diesen Werten. Das lasse ich nicht gelten. Jedes Gesundheitsangebot ist im Netzwerk zu sehen mit anderen Angeboten.“Er hält es für überholt, nur auf die Krankenhäuser zu schauen. Diese könnten längst nicht mehr all jene Aufgaben wahrnehmen, die sie noch vor Jahren übernommen hatten. Die Menschen bleiben heute nicht mehr lange im Krankenhaus, im Schnitt sind es noch sieben Tage. Früher war die Klinik Ersatz für den Pflegedienst, das Altenheim, das Hospiz.
Heute zahlen Krankenkassen Leistungen außerhalb der medizinisch erforderlichen kaum noch. Der Sozialminister will deshalb andere Angebote stärker fördern: Ambulante Gesundheitszentren oder Pflegeangebote. Die Zeit, in der jemand weit weg von zuhause im Krankenhaus liegen muss, ließe sich dadurch so kurz wie möglich halten und auf schwere Erkrankungen beschränken.
Lucha strebt Spezialisierung an
Hinzu kommt: Nur, wer sich spezialisiert, kann mit den Entwicklungen in der Medizin mithalten. Kleine Krankenhäuser, die vom Herzinfarkt über das kaputte Knie bis zum Blinddarm alles behandeln, bieten oft nicht jene medizinische Qualität wie große Häuser. Deren Ärzte verfügen über mehr Erfahrungen mit Therapien und Eingriffen, weil sie mehr Patienten behandeln. Deshalb will Lucha hin zu größeren, leistungsfähigeren Kliniken und kleineren, hochspezialisierten Standorten. In Riedlingen, Bad Säckingen oder Öhringen hat ihm das Ärger mit örtlichen Politikern und Bürgern eingebracht. Die hätten weiterhin gerne ein Krankenhaus vor der Haustür.
Lucha fühlt sich allein gelassen: „Alle Beteiligten müssen doch ein Interesse daran haben, reine Kirchturmpolitik zu verhindern. Da wünsche ich mir manchmal mehr Unterstützung von der kommunalen Familie und der Krankenhausgesellschaft.“Außerdem werde das Land seinen Pflichten trotz der Kürzungen nachkommen und alle sinnvollen Projekte fördern.